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PESARO/ Rossini Opera Festival: ADELAIDE DI BORGOGNA von Gioacchino Rossini

Ein Fall für die kollektive Augenbinde.

18.08.2023 | Oper international

PESARO/ Rossini Opera Festival: ADELAIDE DI BORGOGNA von Gioacchino Rossini

am 16.8. 2023 (Zweite Vorstellung)

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Zeitgeistige Lesbenhochzeit im Mittelalter. Copyright: ROF

Unlängst ist es beim Puccini-Festival in Torre del Lago zu einem größeren Eclat gekommen, weil Alberto Veronesi eine Bohème-Aufführung mit einer schwarzen Augenbinde dirigiert hat, um sich diese Inszenierung nicht ansehen zu müssen.

Bei der Neuproduktion von Adelaide di Borgogna beim heurigen Rossini Festival in Pesaro hingegen wäre es angebracht gewesen, diese Augenbinden ans Publikum zu verteilen, denn was Arnaud Bernard hier angerichtet hat, war dazu angetan, die seelische und körperliche Gesundheit der von weither angereisten Musikliebhaber aufs Äußerste zu gefährden.

Arnaud Bernard, ja, Sie haben richtig gelesen. Jener französischer Scharlatan, der diesen Sommer schon die an und für sich unkaputtbare Carmen in St.Margarethen in den Sand gesetzt hat, weil er vermeinte, sie auf einem Filmset (mit vielen total störenden Cut ! Rufen) spielen lassen zu müssen, hat auch hier wiederzugeschlagen – mit einer nur leicht veränderten Masche. Statt auf einem Filmset findet die ganze Chose in Pesaro – auf einer T h e a t e r p r o b e statt. Mein Gott, wie originell: hat man ja seit 50 Jahren noch n i e gesehen….(es gibt sogar ganze Opern,die auf dieser Situation basieren) !

Das Problem dabei ist aber nicht die mangelnde Originalität, das Problem ist, dass diese fetzendepperte „Idee“ das ganze Stück ruiniert.

Adelaide di Borgogna hat ja sowieso schon keinen guten Ruf. Ein Rossinologe hat sie einmal sogar als „schlechteste aller seria-Opern“ des Meisters bezeichnet. Was natürlich absoluter Unsinn ist. Denn selbst wenn man zugeben muss, dass sie nicht seine beste ist, strotzt sie nur so vor wunderbarer Musik für die allerdramatischsten Situationen.

Aber wenn es auf der anfangs leeren und sich allmählich mit hässlichen Requisiten und hässlichen Bühnenbildteilen und Statisten und Protagonisten in unvorteilhafter Alltagskleidung füllenden Bühne ununterbrochen mit sinnlosen Aktiönchen (Statist vergisst Speer etc.) und Nebenhandlungen (Tenor flirtet mit der Ballerina, aus Rache flirtet Sopran mit Mezzo usw.usf.) nur so wuselt, kann man die Oper ja gar nicht erst ernst nehmen. Und der ganze Sinn dieser Musik, die ja, wie in der seria üblich, nicht mehr und nicht weniger als die existenziellen Nöte von Menschen zwischen Leben und Tod ausdrückt, geht somit in diesem Tsunami von Albernheiten vollständig flöten.

Wieso der diesbezüglich bereits mehrfach vorbestrafte Bernard noch weiterhin seriell Meisterwerke vernichten darf, anstatt vom Internationalen Menschengerichtshof in Den Haag für Verbrechen gegen die musikalische Menschlichkeit zumindest ein lebenslanges Bühnenverbot aufgedonnert zu bekommen, bleibt rätselhaft.

Vor allem auch, weil dieser allergröbste und allerdümmste Unfug auch die Sänger mit sich in den Abgrund reißt. René Barbera ist ein wunderbarer Tenor und eine grosse Entdeckung, aber da er hier den fetten Kasperl im Hawaii- Shirt geben muss, kann man seine Stimme nicht richtig geniessen. Und auch die pesarobewährte Olga Peretyatko wird durch den lächerlichen Kontext dazu verleitet, ihre eigentlich tragische Figur in „Anführungezeichen“ zu spielen und sie mit Zitaten von melodramatischen Gesten von Diven des 18. Jahrhunderts zu versehen. Pradler Ritterspiele an der Adria.

Das Schlimmste hebt sich A.B.(sein Name sei nie wieder voll ausgeschrieben!) für das Finale, für das Schlussbild auf. Endlich schaut die Bühne aus, wie eine Bühne ausschauen soll – wenn auch mit kitschigen, gemalten Prospekten à la Mittelalter, endlich gibts ein Happy End, endlich findet eine Hochzeit statt. Und was macht A.B. ? In einem grotesken Kniefall vor dem woken Zeitgeist und der LGTBQA+-#&%@§%<>≠¿*!XYZ etc…“Community“ lässt er die ganz ganz wunderbare Varduhi Abrahamyan, die den Ottone „en travesti“ singt, ihren Panzer ablegen, ihre langen Haare öffnen – und Olga Peretyatko heiraten. Die Sängerin ist also eigentlich eine F r a u ? In echt jetzt ? Darauf wären wir doch unter Folter n i e gekommen…

Wie schon gesagt: ein Fall für die kollektive Augenbinde.

Ein Fall für den Internationalen Operngerichtshof.

Robert Quitta, Pesaro

 

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