Prag, Staatsoper, SALOME am 11. Dezember 2015
Zunächst einige positive Erwähnungen: Gun-Brit Barkmin konnte, nachdem sie in Wien zuletzt als Salome und Chrysothemis große, bejubelte Erfolge feiern konnte, unter den gegebenen Umständen eine beachtliche Leistung bieten. Veronica Hajnova war eine Herodias mit kräftiger, schöner Stimme und guter Bühnenerscheinung. Zbigniew Malak ließ als Narraboth mit starker, entwicklungsfähiger Tenorstimme aufhorchen.
Der Rest, vor allem die beiden männlichen Hauptrollen waren grauenvoll, die kleineren Rollen annehmbar besetzt. Die Namen will ich gar nicht erwähnen, da Sänger ohnehin immer bedeutungsloser und bloß zu willfährigen, persönlichkeitslosen Instrumenten irgendwelcher Regisseure werden.
Und jetzt bin ich auch schon bei der Regie. Die Arbeit von Mariusz Trelinski stellt einen absoluten und katastrophalen, allerdings von dem verbliebenen Publikum bestenfalls mit Gähnen aufgenommen Misserfolg dar.
Nun wird mancher vielleicht sagen, man dürfe so jemanden, der ja schon überall inszeniert hat und für ihn selbst, wenn auch nicht für das Publikum tolle Verträge, auf welchem Weg auch immer, bekam, nicht kritisieren. Dem ist aber nicht so, das Publikum äußert seine Meinung sehr wohl, und es bleibt weg.
Das Haus war, wenn überhaupt nur zu 50% besetzt, Applaus gab es fast keinen.
Nun zu einigen Einzelheiten : Zu Anfang ein Wohnzimmer, Herodes in Unterhose und Schlafrock. Jochanaan ein nackter Statist mit Ganzkörperschminke in braun. Der Sänger des Jochanaan sang aus dem Orchestergraben. Narraboth schneidet sich vor einem geöffneten Kühlschrank die Pulsadern auf. Die Protagonisten rauchen Zigaretten.
Und nun der Tanz der Salome, eine Kindermissbrauchsszene.
Eine deutliche Unterscheidung zwischen Judenquintett und Nazarenern fand nicht statt. Das Werk ging vollkommen unter, ständige flirrende Lichtspiele auf der Bühne etc.
Es war eine unangenehme Stimmung, auf die Musik konnte man sich kaum konzentrieren.
Man versteht schon, was der Regisseur wollte. Salome wäre schon als Kind immer wieder missbraucht worden, der Tanz wäre ein Missbrauch, Jochanaan bloß eine Vorstellung von ihr etc. Nur hat das mit dem Stück nichts zu tun, weder mit Strauss noch mit Wilde.
Da könnte der Regisseur ja einen eigenen Film machen. Er begann ja als Filmregisseur, allerdings mit eher mäßigem Erfolg. Und wenn es an eigener Kreativität und Talent mangelt, dann macht man sich halt über die Meisterwerke anderer her, und fühlt sich als Genie.
Eines kann man sicher sagen: die Leute, die zufällig in dieser Vorstellung waren und nicht wirklich eingefleischte Opernliebhaber sind, werden sich so schnell sicher nicht mehr in ein Opernhaus verlieren.
So muss man es machen, in einer Zeit, in der die Oper ohnehin immer mehr an Bedeutung verliert. Leider.
Christoph Karner
P.S. Bei uns in Wien ist die Situation zum Glück noch weitgehend anders. Man kann und soll modernes Theater machen. Und man kann dabei auch sehr erfolgreich sein. Ich erinnere nur an die Elektra, die mit Beifallsstürmen aufgenommen wurde und an die zeitgenössische Oper „The Tempest“, die auch ein Riesenerfolg war.