PETER ROSE: „Ich bin nicht nur der Buffo, ich bin nicht nur der Seriöse, ich bin nicht nur der Bösewicht! Ich habe viele Gesichter auf der Bühne!“
Peter Rose in „A MidsummerNight’sDream“ . Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
(Das Interview fand am 26.9. in den Räumen der Wiener Staatsoper statt)
Karl Masek
Beginnen wir im Steckbriefstil. Wann geboren …
… Ist das wichtig?
Ja, bitte!
Ja, gut. Also 1961.
In?
Canterbury. Sternzeichen: Widder (Peter Rose kommt in Fahrt – es bleibt nicht beimTelegramm-Stil!) Ich lebe zwischen London und Salzburg. Mein Hauptsitz ist London, aber ich habe hier eine „Schwiegerfamilie“ in Salzburg-Land.
Ihre Ausbildung war in England?
Erstmal Universität, zwischen 1979 und 1982. Konservatorium in London. Ich habe nur Musik studiert – das ist alles, was ich „weiß“! Sagen wir, es war ein Kunststudium. So mit Bachelor. Dann im „National Opera Studio“ in London.
Und hatten Sie tolle Lehrer, Vorbilder? Idole?
Ich hatte einen alten Sänger, er hieß Ellis (wie „Ellis Island“!) Keeler. Er war ein Bass-Bariton und ein super Lehrer „der italienischen Art“ (also Belcanto!). In 18 Jahren bis zu seinem Tod habe ich bei ihm ALLES gelernt.
Ihre erste Rolle?
Das war der Komtur in „Don Giovanni“. Mit 24 Jahren! Und zwar mit Glyndebourne als Gastspiel in Hongkong! Das war mein Debüt. Nicht mit „schwarzer Stimme“! Ich sage immer, ein junger Bass ist wie ein junger Rotwein. Du kannst ihn natürlich schon trinken, aber wenn du 10 Jahre wartest: er ist dann viel besser! So ist es auch mit dem Hören bei den Bässen!
So ein Bass-Bariton …
Nein, ich war immer ein Basso Cantante! Mein Idol war und ist bis heute Nicolai Ghiaurov, für fast alles. Für mich ein Gott! Und fürs deutsche Fach Kurt Moll!
Wie war das mit dem Lernen von Fremdsprachen?
In der Schule musste ich zwischen Latein und Deutsch wählen. Damals habe ich Latein gewählt. Ich habe Französisch studiert und ein bisschen Italienisch, aber Deutsch damals? … Mein erstes Mal in Deutschland war bei einem Gastspiel der Welsh Opera in Wiesbaden. Ich war in einer Bar und ich konnte nur sagen: „Ein Bier, bitte!“ Also, Deutsch habe ich nur durch viel Zuhören gelernt!
Jetzt sprechen Sie aber akzentfreies Deutsch!
Freut mich, dass Sie das sagen! Mein zwölfjähriger „Schwiegerneffe“ hier in Salzburg hat zu mir gesagt: „Hej, du sprichst ja wie ein ‚Jugo‘!“ Hab ich ihm geantwortet: „Hör mal, das ist jetzt meine vierte Fremdsprache!“ … Ich weiß dadurch, dass ich Latein kann, wenn ich einen Fehler mache … ist das jetzt Genitiv oder Dativ? … in Hamburg war ich auch mit Simone Young, da kam einer nach „Rosenkavalier“ zum Bühneneingang und fragt: „Sind Sie Deutscher oder Österreicher?“ Sag ich: „Nein, Engländer!“ Und das war dann ein Riesenkompliment für mich zu hören, in der Rolle hätte ich akzentfreies Deutsch, sogar Wienerisch, gesungen!
Der Ochs, ihre in Wien meist gesungene Rolle, 26mal!
Ja, aber ich habe heuer beschlossen, ihn nicht mehr zu singen. Ich habe ihn 20 Jahre gesungen, 170mal. Aber es ist genug, es ist eine sehr anstrengende und eine sehr lange Rolle. Er ist in allen drei Akten auf der Bühne! Die Treppenlauferei, die Kinder, der viele Text! … Ich hätte für Wien und für München weitere Angebote für diese Rolle, auch für eine Japan-Tournee. Und man will mich immer überreden: „Bitte, ein einziges Mal noch…!“ Aber das ist vorbei! … War das jetzt eine gute Antwort? …
Nun, wie ist das mit dem Lernen neuer Rollen?
Neue Rollen?!
Kommen neue Rollen?
(Lacht verschmitzt): „Leider“ ja! Ich macheda in München quasi eine Weltpremiere. Ein neues Stück. „Snow Queen“ (Anmerkung: Premiere: 21. Dezember). Aber dann: NICHTS! MEHR! NEUES!
Wieviele Rollen haben sie „abrufbereit“?
Ungefähr 120. Große, aber auch mittlere und ein paar kleine Rollen. Wie z.B. den Mesner in „Tosca“. Als Student habe ich den Benoit gesungen („klopft“ auf dem Tisch „an“, legt auf Italienisch los und hätte beinahe die Rolle zu gestalten begonnen!).
Wie funktioniert das Lernen der Rollen im slawischen Fach? Sie haben ja den Boris (und auch den Pimen, sagt Rose sofort!) gesungen, „Aus einem Totenhaus“ auf Tschechisch in München? Da braucht man wohl einen Sprachcoach?
Immer mit Coaches! Ich habe gerade (auch mit Simone Young) in München „Totenhaus“ gemacht. (Spricht einen Satz des Rollentextes auf Tschechisch, er beginnt irgendwie mit „Pržestochy…“,). Immer wieder repetieren. Auch auf der Straße oder in der U-Bahn! „Pržestochy..“! Dann schauen manche so: (verfällt in waschechtes Wienerisch: „Is‘ er deppert? Bist du deppert!Leiwand, Oida!“).
Ihre Meinung zu „Teamwork am Theater“!
Ich hasse es, wenn jemand, ob Regisseur, ob Dirigent, sagt: „Ich bin der Boss und du musst…!“ Das ist nicht Kunst. Das ist Befehl! Ich bin glücklich, wenn ich sagen kann: Ich habe eine gute Idee! Man kann über Dynamik, über Tempi diskutieren – aber immer als Team! Normalerweise funktioniert das!
In der bevorstehenden Inszenierung: Wieviel Shakespeare, wieviel Britten, wieviel Irina Brookwird es geben?
Interessant! Die Regisseurin, sie kommt vom Schauspiel. Das heißt sie kommt von Shakespeare. Simone Young, die Dirigentin, sie kommt von Britten. Also es ist eine gute Mischung. Natürlich, wir spielen Britten. Aber Shakespeare ist immer dabei!
Mit Irina Brook treffen Sie sich „auf Augenhöhe“ – auch was den Humor im Stück betrifft? „A MidsummerNight’sDream“ hat ja viel Humor und Witz!
Ja, unbedingt! Hat viel Witz und Komik. Aber die Komik muss man ernst spielen, damit sie wirkt. Sonst ist es langweilig, Klamauk. Bedeutungslos. Die Schauspieler am Ende des Stücks und die musikalische Parodie. Von Donizetti bis Schönberg („Leiert“ eine Art Zwölftonreiheabwärts). Sie wollen es besonders gut machen – und es wird furchtbar! Das ist Komik! Und es braucht anderes Bewegungsvokabular als eine böse Rolle…
Wie der Claggart in „Billy Budd“, den Sie auch in Wien gesungen haben, bleiben wir bei Britten!
Bei dieser Rolle muss man sofort merken, der ist gefährlich! Mit „stillness“ gespielt. Fast bewegungslos. Von den Augen muss das ausgehen! Und gaaanz langsam, nicht hektisch (Macht einen Gesichtsausdruck, der einen das Fürchten lehren könnte)! „Bottom“ und „Zettel“ ist natürlich ganz anders! Das Atemlose! Der will alles zugleich machen!… Und den Kontrast zwischen einem Bösewicht und einer komischen Rolle: das liebe ich auf der Bühne. Ich bin nicht nur Buffo, ich bin nicht nur der Seriöse, ich bin nicht nur der Bösewicht! Ich habe viele Gesichter auf der Bühne!
Eine ideale Rolle ist da wohl der Osmin. Der hat ja auch mehrere Gesichter…
… stimmt genau. Der ist sehr verliebt und zärtlich mit der Blondine, zugleich ist er brutal, mit viel Hass und auch gefährlich („Weil ich dich nicht leiden kann!!“). Ist wie Ping Pong!
Ihre Meinung zur Oper des 20. und 21. Jahrhunderts: Braucht es neue Opern für die Zukunft?
Unbedingt, wenn man im 19. Jahrhundert stehen bleibt, ist Oper ein Museum. Schon La Roche in „Capriccio“ sagt: „Wir brauchen neue Stücke!“. Dann wird das eine neue Stück toll sein, ein anderes vielleicht nicht so gut. Aber das war in Donizettis Zeit auch so!
Ja, „Capriccio“: Was ist wichtiger, Wort oder Ton?
Das ist schwierig zu beantworten. Zuerst wird wohl die Musik wichtiger sein. Ein Musiker würde wohl so antworten. Aber das Wort ist auch wichtig und muss vor allem immer „verstehbar“ bleiben.
Was bei groß instrumentierten Opern nicht immer ganz leicht ist. Wobei, einen Bass versteht man, ich denke da ans Wagner-Fach, in der Regel leichter als einen Sopran…
…ich denke, man sollte Wagner singen wie Belcanto, das ist meine Meinung. Vielleicht ist sie falsch. Aber ich glaube, auch Wagner wollte das so. Stimmfarben unterschiedlich und mit Differenzierung einsetzen!
Peter Rose als „Ochs“. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Ihre Lieblingsrolle?
Natürlich der „Ochs“. Lieblingswerke als Gesamtstücke: Don Giovanni und Don Carlos. Den Filippo habe ich italienisch und französisch gesungen. In der Konwitschny-Inszenierung. Nicht in Wien, aberin Hamburg.
Peter Rose und Wien?
Ich liebe Wien! Und was die Opernhäuser betrifft: Am liebsten singe ich in Wien und in München.
Schließen wir mit „Ochs“ ab: Wie lautet sein letzter Satz im 3. Akt?
(Peter Rose auch hier in glasklarem Wienerisch): „Leopold, mir gengan!“
Danke für das feine Interview! Hat großen Spaß gemacht – und Toitoitoi für die Premiere!