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RECIFE/Nordostbrasilien: Interview mit VANESSA DE MELO, Koloratursopran

09.10.2018 | Sänger


Vanessa de Melo (Foto: Klaus Billand)

RECIFE/Nordostbrasilien: Interview mit VANESSA DE MELO, Koloratursopran – 9.10.2018

Im Zusammenhang mit den Meisterklassen von Radu Pantea in Recife vom 25. September bis 4. Oktober interviewte ich den 26jährigen Koloratursopran Vanessa de Melo, eine der Gesangstudentinnen von Rosemary Carlos, die am Conservatório Pernambucano de Música in Recife unterrichtet. Vanessa beteiligte sich ausgiebig an den Meisterklassen, am Konzert im Patio des Krebs-Krankenhauses von Pernambuco, sowie am Schlusskonzert in der Basilika Madre de Deus von Recife. Außerdem war sie eine engagierte und hilfreiche Mitorganisatorin der Meisterklassen. (Siehe auch den ausführlichen Bericht zu den Meisterklassen in Recife und Riberão Preto). Seit Januar 2014 ist Vanessa Mitglied der Chorvereinigung Madrigal Lindbergh Pires in Recife, der von Maestro Jadson Oliveira geleitet wird.

  1. Wie schätzen Sie die Situation der klassischen Musik in Pernambuco und dem Nordosten allgemein ein?

Nicht zuletzt aus Gründen mangelnden Interesses des Publikums wären viel mehr Anreize erforderlich. Das war vor etwa 10 bis 20 Jahren viel besser, als es weit mehr Fördermittel und Anreize gab. So konnte meine Chorvereinigung, der Madrigal Lindberg Pires, sogar Tourneen unternehmen. Offenbar hat auch die Regierung in den vergangenen Jahren weniger Mittel für den Kultursektor, insbesondere für Institutionen der klassischen Musik, zur Verfügung gestellt.

  1. Was machen Sie unter diesen erschwerten Bedingungen zur Zeit?

Wir machen mit dem wenigen das Beste, was wir können. Aber die Presse nimmt das kaum wahr. Hier steht die brasilianische Volksmusik (música popular brasileira) weit im Vordergrund der Berichterstattung. Auch das Teatro Santa Isabel in Recife mit seinen fast 500 Plätzen könnte sein Programm erweitern. Man hat hier zudem noch das Teatro Guararapes mit etwa 2.250 Plätzen (also etwa so groß wie das „Große Haus“ der Salzburger Festspiele – Anm. d. Verf.), das in erster Linie für Feiern von Universitätsabschlüssen, private Veranstaltungen und natürlich die brasilianische Volksmusik genutzt wird. (Wegen des seit dem Jahr 2000 defekten Orchestergrabens – die Hydraulik funktioniert nicht mehr und wurde seitdem auch nicht repariert – können und werden hier auch keine Opern aufgeführt, bisweilen aber Konzerte. Seit seiner Eröffnung in den 1990er Jahren gastierten am Teatro Guararapes erst zwei internationale Opern-Kompagnien, die Ópera de Lyon und die Oper Karlsruhe. Anm. d. Verf.).

  1. Wie sind Sie zur klassischen Musik gekommen?

In meiner Familie befinden sich nur öffentliche Bedienstete. Das war nicht unbedingt motivierend. Ich habe aber seit Kindestagen immer gesungen. Meine erste professionelle gesangliche Aktivität war die Mitgliedschaft in der Chorvereinigung Madrigal Lindbergh Pires. Seitdem habe ich auch schon mehrfach als Solistin gesungen.

  1. Was halten Sie von den Meisterklassen, die wir dieser Tage hier anboten?

Solche Anreize sind hier selten! Immer wenn sich eine solche Möglichkeit bietet, etwas hinzu zu lernen, nehme ich das gern an und motiviert auch meine Freunde mitzumachen. Diesmal konnte ich sogar meine Lehrerin Rosemary Carlos dazu bewegen, mitzukommen. (Rosemary Carlos sang auch auf dem Schlusskonzert, Anm. d. Verf.).

  1. Was ist das konkrete Ergebnis der Meisterklassen für Sie?

Es hat sich sehr gelohnt. Ich musste einige Unterrichtsstunden ausfallen lassen, die ich nachholen muss. Aber das war es wert, diese einzigartige Möglichkeit wahr zu nehmen. Man musste also bis zu einem gewissen Grad improvisieren (Aber darin sind die Brasilianer neben dem Fußball möglicherweise Weltmeister. Anm. d. Verf.). Es war insbesondere im professionellen Sinne nützlich. Ich habe wesentlich dazu gelernt, wie man Gefühle und Emotionen auf Musik und Gesang überträgt, und zwar im Sinne des musikalischen Ausdrucks der Aussage des jeweiligen Stücks. Übrigens hat auch der brasilianische Sänger Miguel Angelo Cavalcanti, der im Ensemble der Prager Oper ist, am hiesigen Konservatorium schon Meisterklassen gegeben.

  1. Wie fanden Sie das Schlusskonzert in der Basilika Madre de Deus und das Konzert im öffentlichen Krebs-Krankenhaus von Pernambuco (Hospital de Cancer de Pernambuco-HCP)?

Wir alle waren hellauf begeistert und sind mit dem Ergebnis zufrieden. Für die kurze Zeit, die zur Verfügung stand, haben wir das Beste gegeben. Wir machen auch mit dem Madrigal Lindberg Pires und unserem Orchester Konzerte für ärmere Gesellschaftsgruppen. Darin enthalten ist auch explizit eine Politik der Armenhilfe. In diesem Sinne war das Konzert im Krebs-Krankenhaus großartig, und wir werden gern weitere Konzerte dort aufführen, wenn es gewünscht wird.

  1. Was halten Sie von der Vorbereitung einer Oper für den März/April 2019 in Recife?

Wir hoffen ohnehin, dass diese Meisterklassen nur der Beginn eines längeren Programms sein werden. Insofern macht die Idee, schon im kommenden Jahr mit uns eine Oper aufzuführen, uns alle hier sehr glücklich. Es wäre ein Traum!

  1. Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

Ich möchte gern in drei Jahren mein Gesangsstudium abschließen und auch einmal beim Festival de Música de Santa Catarina-FEMUSC teilnehmen.

Wie wünschen Vanessa de Melo dazu alles Gute und viel Glück.                  
(Das Interview wurde auf Portugiesisch geführt).                                            

Klaus Billand

 

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