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PIRÄUS/ Städtisches Theater: DER MENSCHENFEIND von Moliere. Premiere. Notausgang zur Wüste

20.04.2023 | Theater

Städtisches Theater Piräus: Der Menschenfeind 

Premiere am 19. April 2023

Notausgang zur Wüste 

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Copyright: Städt. Theater Piräus

Über Peter Stein muss man nicht viel sagen. In jüngeren Jahren hat er Theatergeschichte geschrieben, insbesondere in Bremen und Berlin. Seine Berliner „Orestie“ wurde vielerorts gefeiert und war auch in Athen zu Gast. Stein gilt und sagt dem griechischen Publikum etwas. In Deutschland ist es ruhig geworden um Peter Stein, dem seit längerem nachgesagt wird, er sei reaktionär geworden. Ein Kritiker, der 2010 Steins Inszenierung von Sophokles‘ „Ödipus auf Kolonos“ an den Salzburger Festspielen sah, entdeckte darin einen archäologischen Zugang. Stein bewegte die Schauspieler damals gleich Statuen auf der Bühne. Selbst ein Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle vermochte es nicht, diese Aufführung nah an unsere Gegenwart zu rücken. Nun lud das Städtische Theater Piräus den Altmeister nach Griechenland ein. Mit einem griechischen Ensemble bringt er Molieres „Der Menschenfeind“ auf die Bühne. 

Das Spätwerk des Regisseurs ist geprägt durch das Insistieren auf einer vermeintlichen Werktreue. Das Bühnenbild von Ferdinand Wögerbauer und die üppigen Kostüme verweisen auch gleich in die Entstehungszeit des Stücks. Es ist eine Art Spiegelkabinett, das man auf der Bühne erblickt und das gelegentlich um ein paar Stühle ergänzt wird. Peter Stein erweist sich leider als schlechter Erzähler. Er lässt die Schauspielerinnen und Schauspieler deklamieren und grosse Gesten vorführen. Nachdenklichkeit stellt sich weder auf der Bühne noch im Zuschauerraum ein. Die Akteure treten auf und ab, werfen sich in Posen oder stehen einfach herum: Interaktion zwischen Bühnenfiguren, also Personenführung sieht anders aus. Alceste tritt in dieser Darbietung als gequält dreinschauender Menschenfeind, Célimène als dümmlich wirkendes Püppchen auf. Und ähnlich fragwürdige Typisierungen finden sich auch beim restlichen Personal. Stein setzt so bedauerlicherweise eine ziemlich plumpe Posse in Szene, die nicht einmal viel Anlass zum Lachen bietet. Am Schluss öffnet sich die Kulisse, eine Bühnentür wird von Alceste geöffnet und er betritt eine wüstenähnliche Landschaft. Bevor andere ihm folgen können, schlägt er die Tür zu. Peter Stein lässt den Titelhelden offenbar ein Eremitendasein wählen. Beschreibt diese Flucht vielleicht mehr die Situation des Regisseurs als diejenige Alcestes?

Das Ensemble bietet, wie schon angedeutet, keine überzeugenden, schauspielerischen Leistungen. Neben Vassilis Haralambopoulos als Alceste stehen Yorgos Glastras, Vangelis Daousis, Paraskevi Dorouklaki, Olia Lazaridou, Nansy Boukli, Dimitris Daskas, Achilleas Skevis, Giorgis Tsampourakis und Giorgos Psichogios auf der Bühne. Der Regisseur und seine Mimen bleiben dem Publikum eine überzeugende Vergegenwärtigung von Molieres Komödie „Der Menschenfeind“ schuldig. Das Geschehen auf der Bühne ist eine rechte Misere.

Das Publikum spendet am Schluss freundlichen Beifall. 

 

Ingo Starz (Athen)

 

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