RADEBEUL/ Landesbühnen Sachsen FIDELIO, Premiere vom 17.11.2018
Eine sehenswerte und hörenswerte Aufführung
Foto: Pavel Sosnowsky Stephanie Krone (Leonore), Dirk Konnerth (Florestan), Chor
Die Landesbühnen Sachsen sind eine der größten Reisetheater in Deutschland mit Sitz in Radebeul, das direkt an Dresden grenzt. Nach mehreren Fusionen wegen Subventionskürzungen ist die Elbland Philharmonie entstanden.
Regie: Manuel Schöbel, Ausstattung: Marlit Mosler, Dramaturgie: Gisela Kahl, Licht: Peter Becker
Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit
Fidelio ist die Freiheitsoper schlechthin und thematisiert die Befreiung von Unterdrückung. Die Regie hat diesen Gedankengang zum Mittelpunkt ihrer Darstellung gemacht. Im Foyer des Hauses wird eine Fotoausstellung mit entsprechendem Text über das Leben in der ehemaligen DDR gezeigt. Da liegt die Vermutung nahe, dass ein Zusammenhang mit der Aufführung bestehen könnte.
Während der berühmten Ouvertüre begehren Menschen Einlass in ein Gefängnis, das Gefangene der französischen Revolution inhaftiert hat, um ihre Angehörigen zu besuchen. Zutritt bekommen aber nur jene Besucher, welche die korrupten Wärter bestechen. Gleichzeitig werden mehrmals als Mahnung die Worte: Freiheit -Gleichheit – Brüderlichkeit eingeblendet. Beim Öffnen des Vorhanges erfolgt ein Zeitsprung von ungefähr 200 Jahren und man erkennt ein Gefängnis, das aus der Zeit der ehemaligen DDR stammen könnte. Die Regie will dadurch zum Ausdruck bringen, dass sich an diesem Zustand nichts Wesentliches geändert hat.
Das Einheitsbild, das über beide Akte besteht, zeigt die Umrisse eines Gefängnisses und für die wirksame Personenführung steht der nötige Spielraum zur Verfügung. Somit besteht eine Einheit aus musikalischer Gestaltung und Bühnengeschehen.
Am Beispiel der Arie des Rocco: “Es ist ein schön, Ding, das Gold”, sieht man die unterschiedlichen Interessen von Marzelline, Jaquino und Leonore. Während bei Marzelline und Jaquino kapitalistische Tendenzen zu erkennen sind, ist Leonore geistesabwesend mit dem Durchforsten der Gefangenenliste beschäftigt.
Etwas schwierig ist es, besonders für jüngere Besucher, verständlich zu gestalten, wie die Beziehungen von Fidelio, Marzelline und Jaquino sind. Bekanntlich wendet sich Marzelline von ihrem Jaquino ab und entwickelt plötzlich Avancen zu Fidelio. Man fragt sich, ob es sich wirklich um eine Heteroleidenschaft handelt. In einigen Szenen kann man diese Problematik erkennen.
Foto: Pavel Sosnowsky Dirk Konnerth (Florestan), Stephanie Krone (Leonore), Chor
Beängstigend ist die Kerkerszene von Florestan. Geschickt mittels Lichteinwirkung, ist die Blickrichtung der Besucher auf ein kleines von Gitter umgebenes Verlies gerichtet, das ein Schaudern beim Publikum hervorruft.
Die Besetzung wurde fast ausnahmslos vom Ensemble der Landesbühnen Sachsen bestritten, eine enorme Leistung
Stephanie Krone als Leonore, hat mit ihrem dramatisch, jugendlichen Sopran eine Spitzenleistung geboten. Mit ihren Arien hat sie musikalisch und darstellerisch glaubwürdig und gekonnt, ihre seelische Zerrissenheit offen gelegt, die sich im Wechsel von Verzweiflung und Hoffnung zeigt.
Ähnliches, allerdings mit einigen Abstrichen, kann man auch von Dirk Konnerth (einziger Gast) als Florestan bekunden, ein junger schlanker Interpret, ausgestattet mit einer kräftigen lyrischen Tenorstimme. Leider vernachlässigt er manchmal seine Stimmführung, wenn er seine personelle emotionale Ausdrucksweise übertreibt. Marzelline, Kirsten Labonte und Jaquino, Edward Lee, ergänzten sich mit ihrem jugendlichen Gesang. Don Fernando, Michael König und Hagen Erkrath als Rocco,waren souveräne Vertreter ihres Faches.
Der einzige Bösewicht, Don Pizarro, wurde von dem jungen Paul Gukhoe Song mit seinem tiefen, heldenhaften und kräftigen Bariton interpretiert.
Die Elbland Philharmonie unter der Leitung von Hans-Peter Preu spielte mit ausdruckstarker Interpretation
Bei diesem Werk ist das Zusammenwirken von Blech und den Streichern eine besondere Herausforderung, wenn das entsprechende Verhältnis nicht vorhanden ist.
Dies wurde nach kleinen anfänglichen Schwierigkeiten erfolgreich gelöst. Bei Bedarf wurde der Orchesterklang den Sängern angepasst, sodass eine genaue Wortverständlichkeit zustande kam. Der Chor wurde von Karl Bernewitz geleitet.
Wenn man den finanziellen Rahmen, die etwas veraltete Bühnentechnik und die Schwierigkeiten mit der Akustik berücksichtigt, kann man musikalisch und szenisch, von einer erfolgreichen Premiere sprechen. Nicht zu vergessen die Eintrittspreise für die Premiere, die sich im unteren Preissegment (10 bis 24 EUR) bewegen.
Der Perfektionist und Freidenker Beethoven hatte mehrmals seinen Fidelio umgeschrieben. Hätte er damals geahnt, dass die Menschrechtsverletzungen nach wie vor bestehen, hätte er vermutlich nochmals Veränderungen an seinem Werk vorgenommen.
Weitere Vorstellungen: 21.11.2018 in Radebeul, 25.11.2018 in Großenhain, 09.12.2018 in Radebeul
Vorankündigung: Katja Kabanowa am 25.05.2019 in Radebeul
Franz Roos