Ralph Zedler:
ARLEEN AUGER
Würdigung eines heimlichen Stars
444 Seiten. Verlag Dohr, Köln. 2013
Älteren Wiener Opernfreunden ist die Sängerin Arleen Auger in guter Erinnerung, obwohl sie offenbar – wenn man das Archiv der Wiener Staatsoper befragt – nur sieben Jahre lang, von 1967 bis 1974, am Haus gesungen hat. Und da neben allerlei „Kleinzeug“ vor allem Königin der Nacht, Konstanze, Olympia und Gilda, um die Protagonistinnen-Partien zu nennen.
Die Welt der Sänger fluktuiert dermaßen, dass man das „Verschwinden“ von Arleen Auger möglicherweise gar nicht besonders wahrgenommen hat, und ihr Tod im Jahre 1993, im Alter von erst 54 Jahren, machte keine Schlagzeilen.
Der Musikwissenschaftler Ralph Zedler bekennt eine „lebenslange Leidenschaft“ für die Kunst dieser Sängerin, der er persönlich nie begegnet ist und die er nur einziges Mal live gehört hat (!), und hat buchstäblich Jahrzehnte damit zugebracht, ihr Leben, ihre Arbeit und ihre Kunst zu recherchieren. Oft gewinnt man den Eindruck, der hätte wirklich jede einzelne Kritik, die über sie erschienen ist, gedreht und gewendet.
Nun liegt das umfangreiche Buch vor, die „Würdigung eines heimlichen Stars“, der nach den harten Urteilen der Branche wohl immer nur in der zweiten und dritten Reihe gestanden ist, aber dennoch auf viele Leistungen hinweisen kann. Ralph Zedler tut es posthum für sie. Denn medial ist sie tatsächlich meist zu kurz gekommen.
Arleen Auger wurde am 13. September 1939 in Kalifornien geboren, ihr zweiter Name „Joyce“ war ihr ewiger Rufname innerhalb der Familie. Von den Eltern her war sie eine französisch/kanadische – britische Mischung. Musikalität lag in der Familie und jene Hartnäckigkeit, mit der sie ihre Karriere durchsetzte, auch.
Die Wiener Jahre begannen früh, kein Geringerer als Josef Krips erkannte ihr Talent, und am 17. Oktober 1967 stand die gerade 28jährige, wenn auch als Einspringerin, als Königin der Nacht auf der Bühne der Wiener Staatsoper, mit einer Besetzung, wie sie heute gar nicht mehr vorstellbar ist: Güden, Schreier, Kunz, Frick, Hotter. Zu Unehren der Wiener liest man (denn der Autor hat wirklich jedes Detail bei der Hand), dass die Kollegen an diesem Abend nicht sehr nett waren und die Ausländerin, die kein Deutsch sprach, regelrecht „auflaufen“ ließen…
Aber sie blieb, war in den folgenden Jahren 49mal die Königin der Nacht, und sie lernte, was für den Repertoirebetrieb nötig war, in kürzester Zeit. Da damals auch viele Schallplatten produziert wurden, war Arleen Auger auch hier viel beschäftigt – über 150 Schallplatteneinspielungen, dazu an die 30 Fernsehaufzeichnungen sind in dem so genauen Buch angegeben.
An der Wiener Staatsoper und Volksoper (die damals noch amikal Sänger austauschten) blieb Arleen Auger bis 1974. Möglicherweise ließ man die in Wien Unterforderte ziehen, weil hier schon Edita Gruberova in den Startlöchern stand. In der Folge hat sie bis 1990 noch hier und da, aber nicht mehr häufig an anderen Opernhäusern gesungen.
Immerhin – damals boten sich ihr freiberuflich noch viele Möglichkeiten, vor allem in der Welt von Bach, was ihr dann auch eine Typisierung als Bach-Sängerin eintrug. In ihre Heimat Amerika kam sie allerdings Anfang der achtziger Jahre als relativ Unbekannte, aber als Lieder- und Konzertsängerin war auch dort ihr Kalender schnell voll. Und der Autor zitiert lobende Kritiken zuhauf.
Als Arleen Auger im Dezenber 1991 wieder einmal in Wien war, um in Mozarts „Requiem“ zu singen, war sie bereits schwer verkühlt, als sie nicht und nicht genas, wurde dann jener Gehirntumor diagnostiziert, dem sie am 10. Juni 1993 erlag.
Mit dieser Nachzeichnung der Lebensgeschichte ist aber das Buch von Ralph Zedler nicht einmal noch bei der Mitte angelangt. Die folgenden gut 300 Seiten befassen sich, aus Gesprächen und geschriebenen Unterlagen zusammengefügt, mit dem künstlerischen Credo der Sängerin, der Analyse ihrer Rollen, ihrer Tätigkeit als Pädagogin. Ein Anhang listet alles auf, was man nur wissen möchte. Ein Buch wie dieses kann sich jeder Künstler nur erträumen – aber er sollte es auch erleben können!
Renate Wagner