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PILSEN(Tschechien): INTERNATIONALES THEATERFESTIVAL

17.09.2024 | Theater

PILSEN(Tschechien): INTERNATIONALES THEATERFESTIVAL vom 11.-15. 9.2024

Das Internationale Theaterfestival in Pilsen hat – wahrscheinlich, um sein Renommee zu steigern (was gar nicht notwendig gewesen wäre) – heuer zu seiner Eröffnung gleich zwei riesige Großproduktionen eingeladen. Was in beiden Fällen spektakulär schiefging.

pilsen
Das französische Ensemble (Comedie-française) bei der Aufführung ihres Stücks “Hekuba, ne Hekuba”. Foto: Christophe Raynaud de Lage

Den Anfang machte HECUBE PAS HECUBE von Tiago Rodriguez. Rodriguez, der es sogar zum Intendanten des Festivals von Avignon gebracht hat, hat eine jener Karrieren gemacht, die man beim besten Willen nicht versteht. Denn einen langweiligeren Regisseur und einen banaleren Autor (er schreibt sich die Texte auch noch selbst) wird man selten finden. Meistens – wie auch bei seinem übergehypten Stück „Caterina oder von der Schönheit, Faschisten zu töten“ – sitzen bei ihm die Mitwirkenden wie bei einer ersten Leseprobe an einem langen Tisch und geben ihre uninspierten Monologe von sich.

Hier versucht er die Geschichte von Hekuba mit der der Hekuba-Darstellerin zu verknüpfen, die vor Gericht Gerechtigkeit für ihren autistischen Sohn zu erstreiten versucht….Pourquoi, mon Dieu, pourquoi ?

Weitaus schlimmer war nur noch die fünfeinhalb Stunden elendslange Produktion EXTINCTION,

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Copyright: Theaterfestival

in der sich der aufstrebende Jungregisseur Julien Gosselin wie ein unehelicher Sohn von Katie Mitchell ohne Sinn und Zweck an einem völligen unverdaulichen Textgulasch von Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Thomas Bernhard abarbeitet – den obligatorischen zweieinhalbstündigen Schwarzweiss-Film naturgemäß inklusive.

Ein nackter Horror, dessen Prätention sich das bei Sinnen gebliebene Publikum klugerweise durch Massenflucht entzog.

Da hatte das Festival mit den „autochthonen“ „einheimischen“ Inszenierungen schon mehr Glück.

Z.b. mit Jan Mikolášek sehr freier Adaption von Juan Goytisolos Roman „Die Marx Familien-Saga“. Mikolášek ist derzeit einer der produktivsten tschechischen Regisseure der mittleren Generation. Letztes Jahr ließ er hier schon mit seiner großartigen Version von Milorad Pavićs „Das chasarische Wörterbuch“ aufhorchen und aufschauen. Mit „Marx“ gelingt ihm ein durchaus unterhaltsamer Mix aus Biographie und Wirkungsgeschichte, aus unehelichen Kindern und Staatskommunismus, aus gepfändeten Möbeln und gestürzten Denkmälern. Kein Wurf wie das „Wörterbuch“ (was sowohl am Text als auch am Bühnenbild liegen mag) aber immerhin. Und das Ensemble vom Brünner Theater „Goose on a String (Gans an einem Strick) war wieder einmal hervorragend.

Vom selben Regisseur stammte auch eine weitere, äußerst ungewöhnliche, um nicht zu sagen: seltsame Produktion: „Volksfeinde“. In diesem Zwei-Personenstück „dramatisiert“ er den unter diesem Titel veröffentlichten Briefwechsel des französischen Starphilosophen Bernard-Henri Lévy und dem umstrittenen Schriftsteller Michel Houellebecq. Zuerst fragt man sich skeptisch, was einem die andauernden Lamenti dieser eitlen Alphamänner denn eigentlich angehen sollen. Aber wie Mikolášek das mit seinen beiden wunderbaren Schauspielern Miroslav König und Václav Vašak (die überhaupt nicht versuchen, ihren Vorbildern ähnlich zu sehen) in Szene setzt, ist schon sehr sehenswert, spannend und vor allem auch sehr lustig.

Ein weiterer Höhepunkt war die „Dramatisierung“ von Pavel Vilikovskys schräger Essai-Novelle „Dog on the Road“ (Hund auf der Strasse) durch das Slowakische Nationaltheater. In ihm widmet  sich Vilikovsky (1941-2020) ausgehend vom Besuch eines Verlegers bei einem Symposion über slowakische Schriftsteller in Bischofshofen (!) ausführlichst der slowakischen „Seele“, der slowakischen Selbstironie, dem slowakischen Nationalcharakter und dem söwakischen Selbsthass – und seiner Beziehung zu den hasserfüllten Suaden von Thomas Bernhard.

Nun mag man vom „Stil“ um nicht zu sagen: von der Masche des Regisseurs Dušan D. Parizek (in Wien vom Volkstheater und den Wiener Festwochen her noch in „bester“ Erinnerung) halten was man will, aber irgendwie geht sich hier das frontale Gebrülle von vier Männern (die alle diesen Verleger spielen) irgendwie aus. Denn erstens erfährt man an diesem Abend um 1000% mehr über unsere liebenNachbarn als man sich je über sie  Gedanken gemacht hat) und zweitens sind für den gelernten Österreicher diese ganzen Geschichten über Thomas Bernhard, Bischofshofen, seinen Lebensmenschen und sein Grab einfach nur umwerfend komisch.

Milo Rau, der politisch umtriebige neue Festwochenintendant, ist derzeit sehr um die Rettung des Slowakischen Nationaltheaters, das von der blonden „Kulturministerin“ in seiner Freiheit und finanzieller Existenz bedroht wird, bemüht. Vielleicht wäre es in diesem Zusammenhang zielführend, diese Produktion zu den Festwochen einzuladen. Die Wiener würden sie lieben….

 

Robert Quitta, Pilsen

 

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