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PARIS/ Opéra Comique: DER POSTILLON VON LONJUMEAU von Adolphe Adam

Großer Opernabend in Paris

02.04.2019 | Oper


Florie Valiquette, Michael Spyres. Foto: Stefan Brion

Großer Opernabend in Paris: „Der Postillon von Lonjumeau“ von Adolphe Adam (Vorstellung: 1. 4. 2019)

Die auch in Frankreich nur selten gespielte Oper „Der Postillon von Lonjumeau“ von Adolphe Adam kam nun an der Opéra Comique in Paris zur Aufführung, wo sie im Jahr 1836  ihre Uraufführung hatte. Diese Koproduktion mit der Opéra de Rouen Normandie (mit französischen und englischen Übertiteln) wurde ein besonderer Opernabend, der vom Publikum mit großer Begeisterung aufgenommen wurde.

Die dreiaktige Opéra-comique, deren Libretto von Adolphe de Leuven und Léon-Lévy Brunswick stammt, in Kurzfassung:  Der zufällig durch das Dorf Lonjumeau reisende Marquis de Corcy hört eine ungewöhnlich schöne Stimme und wittert einen neuen Star für die Pariser Oper. Er macht dem Postillon Chapelou, der eben mit Madeleine Hochzeit feiert, das Angebot, seine Stimme in Paris ausbilden zu lassen. Chapelou nimmt das Angebot ohne Zögern an und verlässt noch am gleichen Abend heimlich Madeleine. – Zehn Jahre später ist Chapelou unter dem Namen Saint-Phar umschwärmter Operntenor und ein Liebling der Pariser Salons. Seine neueste Liebe ist Madame de Latour, hinter der sich unerkannt Madeleine verbirgt, die den Titel und ein Vermögen geerbt hat. Sie liebt Chapelou immer noch, will ihm aber eine Lehre erteilen und listet ihm das Eheversprechen ab. Saint-Phar überredet seinen alten Freund Bijou, bei einer Scheinheirat den Priester zu spielen. Der eifersüchtige Marquis, der das Gespräch belauschte, verrät es Madeleine, die daraufhin einen echten Priester ruft. – Die Situation spitzt sich zu, als Saint-Phar erfährt, dass seine zweite Heirat kein Spiel war und der Marquis ihn der Bigamie anklagen will. Madeleine wiederum gibt sich abwechselnd als Gastwirtin und als Madame de Latour. Erst als die Polizei Saint-Phar festnehmen will, enthüllt Madeleine lächelnd ihre Intrige. Chapelou hat sie zweimal geheiratet, was kein Verbrechen darstellt.  

Adolphe Adam (1803 – 1856) war der Sohn eines Komponisten und Pianisten. Er studierte

  1. a. bei Boieldieu, dem er 1825 bei den Vorbereitungen zur Dame blanche half. Im gleichen Jahr erhielt er den Rom-Preis der Akademie. Schon seine an der Opéra Comique aufgeführten Zwei- und Einakter Pierre et Catherine und Le chalet fanden größeren Anklang. Den nachhaltigsten Erfolg feierte er 1836 mit seiner Oper Le postillon de Lonjumeau und danach mit seinen beiden Balletten Giselle und Le Corsaire. Als er sich 1844 mit der Direktion der Opéra Comique überwarf und 1848 mit der in eigener Verantwortung gegründeten Opéra National finanziellen Schiffbruch erlitt, war er vor allem als Musikkritiker und Klavierlehrer tätig. Im Jahr 1852 erlebte er mit Si j’étais roi und La poupée de Nuremberg ein grandioses künstlerisches Comeback.

Durch die Koproduktion mit Rouen waren auch der Chor und das Orchester in der Opéra Comique aus der Opéra de Rouen Normandie, deren musikalische Leitung äußerst temperamentvoll Sébastien Rouland innehatte. Es gelang dem Orchester wunderbar, die  lyrischen Töne der Partitur genauso exzellent wiederzugeben wie die pastorale Ornamentik.


Michael Spyres und Ensemble. Foto: Stefan Brion

Regisseur Michel Fau gelang eine launisch-humorvolle Inszenierung, ohne in billigen Klamauk zu verfallen. Für die barockhaften Bühnenbilder zeichnete Emmanuel Charles verantwortlich, die nicht weniger barockhaften Kostüme entwarf Christian Lacroix.

Die internationale Besetzung des Sängerensembles bürgte nicht nur für erstklassige Stimmen, sondern zeichnete sich auch durch subtiles komödiantisches Spiel aus. Allen voran der amerikanische Tenor Michael Spyres in der Titelrolle. Er begeisterte das Publikum nicht nur durch die scheinbar mühelos gesungenen hohen Töne – „Chapelous Rondo Mes amis, écoutez l’histoire, ein Bravourstück für jeden Tenor mit sicherer Höhe“, wie Reclams Opernführer schreibt –, sondern des Öfteren auch durch seine fast clownesken Einfälle! Ihm ebenbürtig die franko-kanadische Sopranistin Florie Valiquette als Madeleine und Madame de Latour, die gleichfalls stimmlich wie schauspielerisch überzeugte. Virtuos gesungen ihre Arie Je vais donc le revoir (Ich werde ihn also wiedersehen) zu Beginn des zweiten Akts.

In der Rolle ihrer Kammerfrau Rose, einer Sprechrolle, „tobte“ sich Regisseur Michel Fau in Frauenkleidern komödiantisch aus. Er strapazierte gekonnt die Lachmuskeln des Publikums und erhielt für seine Leistung am Schluss viele „Bravos“! Sehr humoristisch agierte auch der französische Bariton Franck Leguérinel in der Rolle des Marquis de Corcy, Kammerherr des Königs und Direktor der Opéra. Auch er bekam immer wieder Szenenapplaus für seine kabarettreifen Auftritte.

Des Postillons alter Freund Bijou, der aus Karrieregründen nach Paris mitgekommen war, es aber bloß zum Chorleiter Alcindor schaffte, wurde vom belgischen Bass-Bariton Laurent Kubla dargestellt. Auch er agierte sehr humorvoll und bestach im 2. Akt durch seine Arie Oui, des choristes du théâtre (Ja, Choristen vom Theater), in der er auf witzige Art die Tonleiter rauf und runter zu singen hatte. In zwei kleineren Rollen standen noch der Bariton Julien Clément als Chorführer Bourdon und der Schauspieler Yannis Ezziadi als König Louis XV. auf der Bühne.  

Am Schluss der knapp dreistündigen Vorstellung gab es vom begeisterten Publikum minutenlang frenetischen Beifall, für Michael Spyres viele „Bravo“-Rufe, für Florie Valiquette „Brava“– und für das Orchester und seinen Dirigenten Sébastian Rouland  „Bravi“-Rufe. Starken Sonderapplaus bekamen Franck Leguérinel und Michel Fau.

Ich kann nur noch sagen: Paris war eine Reise wert!

Udo Pacolt

 

 

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