PARMA/ PALAZZO DELLA PILOTTA : I FARNESE – noch bis 31. Juli
Palazzo della Pilotta. Copyright: Palazzo della Pilotta
Der Palazzo della Pilotta (auch kurz La Pilotta genannt) ist ein riesiger (angeblich auch vom Weltraum aus sichtbarer) riesiger Gebäudekomplex im Herzen von Parma. Dass er von außen dennoch nicht sehr ansehnlich wirkt liegt 1.daran, dass er nie vollendet wurde und 2. an einem Bombentreffer in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs.
Der Stammbaum der Farnese. Copyright: Palazzo della Pilotta
Errichtet wurde er von der Farnese-Dynastie, nach deren Ende haben ihre Nachfolger, die Boubonen, als sie Könige von Neapel wurden, den Palast vollständig geplündert…äh..die gesamten Schätze nach Neapel mitgenommen. Dort stellen sie noch heute einen Großteil der Sammlung des Museo di Capodimonte dar. Aber auch der (oft im Fernsehen zu sehende) Schreibtisch, an dem der italienische Staatspräsident immer seine Ernennungsurkunden unterzeichnet und seine Ansprachen hält, stammt eigentlich von hier.
Der Herr Direktor und zwei restaurierte Gemälde….Copyright: Palazzo della Pilotta
Dem jungen, neuen, ambitionierten Direktor der Pilotta, Simone Verde (war zuletzt an der Planung des Louvre Abu Dhabi mitbeteiligt ), ist es jetzt gelungen, zumindest einen Teil dieser Schätze – wenn auch nur als Leihgaben – nach Jahrhunderten wieder an ihrem ursprünglichen Sammlungsort zu präsentieren. Die Ausstellung I FARNESE bietet – wie schon ihr Untertitel Archittetura, Arte, Potere (Architektur, Kunst, Macht) sagt – einen großangelegten Überblick über den Aufstieg einer obskuren Söldnerfamilie im Dienste des Papstes zuerst zu Lehensherren von Parma und dann in weiterer Folge – mittels ihrer „geistlichen“ Linie – sogar zu Päpsten.
Und daher verbinden wir Heutigen die Farnese auch eher mit Rom und Umgebung: mit dem (Opernliebhabern aus Tosca wohlbekannten) Palazzo Farnese und dem über die Massen gigantomanischen und einschüchternden Palazzo in Caprarola.
In der Schau (die noch bis 31.Juli zu sehen ist) kann man also über 20 Gemälde von Meistern wie Tiziano, Raffaello, Correggio, El Greco und (grosse Entdeckung!) Annibale Carracci bewundern, die nicht nur vom guten Geschmack der Farnese, sondern auch von deren Kaufkraft zeugen.
Die Farnese-Kardinäle. Copyright: Palazzo della Pilotta
Ihren legendären, verschwenderischen Reichtum (damals hat es sich ja auch noch ausgezahlt, einen Papst als Verwandten zu haben) stellen auch ihre zahlreichen geplanten, vollendeten, erhaltenen, zerstörten Bauvorhaben unter Beweis, die in der Architektur-Sektion ausführlichst dokumentiert werden.
Aus der Wundertüte. Copyright: Palazzo della Pilotta
Der vielleicht stimmigste, atmosphärischste, intimste und berührendste Teil der gesamten Ausstellung ist jedoch viellleicht die Farnesische „Wunderkammer“, vielleicht auch deshalb, weil sie wirklich wieder an ihrem ursprünglichen Ausstellungsort, der wunderbaren Bibliothek, zu sehen ist. Viele äußert merkwürdige Gegenstände aus kostbarsten Materialien und aus der ganzen Welt: Smaragdkröten, Perlmuttfächer, Marmorintarsien…alles auf engstem Raum und sehr schön beleuchtet…da stellt sich gleich ein klein wenig Renaissance-Gänsehaut-Feeling ein.
Aus dem Archäologischen Museum. Copyright: Palazzo della Pilotta
Mit dieser großen und epochalen Ausstellung erschöpfen sich aber die Ambitionen des Herrn Direktors bei weitem nicht.In dem „complesso monumentale“ befinden sich nämlich noch zwei weitere wichtige Institutionen wie die Pinacoteca und das Museo Archeologico. Und Simone Verde ist dabei, all diese in den letzten Jahrzehnten ein wenig traskurierten Schatzkammern von Grund auf zu erneuern, zu erweitern, zu refurbishen, upzugraden und zu restaurieren. Wir durften einige der bereits renovierten Räume bereits vorbesichtigen und können nur – ohne etwas verschreien zu wollen – sagen, dass hier ein Juwel von einem intelligent vernetzten Museumskomplex heranzuwachsen scheint (geplante Wiedereröffnung: Ende des Jahres).
Parma: der nächste neue Hotspot in der europäischen Museumslandschaft? Die Voraussetzungen dafür wären gegeben…
Robert Quitta, Parma