Festspiele REICHENAU: „Hiob“: Bericht über die Premiere am 2. Juli 2025 im Neuen Spielraum des Theaters Reichenau
Spielfassung & Regie: Alexandra Liedtke
Mit Joseph Lorenz, Julia Stemberger, Katharina Lorenz, Alex Kapl, Gregor Schulz und Aliosha Biz
Eine gediegene Ensembleleistung, viel Applaus, Bravos für Joseph Lorenz, interessante Regiedetails
25 Aufführungen bis einschließlich 3. August 2025
Alle Infos auf www.festspiele.reichenau.at
Joseph Lorenz ist Mendel Singer alias Hiob
© Lalo Jodlbauer
Theater schafft „Räume für Träume“. Das diesjährige Motto der Festspiele Reichenau passt auf alle Stücke der Saison 2025, auf Joseph Roths berühmten Roman HIOB bzw. dessen Spielfassung ganz besonders. Wer träumt nicht den Traum vom besseren Leben? Auch Mendel Singer alias Hiob ist auf der Suche nach diesem besseren Leben, so wie es auch der Autor Joseph Roth war! Mendel Singer vertraut auf Gott, betet und hofft auf Gottes Allmacht und Wunder, seine Frau Deborah sucht nach praktischen Lösungen der alten Weisheit folgend „Wer sich selbst hilft, dem hilft Gott“, muss sich aber dem Familienoberhaupt Mendel unterordnen.
Familie Mendel in Amerika
© Lalo Jodlbauer
Der Inhalt:
Es ist die Geschichte von Mendel Singer, einem Tora-Lehrer, der um 1900 im (fiktiven) Schtetl Zuchnow in Russland lebt und dessen Leben von Armut, Prüfungen und Schicksalsschlägen geprägt ist. Nach der Geburt seines vierten Kindes Menuchim, der unter Epilepsie leidet, beginnt Mendel, an seinem Glauben zu zweifeln und sieht nach Jahren in der Auswanderung nach Amerika den einzigen Ausweg. Dort lebt bereits sein Sohn Schemarjah, der nicht zum Militär eingezogen werden wollte, desertierte und in New York als Sam eine Firma betreibt. Mendel verliert durch Tod und Wahnsinn seine Frau und seine Kinder. Alt und alleine wartet Mendel Singer in New York auf den Tod. Plötzlich die positive Wendung: Menuchim steht vor ihm, ein erfolgreicher Dirigent: verheiratet, zwei Kinder. Wie das? Der krank in Russland zurückgelassene wurde durch Ärztekunst gesund, sein musikalisches Genie erkannt und gefördert. Mendel Singer erfährt das Wunder Gottes und schläft für immer ein.
Die Geschichte hat viele Parallelen zur Josephserzählung des Alten Testaments. In Joseph Roths Roman ist es der jüngste Sohn Menuchin, der – als Kind schwer krank und in seiner Entwicklung zurückgeblieben – von seinen Geschwistern ob der besonderen Mutterliebe beneidet, gequält und fast ertränkt wird. Nach vielen Wirrungen erweist er sich als gesund, zukunftsorientiert und versöhnend. Damit gleicht Menuchim als Heilbringender nicht nur dem alttestamentlichen Joseph, sondern auch dem neutestamentlichen Messias.
Die Themen Joseph Roths sind Heimatlosigkeit und Identitätsverlust, die Sehnsucht nach einem freien Leben. Der Roman war 1930 ein großer Verkaufserfolg und wurde in den letzten Jahren mehrfach für die Bühne entdeckt. So wurde 2019 am Burgtheater in Wien höchst erfolgreich eine Bühnenfassung von Koen Tachelet mit Peter Simonischek in der Titelrolle gezeigt. 2023 folgte am Stadttheater Klagenfurt die Uraufführung der Oper Hiob von Bernhard Lang, Libretto und Regie Michael Sturminger.
Die Fragen nach dem Sinn des Leidens und der Kraft des Glaubens sind ewig.
Genießen Sie die Musik von Aliosha Biz!
Wir wünschen Wolfgang Hübsch alles Gute. Er hat sich bei der Generalprobe verletzt. Alexandra Liedtke ist für die Premiere eingesprungen. Günter Franzmeier wird für die Folgevorstellungen die Rollen von Wolfgang Hübsch übernehmen.
Der Extratipp: studieren Sie das kluge Programmheft am besten auf einer Bank im Schatten mit Blick auf das klare Wasser der Schwarza vor und nach der Vorstellung!
Elisabeth Dietrich-Schulz