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PARIS/Opera Bastille: CAVALLERIA RUSTICANA mit Elina Garancas erster Santuzza/ SANCTA SUSANNA von Paul Hindemith

02.12.2016 | Oper

LIEBES-RASEREI AUS GEKRÄNKTEM STOLZ: ELINA GARANCA ALS SANTUZZA (30.11.2016)

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Yonghoon Lee als Turiddu, Elina Garanca als Santuzza. Copyright: Julien Benhamou/ Opera de Paris

Die wichtigste Nachricht für Elina-Garanca-Fans zu Beginn: der Auftakt zum angekündigten Fach-Wechsel in der Pariser Bastille-Oper war spektakulär! Der Verismo-„Schlager“ „Cavalleria Rusticana“ von Pietro Mascani hat eine neue hochdramatische Titelheldin. Und man braucht kein Prophet zu sein: die internationale Opern-Welt wird demnächst nicht nur auf eine mitreißende Santuzza sondern auch auf eine neue Eboli und Amneris zurückgreifen können. Die lettische  Mezzo-Sopranistin hat ihr Stimmvolumen ausgeweitet, die Tiefe hat merklich zugelegt und der Glanz der Höhe ist geblieben. Und gleichzeitig hat sie die bruchlose Technik bewahrt, für die sie früher bei Mozart (etwa als Sesto), Rossini ( als Cenerentola) oder Bellini (als Adalgisa) besonders gelobt wurde. Das aufregendste an der Premiere in Paris war aber die Neudeutung der Rolle. Gemeinsam mit dem italienischen Regisseur und Filme-Macher Mario Martone (ursprünglich war das Garanca-Santuzza-Rollendebüt ja für die Scala vorgesehen) und dem  in Mailand geborenen Dirigenten Carlo Rizzi zeichnete sie ein ungewöhnliches Rollen-Bild.

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Elina Garanca. Copyright: Julien Benhamou/ Opera de Paris

Zwar steht in der Original-Partitur der 1890 in Rom uraufgeführten „Sizilianischen Bauernehre“ bei Santuzza „junge Bäuerin“. Aber zumeist erlebt man das klassische Dreiecks-Klischee: ein attraktiver Mann, um den sich eine junge Frau – Lola – und eine ältere „Ex“ – Santuzza – streiten. Nicht so bei Elina Garanca: die Niederlage gegenüber der Geliebten, die mit dem Fuhrmann Alfio verheiratet ist, treibt Santuzza in tödliche „Liebes-Raserei“ auch aus gekränkter Eitelkeit; und weil sie offenbar eine angesehene Dorf-Schönheit ist. Lola – in Paris offenbar ganz absichtlich eher unscheinbar mit Antoinette Dennefeld, einer in Strasbourg geborenen Mezzosopranistin besetzt, ist weder so schön wie Santuzza noch hat sie ihr Charisma. Doch der Dorf-Casanova Turridu – anstelle des für Mailand ursprünglich geplanten Tenors Jonas Kaufmann wurde der MET-Ersatzmann bei der Garanca-Carmen der südkoreanische Tenor Yonghoon Lee engagiert – entscheidet sich gegen die gängige Männer-Logik. Und er löst so die Katastrophe aus. Der Koreaner ist übrigens ein attraktiver Feschak, hat eine eindrucksvolle, kraftvolle Spinto-Höhe, aber doch zu wenig Farben in der Mittellage. Also bleibt die Garanca allein in der „Opern-Spitzenklasse“; denn auch dem sympathische Ukrainer Vitaliy Bilyy als „gehörnter“ Fuhrmann Alfio nimmt man seine Empörung nicht ab; sein Zorn ist gespielt, die Empörung unglaubhaft. Und auch die Mama Lucia ist mit Elena Zaremba allzu bieder und harmlos. Weder Muttertier noch Moral-Instanz. Aber das kommt wohl vom Regiekonzept des Filmemachers Mario Martone. Er will im Vorspiel die Verlogenheit der sizilianischen Dorfgemeinschaft entlarven und beginnt mit einer Bordell-Szene. Wo er dies allerdings in der Partitur findet, fragt man sich unwillkürlich; da aber die Inszenierung vor allem dem Chor eine zentrale Rolle einräumt (Ausstattung: Sergio Tramonti,  ausgezeichnet das Licht: Pasquale Mari) und sogar historische Kostüme zum Einsatz kommen (Ursula Patzak) – muss man froh sein, dass die Neuinszenierung für das Rollendebüt von Elina Garanca als Santuzza zumindest nicht hinderlich war. Die lässt sich auch für den Dirigenten Carlo Rizzi konstatieren. Er holt aus dem Orchester der „L’opera national de Paris“ – ebenso aus dem Chor – das Maximum in einem akustisch problematischen Saal heraus.

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Anna Caterina Antonacci. Copyright: Elisa Haberer/Opera de Paris

STATT BAJAZZO „SANCTA SUSANNA“ VON PAUL HINDEMITH

Die Mascagni-Oper wurde übrigens nicht in der üblichen Verschränkung mit Leoncavallos „I Pagliacci“ gegeben. Man entschied sich für die pausenlose Fortsetzung mit einem frühen Einakter von Paul Hindemith, die 1921 in Frankfurt uraufgeführt worden ist: „Sancta Susanna“ handelt von unsittlichen Wahnvorstellungen einer Nonne namens Susanna, die sich ihrer älteren Kollegin outet. Die Inszenierung beginnt wie eine Produktion der „Gespräche der Karmeliterinnen“ aus den fünfziger Jahren. Doch dann bekommt die Regie von Mario Martone und die Ausstattung von Sergio Tramonti einen surrealen und irrationalen Schub. Christus am Kreuz ist der Auslöser für „fleischliche Phantasien“ und sündige Wünsche. Großartig die beiden Hauptdarstellerinnen: Anna Caterina Antonacci und Renée Morloc, sehr inspiriert der Dirigent Carlo Rizzi! Zuletzt großer Jubel und ein unerwarteter Erfolg eines Frühwerkes von Paul Hindemith das übrigens als Trilogie konzipiert war. Die beiden anderen vielsagenden Titel: „Mörder, Hoffnung der Frauen“ und „Das Nusch-Nuschi“! Vielleicht wagt sich ein mutiger Intendant an die Aufführung des ganzen Triptychons. Paris war diesmal jedenfalls eine Reise wert!

 

IMPRESSIONEN ÜBER EIN GESPRÄCH ZWISCHEN ELINA GARANCA UND PETER DUSEK (1.12.2016)

Pünktlich zum vereinbarten Termin erscheint Elina Garanca am Tag nach ihrem Rollendebüt. Sie strahlt und die graublauen Augen verraten Positives! Wie zufrieden sie sei, will ich wissen, Und sofort kommt die prompte Antwort: “Weitgehend!“ Dennoch trifft sie nach unserem Gespräch den Gesangslehrer, damit der Schritt zum dramatischen Mezzo unter Kontrolle bleibt…Waren sie diesmal nervös, will der Besucher aus Wien wissen? „Wenn ich ehrlich bin, Herzklopfen und Beklemmungen gab es mehr als sonst, aber das hat sich auf der Bühne rasch gelegt. Der Erwartungsdruck ist eben jetzt besonders hoch “ Warum sie jetzt so selten in Wien auftrete, will ich wissen. „In der nächsten Saison2017/18 gibt es in Wien an der Staatsoper immerhin ein echtes szenisches Rollendebüt und eine Premiere für mich – auf ‚Samson et Dalila‘ freue ich mich ganz besonders, im Jahr darauf bin ich als Santuzza zu erleben. Und außerdem gebe ich Liederabende (wie jenen im Februar 2017 im Konzerthaus); und Göttweig mit „Klassik unter Sternen“ geht ins 10.Jahr und Kitzbühel ins 5.Jahr“. Die neuen Rollen kosteten eben Zeit und erst recht die Proben. Jedenfalls sind die Weichen gestellt! Im kommenden Mai wird sie sich als Octavian im Rosenkavalier in einer auch ins Kino übertragenen MET-Produktion verabschieden. Dazu kommen ein Verdi-Requiem unter Muti und eine 3.Mahler unter Christian Thielemann, eine Promotion-Tour für die neue CD mit den neuen Rollen wie Santuzza und Eboli; und außerdem muss und will ich mich meinen beiden Töchtern zeitlich widmen!“ Wann kommt jetzt die erste Eboli, will ich wissen. „In ziemlich genau einem Jahr – wieder in Paris in der Bastille-Oper“ Und im Jänner 2018 hört sie die Seine-Metropole mit einer neuen Rolle der „Dido“, die MET muss damit noch bis zum Herbst 2018 warten; Direktor Stephane Lissner habe eben am schnellsten zugegriffen. Sowie Covent Garden, die sich im nächsten Herbst Elina Garanca in „Cavalleria Rusticana“ gesichert hätten. Und wie steht‘s um die Königspartie für dramatische Mezzos, um die Amneris in Aida?  „Sie kommt definitiv in 3 Jahren in einem mitteleuropäischen Opernhaus -mehr darf ich noch nicht verraten“ lacht die lettische Diva, rafft ihre Unterlagen zusammen und bricht zum nächsten Termin auf. Pünktlich wie eine Pefektionistin. Und wie eine Sängerin, die ihren Fachwechsel strategisch bis ins Detail durchgeplant hat.

 

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