PALERMO/Teatro Biondo: MINETTI von Thomas Bernhard am 12.3.2016
1976 schrieb Thomas Bernhard für seinen Lieblingsschauspieler Bernhard Minetti eigens ein Stück, das als Zeichen besonderer Zuneigung(oder besonderer Bosheit?) auch dessen Namen im Titel trägt.
40 Jahre danach hat sich jetzt das Teatro Biondo in Palermo an eine italienische Aufführung gewagt, und das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen.
Copyright: Teatro Biondo
Zu verdanken ist das natürlich in erster Linie dem Hauptdarsteller, Roberto Herlitzka. Der 84jährige ist unter Garantie nicht nur einer der hervorragendsten Schauspieler seiner Generation, sondern einer der besten überhaupt. Und er ist vor allem einer der ganz wenigen Italiens, der so überhaupt keinen Hang zum leider landesüblichen, von vielen seiner Kollegen vertretenen volltönenden Bühnen-Pathos hat. Seine raffinierte Kunst besteht darin, jede Geste, jeden Satz, so einfach und leicht erscheinen zu lassen, als ob das alles ganz „natürlich“ wäre.
Ähnliche Komplimente lassen sich dem sizilianischen Regisseur Roberto Andò machen, der gleichfalls jegliche Plakativität und Effekthascherei bewusst meidet. Mit „Minetti“ präsentiert er hier – in den schönen Bühnenbildern von Gianni Carluccio – ein weiteres Mal eine äußerst subtil gearbeitete, präzise, besonders auch auf LIchteinstellungen und Tonzuspielungen wertlegende Inszenierung. Im Vergleich zum immer zu realistischen Claus Peymann (der die Premiere in Stuttgart geleitet hatte) entdeckt er auch viel mehr mysteriöse, onirische, symbolische – und auch herzhaft komische Elemente in dem Stück, das die Jahrzehnte erstaunlich unverbraucht überstanden hat.
Dem phänomenalen und phänomenal bewegenden Herlitzka zur Seite stehen sehr gut besetzte und sehr gut geführte Darsteller/innen in den Nebenrollen: Roberta Sferzi als Frau in Rot, Verdiana Costanzo als an die Leartochter Cordelia erinnerndes junges Mädchen, Vincenzo Pasquariello als klavierspielender Hotelportier und mehrere bewegungsbegabte Komparsen in Ensor-Masken.
Thomas Bernhard ist in Italien natürlich nicht der grosse Renner, aber der Mut der Verantwortlichen des Biondo hat sich dennoch gelohnt: denn nicht nur bedachten die Zuschauer im nicht ausverkauften Haus das gesamte Team mit einhelligem Jubel, sondern die Produktion wurde auch von den Theatern in Rom, Turin und Mailand „gekauft“ und wird dort im Laufe des Jahres gezeigt werden. Sehenswert !
Robert Quitta, Palermo