Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Peter KELLNER: Von Träumen, die dabei sind, wahr zu werden

Gespräch mit dem jungen Bassisten Peter Kellner

05.10.2018 | Sänger

 

WIEN/Staatsoper: Gespräch mit dem jungen Bassisten Peter Kellner

Von Träumen, die dabei sind, wahr zu werden

3.10.2018

Von Manfred A. Schmid


Peter Kellner. Copyright: Kellner

Der sympathische 27-jährige Bassist Peter Kellner, der mir im Besprechungszimmer in der Direktionsetage der Wiener Staatsoper sichtlich gut gelaunt gegenübersitzt, hat in kurzer Zeit schon eine beachtliche Karriere hingelegt. Nach einigen Jahren an der Oper Graz, wo er quer durch das Repertoire vor allem jede Menge Mozart- und Rossini-Rollen singen konnte, ist er nun im Ensemble der Wiener Staatsoper gelandet, wo er gleich in der ersten Saison in der Neuproduktion von Les Troyens von Hector Berlioz mitwirken darf. Eine große Auszeichnung, auch wenn er, wie er sofort erläutert, nur in einer sehr kleinen Rolle auftreten werde. Als Panthée – eine Art Militärpfarrer, der das trojanische Heer begleitet – stehe er allerdings in allen fünf Akten fast immer auf der Bühne und habe dabei jeweils ein paar Sätze zu beizusteuern: „Kurze und prägnante Meldungen – und sehr trocken, wie es eben beim Militär zugeht.“

Seine relativ frühen ersten Erfolge  – schon 2013, noch während seines Studiums am Mozarteum, debütierte er bei den Salzburger Festspielen als Osmin in Mozarts Die Entführung aus dem Serail für Kinder im Rahmen des Young Singers Projects und wirkte damals – als einer der Flandrischen Delegierten – auch in Verdis Don Carlo unter Sir Antonio Pappano mit – erklärt er damit, dass er bereits mit 15 Jahren, gleich nach dem Stimmbruch, gezielt mit seiner Sängerausbildung beginnen konnte. Seine Klavierlehrerin habe ihn, der in einer ländlichen Umgebung in der Slowakei als Sohn eines Tischlers aufgewachsen ist, dazu ermuntert. Gesungen habe er allerdings immer schon gerne, vor allem Volkslieder seiner Heimat, auch Schlager, im Chor und auch als Solist. Erst als er in Kosice das Gesangsstudium aufgenommen hatte, konnte er zum ersten Mal erfahren, dass es so etwas wie eine Oper gibt und was den Operngesang überhaupt ausmacht.

Dann ging es allerdings recht schnell weiter. In Hochschulaufführungen trat er in Mozart-Opern sowie in Victor Ullmanns Kaiser von Atlantis auf, und nach ersten Engagements am Staatstheater Kosice, in Banska Bystrica und Bratislava landete er in Klagenfurt beim Stadttheater und bald darauf in Graz. Seinen ersten Auftritt in Kosice werde er nie vergessen, meint er. Eine für Anfänger typische Einspringer-Geschichte: Er war einundzwanzig, als er für die Partie des Antonio in Le nozze di Figaro verpflichtet wurde, weil der dafür vorgesehene Sänger erkrankt war. Am Freitag kam das Angebot, am Montag war die Probe und am Dienstag stand er auf der Bühne vor dem Publikum. Noch heute bekomme er bei der Stelle, wo Antonios Auftritt ankündigt wird, eine Gänsehaut und fühle sich leicht gestresst…


Als Colline in La Bohème – aber in Graz. Foto: Werner Kmetitsch

Eine wichtige Erfahrung für das weitere Sängerleben war für Peter Kellner seine Zusammenarbeit mit Peter Konwitschny bei der Erarbeitung der Neuproduktion von Puccinis La Boheme, 2014 in Bratislava, wo er den Colline sang. „Das war Spannung pur – und sehr präzise,“ gerät mein Gegenüber rückblickend noch heute ins Schwärmen.

Sein doch recht rasches Weiterkommen verdankt sich freilich nicht nur seiner Begabung, der soliden Ausbildung und gewiss auch einer Portion Glück, sondern ist gewiss auch mit viel Fleiß und einer raschen Auffassungsgabe verbunden. Ein Beispiel: Den Liedgesang habe er bis vor kurzem kaum gepflegt. Als er jedoch bei einem Wettbewerb in der Wigmore Hall antreten wollte, war dort u.a. ein Liedprogramm von rund 70 Minuten Pflicht. Innerhalb kürzester Zeit hatte er sich da entsprechend intensiv – u.a. mit Schubert und Debussy – vorbereitet und eingearbeitet. Das sei ihm nicht nur beim bald darauffolgenden Internationalen Mozartwettbewerb 2018 zu Gute gekommen, wo auch Lieder vorgeschrieben waren und er mit dem 2. Preis und dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde, sondern habe seine Sicht auf das Singen überhaupt verändert bzw. erweitert. Er freut sich offensichtlich sehr darauf, 2020 in der Wigmore Hall „an einem Sonntagnachmittag ein Liedprogramm zum Besten geben zu können“. Derzeit ist er dabei, die Songs of Travel von Ralph Vaughan Williams zu erarbeiten, da er im Spätherbst in Graz einen Liederabend geben will, bevor er dort dann im Jänner in der Premiere von Flotows Martha mitwirken wird.

Den Liedgesang schätzt er inzwischen sehr. Aber: „Man sei dabei ganz nackt.“ –  Nur der Sänger, der Pianist und das Klavier. Am Anfang habe er noch zu viel gestikuliert und grimassiert, aber längst sei er dabei, das auf ein Minimum einzuschränken. Zudem habe er kürzlich die Carl-Loewe-Balladen für sich entdeckt. Ihn fasziniere, dass Loewe einen Bassbariton besaß und sich selbst am Klavier begleitete. Dass ihm das trotz der schwierigen Klaviersätze gelang, sei kaum vorstellbar. Dazu kommen in nächster Zeit noch Schumann sowie französische und russische Lieder.

Trotz dieser ansehnlichen Liste an bereits Erreichtem wirkt Peter Kellner stets bescheiden und dankbar für alle Unterstützung, die er bis jetzt erhalten hat. Und er weiß, dass er noch einen langen und harten Weg vor sich hat und dass es nicht immer so glatt weitergehen muss wie bisher. Ein gesundes Selbstbewusstsein ist dabei aber auf jeden Fall eine unverzichtbare Voraussetzung. Und – Gottseidank – auch vorhanden. Worauf er sich auf jeden Fall jetzt schon freut: Sein Debut an der Royal Opera London im April nächsten Jahres – als Lieutenant Ratcliffe in Benjamin Brittens Billy Bud!

Traumrollen? – Viele, genauer gesagt: Alle, die zu ihm als Basso cantabile bzw. Koloratur-Bass, wie er sich selbst beschreibt, passen. Natürlich Escamillo, aber auch der Mephistopheles von Berlioz und Gounod sowie – warum nicht? – Arigo Boitos Mefistofele. Als Peter Kellner auf den Mephisto zu sprechen kommt, bekennt er, dass Samuel Ramey, der legendäre und unvergessene „Bühnenteufel“ schlechthin, sein großes Vorbild sei. Und dann liegt es wohl auf der Hand, dass er sich für seine fast abgeschlossene Bachelorarbeit ausgerechnet diesen Sänger zum Thema gewählt hat.

Was beschäftigt ihn sonst noch in seinem Leben, von der Musik einmal abgesehen? Da nennt Peter Kellner zuerst seine Familie. Er sei verheiratet, habe einen zweijährigen Sohn und versuche natürlich, so viel Zeit wie möglich mit ihnen zu verbringen. Sie leben noch nicht in Wien, da er ja erst vor kurzem hierher übersiedelt sei. Derzeit aber seien sie gerade in Wien, das sei natürlich wunderbar, obwohl täglich Proben für die bevorstehende Premiere angesetzt sind. Ansonsten gehe er gerne fischen und genieße dann die Ruhe in der freien Natur. Seiner großen Leidenschaft, mit Holz zu arbeiten und Möbel für die eigene Wohnung zu tischlern, könne er aber nur noch höchst selten nachkommen. Kein Wunder bei einem so prall gefüllten Kalender mit Proben, Auftritten, Repertoireerarbeitungen, akademischen Studien und Wettbewerbsteilnahmen. Eines aber ist gewiss: Von Peter Kellner, über den die Internet-Plattform bachtrack anlässlich der Grazer Il viaggo a Reims-Premiere geschrieben hat, dass er „über einen Traum von einer Bass-Stimme verfügt,“ werden wir Opernbegeisterte und Musikfreunde bestimmt noch gerne und viel hören. Denn der Traum ist schon längst dabei, wahr zu werden und sich zu einer markanten, unverwechselbaren Gestalt zu verdichten.

5.10.2018

 

Diese Seite drucken