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P. I. TCHAIKOVSKY: VIOLINKONZERT, STREICHQUARTETT Nr. 3 arr. für Streichorchester, ANTJE WEITHAAS, Camerata Bern; CAvi Records CD

16.03.2018 | cd

P. I. TCHAIKOVSKY: VIOLINKONZERT, STREICHQUARTETT Nr. 3 arr. für Streichorchester, ANTJE WEITHAAS, Camerata Bern; CAvi Records CD

 

„Letztlich lieben wir die Sehnsucht, nicht das Ersehnte“ Friedrich Nietzsche

 

Nach dem Violinkonzert von Brahms ist dies nun die zweite Studio-Zusammenarbeit der in Berlin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler tätigen Antje Weithaas mit der Camerata Bern. Frau Weithaas ist mit mehreren umspannenden Projekten auf dem Tonträgermarkt erfolgreich aktiv. So sind gerade Gesamteinspielungen der Solosonaten und –partiten Bachs und der Solosonaten des belgischen Komponisten Eugène Ysaÿe im Entstehen. Auch die Gesamteinspielung aller Werke von Bruch für Violine und Orchester beim Label cpo hat für mediale Furore gesorgt.

 

Das aktuelle Album ist dem berühmten Violinkonzert in D-Dur Op. 35 von P. I. Tchaikovsky und einer Bearbeitung dessen dritten Streichquartetts in es-Moll Op. 30 für Streichorchester gewidmet. Begleitet wird die Solistin von der bisweilen trocken klingenden Camerata Bern, allerdings kommt man ohne Dirigenten aus. Antje Weithaas ist eine ganz und gar wunderbare Interpretin des hochromantischen russischen Violinkonzerts. Sie hat auf die Urtext Ausgabe von Henle zurückgegriffen und versucht, einen frischen Zugang zu finden, die Tradition zu hinterfragen und Tchaikovskys Temporelationen, Dynamik, Artikulation ernst zu nehmen. Und siehe da, das Ergebnis ist außerordentlich. Natürlich trägt der sehnige, aber stets feine Klang ihres Instruments zum Gelingen bei. Bei Weithaas gibt es kein triefendes Schmalz und somit keine übertriebenen Portamenti, kein überbordendes Vibrato und keine oberflächliche Gefühligkeit. Ihr Spiel ist ganz der Noblesse der Komposition und ihres Autors geschuldet. Als interpretatorisches Vorbild nennt sie David Oistrach.

 

Weithaas interessiert sich für die in der Musik zum Ausdruck kommende Melancholie und Sehnsucht, also im Endeffekt die tragische autobiographische Entstehungsgeschichte rund um die mit wehenden Fahnen gescheiterte Ehe mit Antonina Iwanowna Miljukowa. Weithaas‘ Annäherung kann im Einklang mit der emotionalen Tiefe tatsächlich immer als elegant und aristokratisch, als „introvertiert“ virtuos beschrieben werden. Auch die Bearbeitung des Streichquartetts ist in diesem Kontext zu sehen. Sie bekommt „durch die Hinzufügung des Kontrabasses noch eine andere Dimension an Traurigkeit, Tiefe und Dunkelheit.“ Antje Weithaas spielt mit hell silbrig leuchtender, natürlicher Tongebung, entlockt ihrem modernen Instrument von Peter Greiner aus dem Jahr 2001 eine Fülle an Details und legt so die französischen Einflüsse auf die Partitur offen, ohne je den sanglichen Bogen und eine schwebende Leichtigkeit in der Phrasierung preiszugeben. Falls das im Stehen spielende Orchester sich noch etwas am Glanz und schönen Ton der Chefin berauscht hätte, wäre die Aufnahme perfekt.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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