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POYSDORF /Kellergstetten-Bühne: ARIADNE AUF NAXOS konzertant

Klassik am Platz mit Richard Strauss

14.08.2021 | Konzert/Liederabende
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Blick auf die Kellergstetten-Bühne. Foto: Gesine Görlich-Fletzberger

POYSDORF / Kellergstetten-Bühne: ARIADNE AUF NAXOS konzertant

13. August 2021

Von Manfred A. Schmid

Eine Woche nach dem musikalisch gelungenen Auftakt mit Mahlers Das Lied von der Erde steht im Weinviertler Sommerfestival Klassik am Platz im Kellergassenviertel von Poysdorf eine konzertante Wiedergabe der Strauss-Oper Ariadne auf Naxos auf dem Programm. Vorangestellt ist eine Suite von Richard Strauss, die mit der Oper entstehungsmäßig eng verknüpft ist. Damit wird das Festival seinem Namen Klassik am Platz mehr als gerecht. Und dass das anspruchsvolle Konzept auch sein Publikum finden wird, zeichnet sich schon beim zweiten, diesmal schon recht gut besuchten Konzert ab.

„Wir sind da um zu bleiben“, versichert denn auch Matthias Fletzberger, Intendant und musikalischer Leiter des Unternehmens, in seiner Begrüßung. Der direkte Kontakt zum Publikum scheint ihm ein großes Anliegen zu sein: Im ersten Teil meldet er sich zwischen den sechs ausgewählten Stücken der Suite Der Bürger als Edelmann mit kurzen Erläuterungen zu Wort. Ein „Gesprächskonzert“ wie es sein soll. Die neoklassizistische Komposition, die von der französischen Barockmusik Jean-Baptiste Lullys inspiriert ist, entstand aus einer Kooperation mit Hugo von Hofmannsthal. Die Grundlage, eine ungewöhnliche Mixtur aus Theaterstück und Musik, hat sich auf der Bühne allerdings nicht durchgesetzt, gilt aber als Vorstufe zur später entstandenen Oper Ariadne auf Naxos. Inhaltlich geht es in der Suite um einen neureichen Monsieur Jourdain, der mit aufgesetztem Imponiergehabe Zugang in adelige Kreise finden will, was musikalisch genial karikiert wird. Dazu gehört u.a. eine höchst merkwürdige, spieltechnisch fordernde Anhäufung von Doppelgriffen auf der Geige – bravourös der Konzertmeister Dominik Hellsberg, sowie ein kurzes, süßlich-aufdringliches Cellokonzert, von Bertin Christlbauer als Solist so intensiv gestaltet, als ob es sich dabei um Edward Elgars berühmtes Meisterwerk handeln würde, mit dem es tatsächlich einige Affinitäten aufzuweisen hat. Genüsslich zelebriert Matthias Fletzberger am Pult das abschließende Stück „Das Diner“, eine Art komponierte Speisekarte. Mit Augenzwinkern komponiert und vom Ensemble am Platz mit Augenzwinkern ausgeführt, erfreut man sich an einer Fülle köstlicher musikalischer Zitate: Richard Wagners tonmalerische Wellen aus Rheingold erklingen in „Salmen vom Rhein“, im Stück „Hammelkeule nach italienischer Weis“ wird das Schafsgeblöke aus seiner eigenen Tondichtung Don Quixote serviert, und das Vogelgezwitscher aus dem Rosenkavalier begleitet den Gang „Drosseln und Lerchen auf „Salbei und Thymian“. Das Ensemble blüht förmlich auf – vom musikalischen Kammerspiel bis zur „trunkenen Geierlichkeit“. Dankbarer Applaus – und das Publikum wird in die Pause entlassen. Kulinarische Verköstigung und Wein gehören zum Konzept von Klassik am Platz dazu. Der während der Pause servierte Schweinsbraten (Bayreuth!) ist vorzubestellen und duftet jedenfalls köstlich, meint Ihr kurzfristig zum Gastrokritiker mutierte Rezensent. Doch der involvierte Heurigenbetrieb muss in Zukunft logistisch noch besser werden, wenn er den Unmut der Warteschlange zügeln will.

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Camilla Nylund (Ariadne), Matthias Fletzberger (Dirigent) und Anton Saris (Bacchus). Foto: Martina Schmid-Kammerlander

Die folgende konzertante Wiedergabe der  Ariadne auf Naxos steht im Mittelpunkt des Sommernachtkonzerts. Die tragische Handlung der Oper wird – so das höchst originelle Konzept Hofmannsthals – nach dem Willen des neureichen Auftraggebers, in dessen Haus sie stattfindet, immer wieder durch burleske Interventionen unterbrochen und gestört. Auf dieses komödiantische Element der Oper wird bei der Aufführung in Poysdorf – mit einer Ausnahme, dem Auftritt des Harlekins – verzichtet. Es fehlen somit – abgesehen von dem durch die Suite ersetzten Vorspiel – die beiden Buffo-Quintette und die Arie der Zerbinetta. Dadurch wird die Aufmerksamkeit ganz auf das Schicksal Ariadnes gelenkt. Camilla Nylund zeichnet in der Titelpartie mit ihrem hochdramatischen, silbrig-hellen und zugleich warmen Sopran den Weg aus tiefster Verzweiflung und Todessehnsucht hin zu einer unvermuteten Liebesbeziehung zu dem aus dem Meer auftauchenden und sich ihr behutsam nähernden und sie bestrickenden Bacchus. Wie schon in Die Frau ohne Schatten an der Staatsoper bestätigt die finnische Sängerin, dass es derzeit kaum eine idealere Strauss-Sopranistin gibt. Sie bezaubert mit ihrer glasklaren, textverständlichen Ariadne das Publikum – und natürlich auch Bacchus, der mit ihrem Ehemann, aus Holland stammenden Tenor Anton Saris besetzt ist. Ein höhensicherer Bacchus, fein timbriert und stark genug, um auf der Open-Air-Bühne mit seinen fordernden „Circe“-Rufen bestehen zu können.

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Yungsoon Kim (Najade), Alina Dragnea (Dryade), Celinas Hubmann (Echo). Foto: Gesine Görlich-Fletzberger

Gesanglich eine Freude ist auch das homogen klingende Terzett der Nymphen. Yungsoom Kim (Najade), Alina Dragnea (Dryade) und Celina Hubmann (Echo) singen mit inniger Zartheit und sind, obwohl etwas außerhalb der Bühne und ohne Dach positioniert, dennoch gut hörbar. Betörender, zauberhafter Gesang.

Bemerkenswert ist Georg Lehner als Harlekin. Ein Bariton der erst nach mehrjähriger Berufstätigkeit als Oboist mit den Wiener Symphonikern und den Philharmonikern zum Gesang gefunden hat und sich in der Rolle des Harlekin, als feinsinnig komödiantische Bereicherung, bestens bewährt.

Das Ensemble am Platz eerweist sich trotz der sparsamen Besetzung auch als gut funktionierendes Opernorchester. Erstaunlich, wie es unter der Stabführung von Matthias Fletzberger gegen Schluss der Oper plötzlich mit so großer Klanggewalt aufspielt, als ob es darum ginge, Wagners Götterdämmerung Konkurrenz zu machen, was aber der Partitur durchaus entspricht. Für viele in der Zuhörerschaft könnte dieser Klassikabend der erste Besuch einer Oper gewesen sein. Dass hier der bei einigen der Funken übergesprungen sein mag, ist nicht ausgeschlossen. Der kräftige Applaus und viele Bravorufe legen das jedenfalls nahe. Eine guter Anfang ist gemacht. Klassik am Platz ist hier richtig am Platz und mit seinem anspruchsvollen und anregend zusammengestellten Programm, abseits von Donizetti und Rossini, eine echte Bereicherung der niederösterreichischen Festspielszene im Umkreis von Wien. Man möchte sie im nächsten Jahr nicht missen müssen.

 

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