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REICHENAU: DÄMONEN von Heimito von Doderer. Premiere

05.07.2016 | Theater

DODERERS „DÄMONEN“ – Premiere Festspiele Reichenau – 4.Juli 2016

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Es hat bereits eine lange Tradition in Reichenau, dass man nicht nur Theaterstücke an sich spielt, sondern auch dramatisierte Romane. Heuer ist mit Heimito von Doderers Roman „Dämonen“ ein Werk gewählt worden, dass einen besonderen Stellenwert in der österreichischen Literaturgeschichte hat, bildet doch der Brand des Justizpalastes im Jahr 1927 – und damit der Anfang vom Ende der 1. Republik – den historischen Hintergrund. Zur Erklärung für geschichtlich nicht so versierte Leser und für Nichtösterreicher: Am 30. Jänner 1927 wurden im burgenländischen Ort Schattendorf während einer Versammlung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs zwei Personen, darunter ein sechsjähriges Kind, von Mitgliedern der Frontkämpfervereinigung Deutsch-Österreichs erschossen. Im darauffolgenden Prozess wurden die Täter am 14. Juli 1927 freigesprochen. Da es sich hiebei um ein poltisch motiviertes Fehlurteil gehandelt hat, kam es am 15. Juli 1927 zu Demonstrationen vor dem Justizpalast, die letztlich aus dem Ruder liefen. Einzelnen Aktivisten gelang es in den Justizpalast einzudringen und dort Feuer zu legen.

Nicolaus Hagg hatte nun die Aufgabe aus dem sehr umfangreichen Roman Doderers (1345 Seiten in der dtv-Taschenbuchausgabe) ein bühnentaugliches Theaterstück zu formen, dass auch díe übliche Länge eines Reichenauer Theaterabends, also max. 150 bis 160 Minuten (inkl. Pause), nicht überschreiten soll. Er verhalf sich hier mit einem alten Theatertrick, indem er das Stück als Reminiszenz einer der Hauptfiguren, hier des Georg von Geyrenhoff, anlegt. Geyrenhoff sitzt 1945 in einem Wr. Kaffeehaus und liest in seiner Chronik, als nach und nach die Ereignisse der Jahre 1926 und 1927 vor seinen Augen wieder lebendig werden. Die  große Zahl der im Roman vorkommenden Personen verknappte Hagg auf 16 und greift nur einzelne Episoden heraus, wobei trotzdem ein gewisser roter Faden der Handlung erkennbar bleibt. Die politisch-historischen Hintergründe spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle, wobei der Schluss des 1. Teiles mit der Mitteilung über den Schattendorfer Vorfall ein sehr starker Moment ist.

Das Stück wird im sogenannten „Neuen Spielraum“ gespielt und dieser ermöglicht in seiner Arena-artigen Form dem Regisseur Hermann Beil eine sehr intensive, nah am Publikum stattfindende Gestaltung der Handlung. Einziges „Bühnenbild“ (Gestaltung: wie fast immer Festspielintendant Peter Loidolt) sind die Buchstaben des Wortes „Dämonen“, wobei das „D“ an der Decke hängt und die übrigen Buchstaben als Tische, Sitzgelegenheiten und sonstige Versatzstücke herhalten müssen. Die der Zeit entsprechenden Kostüme stammen von Erika Navas.

Mittelpunkt des Abends ist der momentane „Star“ der Festspiele Reichenau, Joseph Lorenz in der zentralen Rolle des Sektionrates i.R. von Geyrenhoff. Er spielt die Rolle mit der ihm eigenen Persönlichkeit und Souverenität und drückt der Aufführung seinen Stempel auf. Julia Stemberger als die bedingt durch einen Unfall an einem Bein zum Tragen einer Prothese gezwungene Mary K. bleibt fast furchteregend distanziert und zeigt kaum Emotionen. David Oberkogler ist als Rene Stangeler sehr bemüht, wirkt aber in seinen Ausbrüchen etwas überfordert. Sascha Oskar Weiss blieb als Kajetan Schlaggenberg blass, hier wäre eine etwas präzisere Zeichnung der Rolle von Vorteil gewesen. Die beste unter den Damen war Volksopern-Sopranistin Johanna Arrouas als Charlotte „Quapp“ Schlaggenberg. Sie hat ein ungemein symphatisches Spiel und wirkt sehr menschlich. Selbst in dramatischen Momenten strahlt sie eine gewisse Ruhe und Überlegtheit aus. Fanny Stavjanik wirkt zwar eingermassen elegant und gestaltet ihre Rolle mit großer Ruhe und Gelassenheit, hat aber mit der Romanfigur der Witwe Ruthmayr praktisch überhaupt nichts gemein. Karin Kofler hätte man als Grete Siebenschein etwas mehr Persönlichkeit gewünscht, während Peter Matic als ihr Vater Fery wieder Schauspielkunst vom Feinsten sehen ließ. Philipp Stix spielte den Arbeiter Kakabsa sehr erdig aber mit großem Temprament und David Jakob wirkte als Geza Orkay etwas zu sehr überdreht. In kleineren Rollen überzeugten Rainer Frieb als Alois Gach und André Pohl als intriganter Kammerrat Levielle.

Am Ende gab es freundlichen Applaus für alle Mitwirkenden, das Regieteam und auch für den Gestalter des Stückes. Lediglich bei Lorenz und Matic gab es auch Bravo-Rufe.

In jedem Fall war es ein guter Theaterabend, der vielleich den einen oder anderen dazu  anregt, den Roman einmal zu lesen. Ich habe das schon hinter mir.   

Heinrich Schramm-Schiessl

 

 

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