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PHILIP GLASS: Klavierwerke – VIKINGUR ÓLAFSSON, Siggi String Quartet; CD bzw. 2 LP 180 g Vinyl – Deutsche Grammophon

28.04.2017 | cd

PHILIP GLASS: Klavierwerke – VIKINGUR ÓLAFSSON, Siggi String Quartet; CD bzw. 2 LP 180 g Vinyl – Deutsche Grammophon

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Nach der meisterlich gelungenen Hommage von Nicolas Horvath an Philip Glass zu dessen 80. Geburtstag bringt nun erfreulicherweise eine weitere Neuerscheinung mit Klavierwerken des enigmatischen amerikanischen Komponisten „Unerhörtes“ zutage. Minimal Music lautet das viel zu enge Schlagwort, das Philip Glass manchmal in der falschen Schublade landen lässt. Das Debutalbum des 32 Jahre jungen isländischen Pianisten Víkingur Ólafsson beim Gelblabel mit ausgewählten Etüden (Nr. 2, 3, 5, 6, 9, 13-15, 18, 20) sowie Bearbeitungen von Glasswork Openings für Klavier und Streichquartett durch Christian Badzura bietet hier neue, auch ungestümere Impulse.

Steht bei anderen Interpreten der Etüden der meditativ ebenmäßige, durch sanft kreiselnde Wirbel durchbrochene Fluss der Musik im Vordergrund, lässt es Víkingur Ólafsson bisweilen ganz schön expressiv krachen. Der nordische Tastentiger legt bei der Formung der Phrasen, dem naturereignishaften Vorwärtsdrang der Musik ein Temperament an den Tag, das bisher so noch nicht unbedingt mit Musik von Philip Glass in Zusammenhang gebracht worden ist. Das tut der Erforschung des Glass’schen Klangkosmos und dem Aufbrechen der Hörgewohnheiten gut, fügt es doch zu den vielen allgemein verwendeten Epitheta für diese Musik wie „eindringlich, betörend, sinnlich, flirrend“ weitere wie „emotional dicht, aufrauschend, rhythmisch martialisch“ hinzu. Wenngleich ich meine, dass Ólafsson bisweilen des Guten zu viel tut (weniger „Dreschen“ bitte), rührt der junge Hitzkopf seine größere Ausdruckpalette mit dickeren, aber auch reicheren Farben an. Im Anschlag weiß Ólafsson durchaus zu differenzieren, die Zusammenarbeit mit dem Siggi String Quartet weist ihn auch als einfühlsamen Kammermusikpartner aus.

Wie sieht Ólafsson die Glass-Etüden? „Oberflächlich betrachtet scheinen sie voller Wiederholungen zu sein. Aber je mehr man sie spielt und über sie nachdenkt, desto mehr scheinen sich ihre Narrative gleich einer Spirale vorwärts zu drehen. Solange sich die Zeit weiter vorwärts bewegt, hören wir nie zweimal die gleiche Musik, selbst wenn die Klangfolgen auf dem Papier gleich aussehen“.

Der Rezensent hat das haptisch und grafisch eindrucksvolle Vinyl Album Probe gehört. Abgesehen von einigen Pressrückständen ist die Fertigung exzellent, der Sound räumlich gut gestaffelt und der Klang halt im Vergleich zur CD obertonreicher. Eine Empfehlung!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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