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PARIS/ Opera National/Garnier: IOLANTA /Oper und DER NUSSKNACKER (Ballett)

Die Zusammenstellung entspricht der Uraufführung, wie sie Tschaikowski selbst geplant hatte.

22.05.2019 | Oper


Iolanta. Foto: Julien Benhamou/Opera de Paris

Paris, Opera National , Garnier, Tschaikowski: Iolanta / Der Nussknacker,  Vorstellung am 21.Mai 2019

Bereits vor drei Jahren hatte diese Kombination der Oper „Iolanta“ und das Balletts „Der Nussknacker“ an der Opera in Paris Premiere. Die Zusammenstellung entspricht der Uraufführung, wie sie Tschaikowski selbst geplant hatte. Nun gibt es eine Reprise mit einer neuen Besetzung.

DIMITRI TSCHERNIAKOV, bekannt durch seine klugen, manchmal überraschenden Deutungen, hat den Abend konzipiert und mit CSIDI LARBI  CHERKAOUI, EDOUARD LOCK und ARTHUR PITA berühmte bis namhafte Choreographen mit ins Boot geholt.

Tscherniakov gibt dem Abend eine übergeordnete Geschichte. Marie, die Protagonistin aus dem Nussknacker, hat Geburtstag und ihr zu Ehren gibt eine wohlhabende Familie ein Fest, bei dem sozusagen als Theater im Theater die Oper Iolanta mit den anwesenden Verwandten und Gästen aufgeführt wird. Die Regie geht gerade Iolanta behutsam an, zieht zum Ballett dezente Querverweise (ein Weihnachtsbaum schmückt den Salon – die Jahreszeit, in der sonst Nussknacker spielt). Beide Protagonistinnen: Iolanta wie Marie sind aduleszente Mädchen und beide machen überbordende Sinneserfahrungen mit. Iolanta, in dem sie erst sich ihrer Blindheit bewußt wird und sie überwinden kann und Marie, die eine erste Romanze erfährt, die von der Familie behindert wird und die dann in einem großen Alptraum eine weite Reise zur erwachsenen Frau macht, ihren Liebsten offenbar verlierend. Große Raumweitungen, Explosionen, unheimliche Wälder, aber auch verspielte Kinderzimmer durchlebt sie zwischendurch, sich selbst oft multipel spiegelnd.

Iolantas Geschichte spielt hingegen durchgehend in einem sehr kleinen Zimmer. Der Arzt Ibn Hakia bestellt zur Heilung von Iolantas Blindheit zwei junge Männer, die ihr Seelenleben durcheinander bringen sollen. Mit einer Schockterapie gelingt die Heilung. Das Finale wird aufgelöst, indem bereits Marie, die Tänzerin, ihren Freunden zu gratulieren beginnt; und ganz übergangslos, unmerklich werden die gleichen Charaktere von Tänzern übernommen, die bis dahin die Sänger inne hatten. Ein sehr gelungener Einfall.

Die Sternstunden sind bei der Oper wie beim Ballett die intimen Szenen zwischen den sich jeweils Liebenden. Vauldemont, der Mann, der Iolanta die Blindheit offenbart, ist selbst so geschockt, dass er sich für längere Zeit aus dem Spiel nimmt und Iolanta alleine läßt mit ihrer bitteren Erkenntnis, dass sie einen Defekt hat. Ein anrührender Monent ebenso wie die beiden großen Pas de deux´s zwischen Marie und ihrem Vauldemont, der halbtot immer wieder leblos zu Boden sinkt, um sich erneut zu großartigen Zweisamkeit mit ihr aufzuraffen.

Unbedingt zu erwähnen sind die fabelhaften Kostüme von ELENA ZAITSEVA, die sowohl das russische 19. Jahrhundert wie die sowjetische Nachkriegszeit phantasievollst präsentieren.

Musikalisch ist der Abend gut bis sehr gut. Die Sängerbesetzung ist dabei ganz exquisit. VALENTINA NAFORNITA als anrührende Iolanta, die Ihre Blindheit hinreißend zerbrechlich spielt, ist mit ihrem schönen, lyrischen Sopran die zentrale Figur. Ihr zur Seite als Vauldemont bietet DMYTRO POPOV  einen absolut integeren, die hohe Tessitur bestens meisternden, kultivierten Tenor.  Iolantas Vater, König Rene wird von KRZYSZTOF BACZYK mit einem schöne schwarze  slawische Farbe besitzendem, noch jungem Bass glaubhaft verkörpert. ARTUR RUCINSKI zeigt mit Aplomb und Biss in der kernigen Stimme schon bei seiner imposanten Auftrittsarie, dass er ein erster Vertreter seines meist italienischen Baritonfaches ist.  Besonnen, wach und mit musikalisch- szenischer Autorität gibt der ebenfalls strahlkräftige Bariton JOHANNES MARTIN KRÄNZLE den maurischen Arzt Ibn Hakia, dessen Mantra-artige Arie mit orientalischem Kolorit sich musikalisch gewaltig auftürmt und wieder verebbt. Eine Wiederbegegnung mit einer großen Sängerin beschehrt diese Aufführung: ELENA ZAREMBA verleiht der Marta stimmliche Größe und theatralisches Flair. GENNADY BEZZUBENKOVs dunkler Bass ist für die kleinere Rolle des Bertram beinahe Verschwendung. Auch Brigitta (ADRIANA GONZALEZ) und Laura (EMANUELA PASCU), führen volle und warme Stimmen ins Feld. VASILY EFIMOVs Almerick komplettiert mit seinem Charaktertenor adäquat das Ensemble.


Der Nussknacker. Foto: Julien Benhamou

Die beiden Solotänzer MARION BARBEAU (Marie) und ARTUS RAVEAU (Vauldemont) leisten Unglaubliches. Zwischen den Stilen des klassichen und modernen Tanzes jonglierend, beherrschen sie ihre Körper in Vollkommenheit. Darüber hinaus spielt Marion Barbeau kindlich zart das junge Mädchen, das über den Verlust des Geliebten glaubhaft verzweifelt.

Im phänomenalen Ensemble ragen  weiter heraus: EMILIE COZETTE als Mutter, die sozusagen mit ihren Armen einen klassischen Brakedance vorführt und NAIS DUBOSCQ, die im arabischen Tanz eine körperliche Meisterleistung vollbringt, in der Gleichzeitigkeit arabischer Kopfbewegungen und klassischer schwerster Beinarbeit. Das Coprs begeistert durch einzigartige Präzision in den Ensembleszenen.

Das Orchester de l´Opera national de Paris ist meist auf der Höhe, jedoch nicht immer mit der letzten romantischen Inbrunst dabei, wie man sie bei Tschaikowski gerne hätte. Manches könnte weniger schwerfällig und im Opernteil auch deutlich durchsichtiger sein. Die intonatorische Feinabstimmung der Bläser läßt Wünsche offen. Dirigent TOMAS HANUS bemüht sich nach Kräften und ihm gelingen dabei herrliche Momente, gerade die Streicherkantinenen und die großen Oboensoli. Die kleine Chorpartie und die wohlklingenden Kinderstimmen werden vom Graben aus zuverlässig gesungen.

Es ist ein großer, aufwendiger Abend, der alle Künste vereinigt und in jedem Fall dank vieler exeptioneller Einzelleistungen, aber auch dem durchdachten Konzept gelungen ist.

Das (meistenteils Ballett-) Publikum klatscht freundlich bis begeistert Beifall.

Christian Konz

 

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