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Raritäten aus der musikalischen Gourmetküche, entdeckt und gespielt vom grandiosen Barockgeiger Johannes Pramsohler

16.05.2018 | cd

Raritäten aus der musikalischen  Gourmetküche,  entdeckt und gespielt vom grandiosen Barockgeiger Johannes Pramsohler

 

Es ist die märchenhafte Geschichte eines neugierigen und entdeckungsfreudigen Südtirolers, der nach Paris auszog. Dort gründete er 2008 das Ensemble Diderot, dem er seither als künstlerischer Leiter und erster Geiger vorsteht. Die Musiker interessieren sich für selten gespieltes Barockes, meist in Kammermusikformation. 2013 gründete Pramsohler, um selbst ganz frei  über Aufnahmeprojekte entscheiden zu können, das Label Audax Records, auf dem er seither wunderbare CDs veröffentlicht. Die zwei letzten sind französischen Sonaten für Cembalo und Violine sowie Deutschen Kantaten mit Solovioline gewidmet. Pramsohler spielt auf der Geige, die einst auch die Kunst Reinhard Goebels edelte, einer P.G. Rogeri aus dem Jahr 1713.

 

Französische Sonaten für Cembalo und Violine, Philippe Grisvard, Johannes Pramsohler – Audax Record  2 CDs

 

Die Regentschaft Ludwig XIV. war wohl ein goldenes Zeitalter für die Künste generell, speziell die Oper, aber auch jeder Menge an hervorragender absoluter Musik. Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville erneuerte mit seinen Pièces de clavecin en sonates avec accompagnement de violon die Kunstform der Sonate in Stil, Ausdruck, aber auch der zunehmenden Rolle des Cembalo im Duett mit der altehrwürdigen Violine (hören Sie die Sonaten in g-moll und in A-Dur). Es wäre nicht das 18. Jahrhundert, würden die italienischen Einflüsse nicht Auslöser für soviel Innovation gewesen sein. Und es wäre nicht Frankreich, wenn sich die Lust an der eigenen Invention und Tradition sich nicht auf das Ergebnis niederschlagen würde. So nannte Michel Corette seine auf der CD präsentierte vierte Sonate „Les Amusements d‘Apollon chez le Roi Admète“, eine Charakteristik der französischen Suiten, die stets mit „Titeln“ unterlegt wurden. 

 

Weitere Kostproben, teils Ersteinspielungen, aus dem reichen und originären Sonaten- und Suitenschaffen der Zeit stammen von Louis-Gabriel Guillemain  (drei Sonaten op. 13 Pièces de clavecin en Sonates avec accompagnement de violon), von Jacques Duphly, Claude Balbastre, Luc Marchand und von Charles-François Clément. 

 

Aber neues Repertoire allein genügt nicht, um den anspruchsvollen Musikfreund hinter dem Ofen hervorzulocken. Da braucht es schon zweier so harmonisch aufeinander abgestimmter Künstler wie Johannes Pramsohler und Philippe Grisvard, die in vollendetem Einklang dennoch ihre Persönlichkeit, ihren individuellen Ausdruck, ihre Kunstfertigkeit auf dem jeweiligen Instrument zur Freude des Zuhörers ausspielen können. Johannes Pramsohler gelingt das Kunststück, trotz historisch informiertem Tun mit einer ungewöhnlichen Großzügigkeit und urwüchsigen Kraft im stets intonationssicheren Klang zu verblüffen. Uneitel, musikantisch, ohne jede  interpretatorische „Ideologie“, ist Pramsohler einer der Musiker, die den Hörer im musikalischen Fluss mit Leichtigkeit und Eleganz durch alle interpretatorischen Stromschnellen tragen. Ihm will man zuhören, er versteht es, die Musik im Heute ankommen zu lassen, frisch, unverstaubt und klar. Eine hohe Spielfreude und Virtuosität zeichnet auch Philippe Grisvard aus, der mit dem Cembalo ja eigentlich das dominante Instrument spielt. Die auf dem Album zu hörenden Sonaten stammen aus den Jahren 1740-1760.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Deutsche Kantaten für Solovioline: Nahuel di Piero, Andrea Hill, Jorge Navarro Colorado, Christopher Purves, Ensemble Diderot, Johannes Pramsohler – Audax Records CD

 

Eine weitere CD mit Einspielungen kaum bekannter Barockkantaten für Bass, für Sopran, für Tenor bzw. Kontraalt, Violine und basso continuo wartet mit einer Weltersteinspielung auf. Schon etwas von Daniel Eberlin und seiner Kantate „Ich will in aller Not“ gehört? Eberlin wurde 1685 in Geburtsjahr J. S. Bachs zum Kapellmeister der herzoglichen Hofkapelle in Eisenach ernannt. Sein Schwiegersohn war kein geringerer als Georg Philipp Telemann. Im Zentrum des Albums stehen jedoch zwei Kantaten von Johann Christoph Bach („Wie bist du denn, o Gott, in Zorn auf mich entbrannt“, „Ach dass ich Wasser genug hätte“) und von Heinrich Ignaz Franz Biber („ Nisi Dominus“, „Laetus sum“). In beiden Bach-Werken wird der Bass/die Sopranistin von einem Instrumentarium a 5 bzw. a 6 mit Solovioline, Generalbass und zwei bzw. drei „da brazzo“ Violinen begleitet. Die übrigen, überwiegend mit einem fantastisch ornamentierten Violinpart versehenen Kantaten stammen aus der Feder von Johann Pachelbel und Nicolaus Bruhns. 

 

Das Erfreuliche an der CD sind neben der hohen Kunst Pramsohlers die herausragenden Sangesleistungen, vor allem des argentinischen Basses Nahuel di Piero, der in fünf von den acht aufgenommenen Stücken mitwirkt. Mit edel timbrierter, markant resonanzreicher Stimme erzählt di Piero seine geistlichen Geschichten, die Kraft und der mächtige Ton seines „schwarzen“ Basses sind da fast schon Luxus-Zutat. Aber auch die Kanadierin Andrea Hill (Mezzosopran), der spanische Tenor Jorge Navarro Colorado und Christopher Purves (Bass II in der Kantate Laetatus sum von Biber) beeindrucken mit Stil, expressiver Deklamation und klangschönem Vortrag. Eine klare Empfehlung.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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