Ravenna Festival: Operndittico NORMA, NABUCCO,19./20.12.2023
„Nabucco. Foto: Zani
In der Herbstausgabe des Festivals werden zwei wirkmaechtige italienische Opern in den Mittelpunkt gestellt,Vincenzo Bellinis NORMA (UA Teatro alla Scala Mailand 1831) und Giuseppe Verdi NABUCCO (UA ebenfalls alla Scala 1842). Beide Aufführungen werden in Ravenna als „halbszenisch“ bezeichnet mit der Plazierung des Orchesters auf der Bühne des Teatro Alighieri, sowie des Chores und der Solisten fix dahinter aufsteigend. Semi-konzertant wäre somit aber die bessere Bezeichnung. Denn ’semi-szenisch‘ bezieht sich eigentlich nur auf eine von dem Visual Artist Svccy (Künstlername) vorgenommene digital generierte Bebilderung des Hintergrundes und die farbige Ausleuchtung des Chores und der Solisten (Lightdesignerin Eva Bruno).
Riccardo Muti und sein Orchestra Giovanile Luigi Cherubini steht also eindeutig im Vordergrund und zurecht, denn der Maestro aus Neapel hat mit den jungen Musikern fast ein kleines Wunder an klanglicher Darstellung dieser beiden einzigartigen Opernwerke vollbracht, in denen beiden der Clash zweier Religionen mit zugehörigen Liebesbeziehungen im Mittelpunkt steht. Bei NORMA ist es das ungeheuerliche Geschehen,dass sich eine Priesterin der Gottheit Irminsul auf eine Beziehung mit dem römischen Besatzer Galliens, Pollione, einlässt, zwei Kinder mit ihm gezeugt hat, von ihm aber zugunsten der Novizin des Tempelbezirks Adalgisa verlassen wird. Das wird von Bellini mit einer bis dahin fast unerhörten Wucht komponiert, die man in seinen anderen Opern so kaum findet. An R.Mutis Interpretation fällt auf, dass er eigentlich jeden Takt der Partitur herausziseliert. Natürlich als Dirigent nicht immer stehend, macht der 80-Jaehrige den Musikern seine Wünsche und Absichten in kleinsten bis wuchtig größten Gebärden evident. Und sie folgen ihm mit Expressionen, die es immer in sich haben, wobei besonders die Pauken und Perkussionisten hervorgehoben seien,die ein wahres so nie gehörtes Feuerwerk abbrennen. Natürlich auch bei NABUCCO, wo noch zwei Harfen hinzukommen.Der brillante Chor des Teatro Municipale di Piacenza unter Maestro Corrado Casati, ist in farbig ausgeleuchtete Tuniken gesteckt.
„Norma“. Foto: Zani
Riccardo Rados singt tenoral den Flavio, als Clotilde kommt die Koloratursopranistin Vittoria Magnarello blendend zum Zug. Als Oberpriester und Vater der Norma, Oroveso, kommt der Bass Vittoro De Campo zu stimmmaechtigen Einsätzen. Paola Gardina singt als Mezzo die Adalgisa, wobei sie vorwiegend in Duetten mit Norma den gewichtigen und spannungsgeladenen Gegenpart mit einschmeichelndem Timbre geben kann.“Ihren“ Pollione singt Klodjan Kacani mit herausragendem Tenor bei schönstimmigen Timbre.
Bei Monica Conesa fühlt man sich quasi in die Zeiten einer Maria Callas als Norma versetzt. Dieser Sopran hat die Rolle und ihre Ausformung wirklich mal einzigartig ‚drauf‘. Derzeit vervollkommnet die 28jaehrige amerikanisch-kubanische Sängerin ihre Gesangsstudien bei dem früheren Tenorjuwel Francisco Araiza und Mauricio Trejo. Ihr internationales Debüt gab sie vor zwei Jahren als Aida an der Arena die Verona.Wie sie hier die immensen nicht enden wollenden Erschütterungen der Norma spannungsgeladen intoniert, hätte sie wirklich die Callas sein können. Ihr Timbre ist wie bei der grossen Vorgängerin bis in höchste Höhen so sublim focussiert, dass es einem den Atem verschlägt. Dabei kommt sie auch in einem schulterfreien Glitzerkleid als schönes Mädchen zu phaenomenaler Wirkung.
„Norma“. Foto: Zani
Der visuelle Artist Svccy bewegt bei NORMA im Gegensatz zu NABUCCO auch öfter seine Szenenbilder. Bei letzterer “faehrt“ nur einmal ein den Hintergrund beherrschender goldener Löwe mit bösartig strengen Gesichtszügen, sicher der „Löwe“ aus Juda, am Ende des 1.Aktes bedrohlich nach vorn. Bei NORMA hingegen bekommen die Gestalten der Protagonistinnen Norma,Adalgisa und Pollione als sich aufeinanderzu bewegende Marmorstatuen eine Bedeutung. Inwiefern sie sich auf Statuen von berühmten Skulpturen der römischen (Kaiser)Geschichte beziehen, muss hier offen gelassen werden. Jedenfalls werden die zwei weiblichen und die männliche Marmorstatue elektronisch bewegt und zueinander in menschliche Beziehung gesetzt, was verblüffend erscheint,z.B.durch die Verschränkung ihrer Hände. Hier scheint Inszenierungskunst im Spiel!
Bei NABUCCO wirken in den Nebenrollen als Abdallo und Anna Giacomo Leone und Vittoria Magnarello. Den Gran Sacerdote gibt Adriano Gramigni mit fast wildem Bass. Weiters auf der Babylonierseite steht Fenena, die Francesca di Sauro mit großem eindruecklichem Mezzo darstellt.Gegenueber bei den Hebräern überzeugt Evgeny Stavinski als Zaccaria. Den Ismaele singt Riccardo Rados mit gut gefuehrtem Tenorschmelz.
Abigaille gibt Lidia Fridman mit einem sehr voluminösen Sopran,der auch manchmal wie durch Schleier gefiltert herüberkommt bei größtmöglichen Stimmumfang in den Koloraturen. Ihr Vater Nabucco wird von dem exaltierten Bariton Serban Vasile in einer super Form exekutiert. Diese Titelrolle erscheint beachtlich wie die gesamte Hebraeer-Oper inclusive Gefangenenchor.
Friedeon Rosen
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