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PAVEL KOLGATIN – Interview zum Lech Klassik-Festival

28.08.2024 | Sänger

ZUM LECH CLASSIC FESTIVAL – INTERVIEW mit PAVEL KOLGATIN

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Pavel Kolgatin mit Gattin und Sohn Lavrenty vor dem neuen Veranstaltungsort „Lechwelten“ beim Lech classic Festival (privat)

Der lyrische Tenor gab bereits mit 21 Jahren sein Debüt am renommierten Bolshoi Theater in Moskau als Tamino und war ab 2012 für 8 Jahre ein wertvolles Ensemblemitglied an der Wiener Staatsoper. Seither führen ihn Gastengagements an die führenden, internationalen Opernhäuser wie Teatro alla Scala, Teatro San Carlo Neapel, Semperoper Dresden und Washington National Opera und zu den Salzburger Festspiele, zum Rossini Festival Pesaro und zum Festival d´Aix-en-Provence. Der Sänger lebt noch immer in Wien.

Haben sie Lieblingsrollen oder Komponisten, die sie besonders schätzen?

Ich singe vor allem Donizetti, Bellini, Rossini, Mozart und Tschaikowski und mir gefällt immer die Rolle, die ich gerade singe. Bei diesen Komponisten ist eine leichte, flexible Stimme gefragt, bei Mozart mit dynamischer Farbe und beim Lenski auch ein Wechsel in tiefere Lagen – z.B. beim Dialog mit Onegin. Diese Komponenten liegen mir. Nemorino ist etwas Besonderes für mich, weil ich ihn erstmals mit 21 Jahren im Salzburger Landestheater gesungen habe, und das Publikum hat nach der Arie „Una fortiva lagrima“ getobt, aber ich wusste damals noch nicht, dass ich wiederholen sollte.

Beim Lech Classic Festival durften sie bei der Eröffnungsgala unter anderem auch mit dieser schönen Arie brillieren. Mir ist bei „Cosi fan tutte“ vor allem die großartige Harmonie der Duette und Ensembles aufgefallen. War das eine leichte Übung, da sie Margarita Gritskova und Peter Kellner aus ihrer gemeinsamen Zeit an der Wiener Staatsoper gut kennen?

Wir hatten kaum Probezeiten in Lech, was sicherlich herausfordernd ist. Aber jeder war mit Leidenschaft dabei, wir haben uns über dynamische Passage abgestimmt, jeder hatte einige Ideen, über die wir gesprochen haben, wir Solisten haben einander geholfen und so hat es sich dann bei der Aufführung doch sehr leicht angefühlt. Ich bin es auch gewöhnt, kurzfristig einzuspringen, wiederhole nochmals kurz den Text, bekomme einige Regieanweisungen, spreche mich mit dem Dirigenten ab und trete ohne Orchesterprobe auf. Das war bei meinem ersten Grafen Almaviva im „Barbiere“ so und zuletzt bei „Sonnambula“ in Deutschland – es funktioniert gut.

Wie haben sie das Lech Classic Festival empfunden, bei dem sie heuer erstmals aufgetreten sind?

Es war wunderbar, fast ein bisschen wie ein Urlaub, weil meine Familie bei mir war. Mein Sohn Lavrenty ist 13 alt, hat ein bisschen Klavier gespielt und ist mit 5 Jahre bei der „Butterfly“ an der Wiener Staatsoper aufgetreten. Obwohl er sich sehr für Musik interessiert, ist seine größte Leidenschaft Fußball (ich darf mir ein Video am Lecher Fußballplatz ansehen und bin sofort begeistert von diesem großem Trippeltalent, dass auch schon den renommierten Vereinen Ajax Amsterdam und AC Milan aufgefallen ist – er hat dort auch Jugendpreise gewonnen). Der junge Mann hat auch den Live-ORF Wettbewerb „Sag´s Multi“ in Russisch und Deutsch gewonnen und darf nun ein ORF Praktikum absolvieren (Pavel ist zurecht sehr stolz und seine Lieblingsrolle ist offensichtlich die des Papas).

Müssen sie vor Vorstellungen ihre Stimme schonen? Dürfen sie davor sprechen oder schweigen sie lieber?

Es kommt darauf an. Als ich 2018 mit Riccardo Muti in San Carlo meinen ersten Ferrando gesungen habe, hatten wir jeden Tag musikalische und orchestrale Proben – es waren lange Tage ohne Zweitbesetzung. Somit musste ich immer singen und anfangs hat man großen Respekt vor diesem herausragenden Künstler. Hier habe ich enorm viel gelernt; wie muss ich arbeiten und wie kann ich die Energie bis zur Premiere und bis zur letzten Vorstellung halten. Muti arbeitet mit dem Orchester wie mit dem eigenen Kind, er erklärt alles im Detail und Exakt. Bei meinem Duett mit Fiordiligi sollten wir „Abbracciamci – Umarme mich“ vertonen, als würden wir sprechen; nicht in mezzoforte, nicht in mezzopiano, sondern ganz leise und zart. Auch das Orchester war so leise, sodass wir Sänger es nicht mehr gehört haben und das war magisch – das Publikum war überwältigt und ich vergesse diese Produktion niemals mehr. Da jeden Tag Proben und Vorstellungen in Neapel waren und ich immer mit voller Stimme gesungen habe – ich konnte bei den musikalischen Proben nicht nur ansingen, sondern ich wollte und musste mit Muti alles ausprobieren – hat der Maestro nach 7 Stunden gebeten, nicht mehr zu sprechen. Es hat wunderbar gepasst und es war wie Gymnastik für meine Stimme.

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Kolgatin bei fotoshooting von Fotografin Irina Darda

Was sind ihre nächsten Projekte?

Jetzt werde ich nach St. Petersburg fliegen und „L´Elisir d´Amore“ singen. Im November bin ich wieder an der Wiener Staatsoper bei Monteverdis „Il ritorno d´Ulisse“, wo für Pisandro ein Tenor mit hoher Tessitura – mit Bruststimme – gesucht wurde. Im Winter sind Konzerte in Italien und im Oman geplant. Danach bin ich in Tokyo für Sonnambula und in Dänemark für Rossinis „Stabat Mater“. 2025 werde ich mein Rollendebüt als Alfredo in der „Traviata“ geben, aber ich darf noch nicht sagen, wo genau das sein wird.

Wenn sie auf ihre Karriere zurückblicken, haben sie stets die richtigen Entscheidungen getroffen?

Das ist eine schwierige Frage. Natürlich möchte ich noch mehr singen und neue Rollen interpretieren. So will ich den Herzog in „Rigoletto“ singen. Ich denke, Belmonte wäre auch sehr interessant – einige Arien wie „Ich baue ganz auf deine Stärke“ – ein wunderschönes Stück – habe ich schon gesungen. Mein Ziel ist es auch, Gounods Roméo oder Ernesto („Pasquale“) auf die Bühne zu bringen; ich habe die Partie schon einstudiert.

Wie bereiten sie ein Rollendebüt vor?

Ich begleite mich selbst am Klavier, da ich das ebenso studiert habe, wie auch Chordirigat. Vor etwa 20 Jahren habe ich mein letztes Klavierkonzert gespielt mit Chopin-Sonaten und Edvard Grieg. Meine Ehefrau ist meine Lehrerin und sie hilft mir sehr mit ihrem fantastischen Gehör! Und sie ist meine strengste Kritikerin. Wenn andere begeistert von meiner Vorstellung sind, kann es passieren, dass sie unzufrieden ist. Meine Frau kennt meine Stimme genau und wenn dann eine Phrase nicht so gebracht wird, wie es möglich ist, kann es böse für mich enden…(Pavel lacht). Mein Zimmer zu Hause zum Lernen ist 60 m2 groß und hat keine optimale Akustik; wenn es dort mit meinen Tönen funktioniert, ist es auf jeder Opernbühne leicht. So habe ich auch in der Arena di Verona gesungen und meine Stimme ist mit Leichtigkeit in den großen Raum geflossen.

Spüren sie die Gefühle, die sie an das Publikum senden und wie kommen die zurück?

Ja, besonders bei der Kinderzauberflöte war eine riesige Begeisterung zu spüren und die Kinder sind danach auf mich zugestürmt und wollten Autogramme. Später haben sie mir Briefe aus den Schulen geschickt, wie schön die Tamino-Arie war. Kinder reagieren stets mit offenem Herzen und sagen immer genau, was sie denken. Das war eine wundervolle Erfahrung!

Hören sie andere Kollegen, die dasselbe Rollenfach haben? Gibt es da Vorbilder?

Ich höre mir schon andere Tenöre an, es interessiert mich, wie sie gewisse Stellen interpretieren. Besonders begeistert mich Pavarotti und das schon seit über 30 Jahren. Er ist ein Phänomen! Leider habe ich ihn nicht live gesehen. Ich liebe auch Mario Lanza mit seinen tausend Farben für eine Phrase und Juan Diego Flórez mit dieser exzellenten Rossini-Technik. Ebenso bewunderte ich Johan Botha mit seiner großen, schönen Stimme.

Mit welchem Komponisten würden sie gerne einen Abend verbringen und was würden sie fragen?

Ich möchte gerne mit Vielen sprechen, aber nicht nur über Musik, sondern auch über das Leben. Mich interessiert, wie können z.B. Mozart oder Beethoven, die kein leichtes Leben hatten, trotzdem so schöne Musik komponieren?

Wie verbringen sie ihre Freizeit?

Ich bin viel mit meiner Familie unterwegs und ich trainiere Fußball mit meinem Sohn und ich habe ihm auch Skifahren gelernt. Das ist, wenn man in Österreich lebt, selbstverständlich. Außerdem besuchen wir auch oft zusammen Opernvorstellungen wie kürzlich „Liebestrank“ in Gars/Kamp und „Aida“ in St. Margarethen.

Lieber Pavel! Herzlichen Dank für das informative, schöne Gespräch – auch im Namen des NEUEN MERKER und Toitoitoi für Ihre zukünftigen Projekte. Ich bin gespannt auf Ihre neuen Rollen und wünsche viel Freude dabei!

Susanne Lukas, 21. 8. 2024

 

 

 

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