
Peter Doss (Bariton) und Junghyun Elisabeth Lee. Handyfoto: Manfred A. Schmid
PAYERBACH / Ekaterinensaal: WINTERREISE mit Peter Doss und J. E. Lee
17. März 2023
Von Manfred A. Schmid
Franz Schuberts Winterreise, ursprünglich für Tenor geschrieben, passt hervorragend zur Baritonstimme von Peter Doss, die die schicksalsschweren Lieder noch dunkler und erschütternder erklingen lässt. Der österreichische Sänger, der mit seiner Frau, der aus Russland stammenden Sopranistin Ekaterina Hayetskaya, in Payerbach neben Opernaufführungen (zuletzt Hänsel und Gretel) u.a. auch Schubertiaden veranstaltet, kann jahrelange Erfahrung in seine Gestaltung einfließen lassen, ist Erfahrung doch die Grundvoraussetzung für eine Befassung mit diesem einzigartigen Höhepunkt der Gattung Liederzyklus. Erfahrung ist gefragt, nicht nur was den Liedgesang betrifft, sondern auch hinsichtlich Lebenserfahrung. Doss wird es dadurch möglich, sich mit der Figur des jungen Mannes, der einen Weg eingeschlagen hat, den „noch niemand ging zurück,“ voll zu identifizieren. Text und Musik, jedes Wort, jeden Satz, jeden Klang, jeden Tod hat er mit Bedacht hinterfragt und gedeutet. Wie intensiv seine Beschäftigung mit jedem Lied ist, zeigt sich etwa im berückend gestalteten Übergang von Moll in Dur in der Schlussstrophe des Eröffnungslieds „Gute Nacht“ oder im fesselnden Erzählton, mit dem das Lied „Rückblick“ beginnt. Dass sein Bariton in der Höhe zuweilen schon ziemlich gefordert wirkt, wenn es um leise Töne geht, ändert nichts an den insgesamt guten gesanglichen Eindruck.
Das Publikum nehmen Peter Doss und Junghyun Elisabeth Lee, seine aus Südkorea stammende, einfühlsame Partnerin an Klavier, auf eine immer verzweifelter und auswegloser werdende Reise mit. „Der Lindenbaum“ wird da zu einer wohltuenden Oase, in der man vorübergehend Schutz und Ruhe findet. Doch alle positiven Erlebnisse, wie etwa auch im fröhlich und hoffnungsfroh daherkommenden Lied „Die Post“, erweisen sich als flüchtige Illusionen und wirken dadurch umso trostloser. Hoffnungslosigkeit und Zorn, ja Wut lauern stets unter der Oberfläche und brechen immer wieder, einem Vulkan gleich, hervor. Etwa bei der Erwähnung des Hauses der Geliebten in „Wasserflut“, während „Das Wirtshaus“ stille Resignation und ein Sich-Abfinden mit dem Unausweichlichen, auf das alles zusteuert, suggeriert.
Wie es sich bei Schubert geziem, beschränkt sich die Pianistin und vielbegehrte Korrepetitorin Junghyun Elisabeth Lee nicht auf bloßes Begleiten, sondern ist eine höchst aufmerksame musikalische Partnerin. Man merkt es ihrem Spiel an, wie intensiv sich sich mit der Rolle des Klaviers in diesem Zyklus beschäftigt hat, ob es sich nun um den beschwingten Marschrhythmus in „Gute Nacht“ oder um die minimalistischen Beigaben in „Der Leiermann“ handelt.
Peter Doss ist nicht nur ein geschätzter Sänger, sondern auch ein erfahrender Manager, Organisator und Veranstalter. In der Semmering/Rax-Region rund um Payerbach-Reichenau, wo er auch jahrelang erfolgreicher Intendant der Konzertveranstaltungen auf Schloss Wartholz war, ist er – gemeinsam mit seiner Frau – ein wichtiger Nahversorger in Sachen Kunst und Kultur, mit Schwerpunkt Musik. Mehr als ein guter Grund, Peter Doss vor den Vorhang zu holen: Chapeau!