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Paul BADURA-SKODA: „Es ist wunderbar, eine gegebene Tradition weiter zu reichen!“

31.05.2017 | Instrumentalsolisten

Paul Badura-Skoda: „Es ist wunderbar, eine gegebene Tradition weiter zu reichen!“

Der Wiener Pianist Paul Badura-Skoda vollendet im Oktober dieses Jahres sein 90. Lebensjahr. Was ein solch ambitionierter und hellwacher Künstler an diesem Tag vorhat? Er möchte ein Konzert geben! Soeben gab Paul Badura-Skoda im Musikverein zu seine reiche Erfahrung spielerisch an die Jugend weiter. Denn was sonst findet statt, wenn ein Pianist mit einem derart riesigen Erfahrungshorizont die viel jüngeren Musikerinnen und Musiker der Philharmonic Academiy beflügelte und inspirierte. Zwischen den Proben vor dem großen Auftritt bestand Gelegenheit zu einem spontanen Gespräch.

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Paul Badura-Skoda. Foto: Stefan Pieper

Das Gespräch führte Stefan Pieper im Mai 2017

Herr Badura-Skoda, wenn Sie heute mit so vielen jungen Musikern zusammen spielen, was bedeutet Ihnen das persönlich?

Das ist wunderbar, wenn man eine gegebene Tradition weiter reichen kann. Die Fackel muss weiter brennen und die jungen Leute spielen mit einem Einsatz und einer Begeisterung, die manchmal bei alten Orchestermusikern nicht mehr so zu finden ist. Das ist sehr schön für mich. Natürlich sind da mal ein paar Unvollkommenheiten, aber das spielt doch überhaupt keine Rolle! Man darf nicht vergessen, dass es die auch zu Mozarts Zeiten gab. Denn da war oft nie Zeit für lange Proben, weil Mozart oft erst wenige Stunden vor der Aufführung mit dem Schreiben fertig wurde. Man bewundert die Musiker von damals, die die handgeschriebene Stimmen vom Blatt gelesen haben.

 

Wie lange haben Sie jetzt mit dem Schweizer Orchester an Mozarts c-Moll-Klavierkonzert gearbeitet?

Wir hatten zwei vollständige Proben und zwei Saalproben, um uns an die Akustik und die jeweiligen Konzertflügel zu gewöhnen. Ich muss den Herrn Studer sehr loben, der nicht nur ein ausgezeichneter Dirigent ist, sondern auch diese erzieherische Fähigkeit hat, gerade auf junge Leute einzuwirken. Er macht sehr gute Sachen, um das Orchester in ständiger Aufmerksamkeit zu halten. Also dass er plötzlich schneller oder langsamer wird – und das ist dann ein toller Test, dass ihm alle folgen. So etwas machen sie ausgezeichnet. Das ist mit Berufsorchestern eine gute Methode. Oft ist es so, wenn sie mit einem guten Orchestern, wenn einmal das Tempo gegeben wird, dann spielen sie stur das gleiche Tempo und wenn der Dirigent schneller wird, ist das ein Problem. Das ist etwas, was Martin Studer sehr gut macht. Es ist immer sehr musikalisch. Wir haben vorher zwei Wochen lang gut korrespondiert und über jede Stelle diskutiert. Die Vorbereitung beginnt viel früher als bei den Orchesterproben.

 

Jetzt mal speziell zu diesem Mozart-Klavierkonzert. Sie haben das ja schon in den 1950er Jahren auf Schallplatte ingespielt. Was hat sich heute für Sie verändert? Sehen Sie irgendwo eine Entwicklung oder vielleicht auch einen Fortschritt gegenüber damals?

Ich habe allein von diesem Konzert circa fünf Einspielungen gemacht. Ich freue mich, gerade wenn ich diese höre, dass meine Grundeinstellung bei diesem Werk gleich geblieben ist. Ich habe es schon als Kind intuitiv empfunden: Dieses Konzert ist eines der bedeutendsten Konzerte überhaupt. Es hat einen ganz tragischen Unterton. Meine Einstellung hat sich im Grund nicht verändert. Sie ist nicht reifer geworden, aber sie hat sich vertieft. Ich habe tiefere Einblicke gewonnen. Vor allem, weil ich immer wieder die Handschrift Mozarts, das Autograph studiert habe. Und zwar nicht nur aus Fotokopien. Ich hatte sogar Gelegenheit, es im Original zu sehen.

Das sinnliche Empfinden der Handschrift ist also eine prägende ästhetische Erfahrung für die Interpretation?

Genau. Vor allem: Mozart hat hier etwas gemacht, was sonst nie der Fall ist: Er hat das Orchester ganz genau notiert. In den Klavierparts hat er hingegen noch während der End-Niederschrift viel experimentiert. Das ist aufregend zu sehen, wo es Passagen gibt, die er durchgestrichen hat und noch einmal und noch ein zweites und drittes Mal geschrieben hat. Man kann also sehen, dass auch ein Mozart hier um die endgültige Form gerungen hat.

Wieviel hat Mozart eigentlich aus dem Improvisieren heraus entwickelt?

Die Frage, wie viel Mozart improvisiert hat, ist für uns nicht relevant. Wir müssen nur an den Stellen, an denen Mozart eine Art Gerippe notierte, sozusagen noch zwischen die Knochen etwas Fleisch und Blut einsetzen. Aber das ist in diesem Konzert nur an einigen wenigen Stellen der Fall. Es ist eine offene Frage: Sollen wir die Stellen jetzt so spielen, wie sie da stehen. Das haben viele alte große Meister auch so gemacht. Oder sollen wir, wie es heute üblich ist, diese Stellen improvisatorisch ausfüllen. Ich habe mich bemüht, nicht improvisatorisch zu agieren, sondern mir vorgestellt, wie es Mozart wahrscheinlich gemacht hätte. Aber ich hüte mich davor, zu viel des guten zu tun. Da hat sich meine Einstellung seit 60 Jahren nicht geändert. Im zweiten Satz lebt diese unglaubliche Einfachheit, diese Kunst, mit wenig Noten viel zu sagen. Es wäre falsch, hier mit Verzierungen es „barocker“ auszugestalten.

 

Haben Sie ein besonderes Klangideal beim Spielen?

Für mich ist es ganz wichtig, dass sich der Charakter der Interpretation nicht durch das gewählte Instrument oder durch gewisse Traditionen ändert. Ich habe wiederholt Klavierkonzerte von Mozart auf modernen Klavieren aber auch auf Hammerflügeln gespielt. Und es ist kaum ein Unterschied bis auf die Lautstärke. Die Hammerflügel sind einfach dreimal leiser und müssen daher auch leiser begleitet werden. Aber das Erlebnis muss gleich bleiben. Vor allem auf das Dramatische kommt es an. Bei diesem Konzert überrascht es die Zuhörer, dass hier ein Mozart auch ganz heftig klingt.

 

Das ist gut, vor allem, weil Mozart ja im Massenbewusstsein oft zu sehr das Klischee des „Schönen“ anhaftet. Gerade dies herauszuarbeiten, ist die wahre Kunst.

Ja, genau. Mozart kann richtig „violent“ sein oder wie sagt man es auf deutsch? (lacht…)

Gerade auf die Kontraste in diesem Werk kommt es an – zwischen dem zartesten lyrischen und einem Ausdruck der Verzweiflung!

 

In Ihrer damaligen Einspielung setzten Sie diese konträren Welten ja auch sehr stark gegeneinander.

Das freut mich, dass Sie das so empfinden!

Das Gespräch führte Stefan Pieper am 28. Mai 2017

 

 

 

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