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PAYERBACH / Ekaterinensaal: Premiere Telemanns PIMPINONE

05.11.2022 | Oper in Österreich
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Peter Doss (Pimpinone) und Ekaterina Doss-Hayetskaya (Vespetta). Alle (Handy-)Fotos: Manfred A. Schmid

PAYERBACH / Ekaterinensaal: Premiere von Georg Philipp Telemanns PIMPINONE

4. November 2022

Von Manfred A. Schmid

Die in Ariadne auf Naxos vom Haushofmeister verkündete dramaturgische Zuspitzung, dass die tragische Oper Ariadne und die heitere Commedia dell‘arte auf Wunsch des Hausherrn und Auftraggebers gleichzeitig (!) gespielt werden sollten, ist eine Erfindung des kongenialen Librettisten Hugo von Hofmannsthal und inspirierte Richard Strauss zu einer seiner originellsten Schöpfungen. Die Ausgangslage der 1916 uraufgeführten Oper, in der zunächst eine Kombination aus mythologischer Oper und anschließender komödiantischer Burleske vorgesehen ist, war in der Barockzeit jedoch keine Zumutung, sondern selbstverständlicher Alltag. Mehr noch: Es war durchaus üblich, in den Pausen der großen tragischen Opern das Publikum mit unterhaltsamen musikalischen Intermezzi zu erfreuen.

Georg Philipp Telemann, Johann Sebastian Bachs ihm in puncto Produktivität ebenbürtiger Kollege, hat rund 50 Opern geschrieben, die allesamt als verschollen gelten. Überlebt hat nur seine Komische Oper Pimpinone, die 1725 zusammen mit Händels Tamerlano am Theater des Hamburger Gänsemarkts ihre uraufgeführt wurde, indem man sie zwischen die Akte der großen Händel-Oper eingestreut hatte. Pimpinone oder Die ungleiche Heirat, ein Zwei-Personen-Stück aus drei Intermezzi mit Streichorchester, wurde Telemanns größter Bühnenerfolg und findet sich heute, im Zuge der Telemann-Renaissance im 20. Jahrhundert wiederentdeckt, gelegentlich auch auf den Spielplänen größerer Häuser wieder. Wegen der überschaubaren Besetzung ist das Werk aber insbesondere bei kleineren Unternehmungen äußerst beliebt.

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Ekaterina Doss-Hayetskaya (Vespetta).

In einer Fassung für Klavierbegleitung ist Pimpinone nun im Rahmen der Schubertiade Payerbach im Ekaterinensaal zu erleben. Intendant Peter Doss selbst singt und spielt Pimpinone, den alten reichen Mann, der von der jungen Frau Vespetta (Ekaterina Doss-Hayetskaya), seiner Dienstbotin, umgarnt und am Ende hereingelegt wird. Der Stoff ist bekannt und wurde vielfach bearbeitet, u.a. von Pergolesi (La serva padrona), Donizetti (Don Pasquale) und Richard Strauss (Die schweigsame Frau). Telemann dürfte beim Verfassen des Stücks jedoch auch private und Hintergedanken gehabt und soll sich mit seinem Librettisten bei der Arbeit an diesem Werk köstlich unterhalten haben, ist doch bekannt, dass er sich selbst häufig mit seiner Frau stritt, die ein Verhältnis mit einem schwedischen Offizier hatte und mit diesem schließlich durchbrannte.

Wie schon im Original, finden sich im Libretto italienische und deutsche Texte. Ekaterina Doss-Hayetskaja verfügt über einen stilsicheren, wendigen Sopran und ist, wie auch ihr Partner, der profunde, ausdruckstarke Bariton Peter Doss, äußerst spielfreudig und komödiantisch begabt. Was die Sängerin weiters auszeichnet, ist ihre grazile Erscheinung und ihre tänzerische Beweglichkeit. Wie sie als Vespetta ihrem Dienstgeber zunächst die unschuldig, naive, unterwürfige, ihre Pflichten penibel erfüllende Hausgehilfin vorgaukelt und dann, nachdem er sie zur Frau nimmt, sich als unabhängige, nach Freiheit und Eigenständigkeit strebende und jegliche Bevormundung ablehnende Gattin outet, wird mit beredter Mimik und entschlossener Gestik vor Augen geführt. Ihr Zetern und Keifen darf in der Höhe auch manchmal scharf klingen, hinreißend ihr Zirpen und Säuseln. Trotzdem bleibt sie im Grunde eine sympathische und liebenswerte Frau.

Auch Pimpinone ist letztlich nicht der leidende, betakelte Ehemann, sondern was die beiden, allen überraschenden Wendungen und Zwistigkeiten zum Trotz, verbindet, ist Liebe, Zuneigung und gegenseitige Wertschätzung. Man kann davon ausgehen, dass diese „ungleiche“ Verbindung, anders als Telemanns Ehe, Bestand haben wird. Peter Doss, selbst ein facettenreicher Komödiant, gewährt seiner Frau den Vortritt, lässt sie ihre virtuosen Kabinettstückchen quirlig ausspielen und ordnet sich ihr so – rollengerecht – unter. Sein Arsenal an komischen Kniffen weiß er aber vor allem dann gewinnbringend einzusetzen, wenn er das Geschwätz der Frauen stimmlich imitiert und damit für Heiterkeit sorgt.

Beide singen tonschön und wortdeutlich, lassen dabei aber die komödiantische Theatralik, die einfach dazu gehört, nie vermissen. Am Flügel ersetzt Victoria Choi ein ganzes Orchester. So gut unterhalten und viel gelacht wie hier wird selten. Nächste Möglichkeit dazu gibt es am 18. November. Der Aufführungsort im Ekaterinensaal, Villenstraße 15, ist von Bahnhof Payerbach zu Fuß in sechs Minuten zu erreichen. Wenn das kein Argument ist …

 

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