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PERALADA/ Festival Castell/Auditorium: LA TRAVIATA

14.08.2019 | Oper

 


Sempre libera!. Ekaterina Bakanova. Foto: Tito Ferrer/ Peralada

FESTIVAL CASTELL DE PERALADA/ Auditorium : LA TRAVIATA

von 7.- 10. 8. 2019

Das nahe dem nordkatalanischen Figueres (Geburtsstadt Salvador Dalìs und Standort seines überladenen Teatro-Museo) gelegene Castell de Peralada reicht bis ins Mittelalter zurück, wurde mehrmals zerstört und wieder aufgebaut, und stand dann – nachdem Tomàs de Rocabertí-Boixadors Dameto i de Verí (bedeutende Adelstitel: 12er Graf von Peralada, 37er Vizegraf von Rocabertí, 11er Graf von Savallà, 10er Marquis d’Anglesola und 10er Marquis von Bellpuig) im Jahre 1898 ohne Nachkommen verstorben war, jahrzehntelang leer.

Daraufhin erwarb es 1923 der katalanische Stahlindustrielle, Bankier, Geschäftsmann und spätere Bürgermeister Barcelonas Miquel Mateu Pia und renovierte es aufwändigst.

Seine wunderschöne Tochter, Carmen Mateu Quintana (1936 – 2018), den schönen Künsten äusserst zugeneigt, begann mit Hilfe ihrer Freundin, der katalanischen Superdiva Montserrat Caballé, die weitläufige Anlage (77 000 Quadratmeter ) für Konzerte zu nutzen. bevor dann 1987 offiziell das FESTIVAL DEL CASTELL DE PERALADA gegründet wurde, das heute zu den angesehensten Spaniens zählt.

Der zum ersten Mal anreisende Besucher ist zunächst ziemlich irritiert, im Castell bei seiner Ankunft ein großes Spielcasino vorzufinden. Viele Musikfreunde rümpfen darüber zunächst einmal die Nase, vergessen dabei aber – etwas unhistorisch denkend – dass z.B. der geniale Impresario Domenico Barbaja alle großen Opern Rossinis inur dadurch finanzieren konnte, dass er das Glücksspielmonopol in Neapel besaß.

Der Geruch des Geldes durchweht auch sonst ein wenig das Areal. So werden z.B. im Park und auch im Teich(!) die neuesten Mercedes-Modelle zur Schau gestellt (schon gesehen um 77.373 €),es gibt viele abgetrennte VIP und SUPERVIP-Bereiche und das Meeresfrüchtebuffet im riesigen Gastronomiezelt ist das überwältigendste, das eine Landratte je zu Gesicht bekommen hat.

Peralada, von sehr sehr vielen privaten Sponsoren getragen, ist ein Festival der Reichen und Superreichen, keine Frage.Aber dadurch unterscheidet es sich in nichts von anderen Sommerfestivals z.B. von Salzburg, außer dass hier halt alle Aspekte (Stars, Society, Luxusautos, Gastronomie etc) auf engstem Raum versammelt sind.

Die Atmosphäre ist jedenfalls äußerst entspannt (viel entspannter als in der Mozartstadt – vielleicht auch deshalb dass hier v o r der Aufführung gegessen und getrunken wird), der Reichtum wird hier weniger ausgestellt als einfach genossen. Und man kann der künstlerischen Leitung (u.a. der Tochter der Gründerin) nicht vorwerfen, dass man ein gefälliges Programm machen würde.

Abgesehen davon, dass ohnehin generell eine grosse Bandbreite von musikalischen Geschmäckern und Stilen angeboten wird (das Mariijnsky-Ballett, der Cirque Eloize, Charlotte Gainsbourg,Paul Anka, Pink Martini, Juan Diego Florez, Gustavo Dudamel etc.)war das heurige Opernhighlight, die Eigenneuproduktiom von Verdis Evergreen „La Traviata“ die radikalste und rücksichtsloseste Inszenierung dieses Werks, die man seit langer Zeit gesehen hat.


Violetta „Marlene“: Ekaterina Bakanova. Foto: Tito Ferrer/ Peralada

Der katalanische Regisseur und Bühnerbildner Paco Azorîn hat sich als Vorbild für „seine“ Violetta Valéry „freie“ Frauen wie Greta Garbo, Marlene Dietrich etc. auserkoren. Sempre Libera! ist dementsprechend in großen roten Lettern an die Bühnenrückseite gemalt.

Die Szenerie ist minimal, aber maximal zeitgenössisch, es gibt vier Billardtische, zehn Akrobaten, und im zweiten Teil werden Horizontale und Vertikale miteinander vertauscht. Vor allem der erste Akt ist eine Wucht. DIe russische Sopranistin Ekaterina Bakanova singt und spielt sich als eigentlich einzige Protagonistin das Beuschl aus dem Leib, dass es einem permanent den Atem verschlägt.


Der Tenor (René Barbera), wie meist am Boden. Foto: Tito Ferrer/ Peralada

Der etwas rundliche René Barbera als Alfredo hat eine wunderbare, samtige, honigweiche Stimme, ist aber (und gerade im Gegensatz zu Ekaterina) wie so viele Tenöre von nahezu rührender darstellerischer Hilflosigkeit (stärkstes Ausdrucksmittel: immer wieder verzweifelt am Boden niedersinken).

Um Valérys Leben verstärkt als selbstbestimmt und Resultat einer freien Entscheidung zu deuten, lässt der Regisseur auch noch eine halbwüchsige Tochter auftreten (was wäre gewesen, wenn Violetta ein Leben als Hausfrau und Mutter geführt hätte?), was das Finale dann aber eigentlich nur noch herzzerfleischender macht…

Nächstes Jahr gibt’s Aida…

Robert Quitta, Peralada

 

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