Österreich/ Großarltal – Wandern zu Almen und Kapellen, 08.07.2013
von Ursula Wiegand
Pünktlich stehen wir „gestiefelt und gespornt“ vorm Hotel Alte Post und steigen geschwind in den Bus. Wir wollen ins schöne Ellmautal, genauer gesagt hinauf zur 1.710 m hoch gelegenen Filzmoosalm. Startpunkt ist die 6 km entfernte Station Grundlehen.
Großarltal, Start zur Almenwanderung. Foto: Ursula Wiegand
Zumeist wandert Toni (Anton) Knapp, Chef der Alten Post, mit seinen Gästen. Der fitte 63-Jährige macht das schon seit 1975 und ist Pionier auf diesem Gebiet. Seit 16 Jahren gehört sein Haus zu den länderübergreifenden Wanderhotels „best alpine“. Gerade ist er von dieser Gemeinschaft zum „besten Wanderhotelier 2012“ gekürt worden.
Im Schnitt macht er jährlich 120 solcher Gratis-Touren, von einfach bis anspruchsvoll. „84.000 Höhenmeter waren es im Vorjahr,“ sagt er lächelnd. Das kommt offenbar gut an, denn 60 Prozent sind Stammgäste.
Wer als Newcomer ohne die richtige Ausrüstung anreist, kann kostenlos einen Rucksack, Gamaschen, Teleskopstöcke usw. ausleihen. Bei 7-tätigem Aufenthalt gibt’s den Rucksack und 1 Paar Spezialsocken für blasenfreies Wandern sogar als Geschenk.
Großarltal, Almenwanderung, Guggi zeigt Blüte. Foto: Ursula Wiegand
An diesem Morgen nieselt es. Na und? Das ist weit weniger anstrengend als bei plus 30 Grad bergan zu schnaufen. Überdies gibt es kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Also setzt Guggi Kendlbacher, die diesmal die Tour führt, den Filzhut auf. Gutgelaunt machen sich alle, darunter zahlreiche Wiener, auf den Weg, und bald geht’s über Stock und Stein aufwärts. Gut, dass ich mir Stöcke ausgeborgt habe.
Denn die kriegen im Großarltal beim Anstieg zu den 40 bewirtschafteten Almhütten – ein Rekord im Salzburger Land – viel zu tun. Nach gut 1 Stunde ist die urige Filzmoosalm erreicht.
Großarltal, Filzmoosalm, Eingang. Foto: Ursula Wiegand
Draußen grasen die Kühe, drinnen können wir uns bei Christel und Silvester Prommegger deftig stärken und durch den nun leeren Stall total traditionell zum Plumpsklo (mit Kunststoffbrille) stapfen. Bei sonnigem Wetter vespern die Wanderer vor der Hütte und können dort auch übernachten.
Großarltal, Almenwanderung. Foto: Ursula Wiegand
Wir aber gehen – vorbei an der vor zwei Jahren neu erbauten Loosbühelalm (1.769 m) – bis zur Weißalm (1.724 m), leichtes Kraxeln inbegriffen. Hinter der groben Schindelholzfassade verbergen sich gemütliche Gasträume. Im großen Kupferkessel wird über offenem Feuer noch immer Sauerkäse hergestellt. Einige stärken sich mit Speckbrot, Leberknödelsuppe und Apfelstrudel fürs Bergab.
Sämtliche Almhütten lassen sich auch individuell erreichen, sind doch im Großarltal alle Wanderwege – insgesamt 400 km – gut ausgeschildert und markiert. Eines mache ich ohnehin lieber alleine: den 17 km langen Kapellen-Wanderweg und verteile ihn auf zwei Tage.
Großarl mit seiner Pfarrkirche. Foto: Ursula Wiegand
Mit der Broschüre in der Hand beginne ich mit der Pfarrkirche von Großarl, bewundere drinnen die prächtige barocke Ausgestaltung und biege dann, dem bunten Kapellchen-Zeichen folgend, in den aufwärts führenden Pfad hinter dem Friedhof ein. Radler oder Menschen mit Kinderwagen bleiben unten auf der Straße und links vom Fluss, der Großarler Ache. Die Wege treffen sich später am Ortsausgang bei der Station Nr. 1, der hübschen Laireitingkapelle von 1860.
Großarltal, Laireitingkapelle, um 1860. Foto: Ursula Wiegand
Die Tür ist – wie bei allen 11 Kapellen – unverschlossen. Die Wanderer sollen hineingehen und sich etwas Zeit nehmen. Tipps zum Nachdenken, einen frommen Wunsch und eine Wegbeschreibung bis zum nächsten Kirchlein bietet das Heft ebenfalls.
In der Laireitingkapelle erwartet die Besucher eine Strahlenkranzmadonna mit dem Jesuskind aus dem 17. Jahrhundert (Kopie). Eine Tafel informiert über die Erbauer und späteren Besitzer. Alle diese Kapellen wurden privat errichtet und befinden sich bis auf eine Ausnahme in Familienhand. Eine Perlenkette aus Volksfrömmigkeit, Dankbarkeit, wichtigen Wünschen oder Gelübden bis zum Talschluss.
Großarltal, Bichlkapelle, 17. Jh. Foto: Ursula Wiegand
Noch älter als die Laireitingkapelle ist die Nr. 2, die niedliche Bichlkapelle aus dem 17. Jahrhundert. Ein Grauhaariger radelt dorthin, wird drinnen vielleicht seine Finger in das klitzekleine Weihwasserschälchen tunken und dann ein Gebet sprechen. Mitunter wird auch die betagte Glocke geläutet, die während der beiden Weltkriege im Turm der Pfarrkirche Großarl untergebracht war. Auf diese Weise hat man sie vor dem Einschmelzen bewahrt.
Großarltal, Figlerkapelle, 1990 mit Tränke. Foto: Ursula Wiegand
Erst 23 Jahre alt ist die Figler-Kapelle. „Mutter der Gnaden“ steht über dem Eingang. Verständlich, dass drinnen eine Marienstatue zu sehen ist, aber auch ein altes, wurmstichiges Kruzifix.
Großarltal, Griesbichlkapelle von 2012. Foto: Ursula Wiegand
Die jüngste im Bunde, die Griesbichlkapelle von 2012, hat ebenfalls Tradition. Sie ersetzt ihre marode Vorgängerin, steht nun auch näher am Haus der Familie. Auf diese Weise wurde gleich Platz für den neuen Radweg geschaffen. Dennoch sollten die Radler nicht achtlos vorbeibrausen.
Auch die Wanderer und Pilger Richtung Neuhofkapelle sollten, wenn sie gut zu Fuß sind, die Hauptstraße überqueren und den 2,3 km langen, gekennzeichneten Pfad auf halber Höhe über Wiesen und Kuhweiden nehmen.
Großarltal, Hüttschlag mit Pfarrkirche von 1679. Foto: Ursula Wiegand
Ehrlich gesagt flößen mir als Städterin frei laufende Kühe stets etwas Furcht ein, doch die grasen an diesem Vormittag weit entfernt. Ungestört schweift der Blick übers Tal bis nach Hüttschlag mit seiner hellen Pfarrkirche.
Großarltal, Neuhofkapelle, 1880. Foto: Ursula Wiegand
Zuvor ist jedoch die Neuhofkapelle von 1880 an der Reihe. Die ist dem Hl. Johannes Nepomuk geweiht, dem Schutzpatron gegen Hochwasser und Muren. In Prag (auf der Karlsbrücke) war er in diesem Jahr überfordert. Vielleicht hat er stattdessen das Großarltal beschützt.
Gleich am Dorfeingang begrüßt die Schappachkapelle, erbaut im 19. Jahrhundert, die Ankömmlinge. Da drinnen ein Tischler werkelt, gehe ich weiter zur 1679 errichteten Pfarrkirche St. Josef. Das Hochaltar-Gemälde zeigt, wie er Maria und das Jesuskind wachsam im Auge hat, während rechts unten bereits ein Teufel lauert.
Großarltal, Hüttschlag, Pfarrkirche, Hochaltar-Ausschnitt. Foto: Ursula Wiegand
Gegenüber der Kirche erhebt sich fast lotrecht die Hüttschlager Wand. Auf zwei gesicherten, aber äußerst schwierigen Klettersteigen können Wagemutige nun 150 Meter senkrechten Fels bezwingen. „Wer hinunterschaut hat den Eindruck, beim Absturz direkt auf dem Friedhof neben der Kirche zu landen,“ weiß Thomas Wirnsperger, Chef vom Tourismusverband Großarltal.
Dafür habe ich keine Kondition und steuere lieber das Hotel Almrösl an, ist doch der Kapellenweg eine Idee der Wirtin Helga Zraunig. Von ihr, Mutter von drei Kindern und Absolventin des Master-Uni-Lehrgangs „Health & Fitness“, stammen die frommen Wünsche – geformt nach den 10 Geboten – die in der Broschüre zu lesen sind. Das kontinuierliche Fortschreiten auf dem Kapellenweg kommt nach ihren Worten „fast schon einer Meditation gleich.“ Auf den Bänken, die neben den Kapellen und am Wegesrand stehen, kann man/frau beim Rasten darüber nachsinnen.
Großarltal, Wolfaukapelle von 1979. Foto: Ursula Wiegand
Hüttschlag ist tagsdarauf auch mein Start für die 2. Etappe. Hinter der Kirche gehe ich bis Wolfau und biege mitten im Ort rechts ab. Neben einem altersdunklen Bauernhaus mit leuchtendem Blumenschmuck führt ein kurzer Wiesenweg zur Wolfaukapelle, erbaut 1977-1979. Die ist dem Hl. Christophorus zugedacht, der bekanntlich den kleinen Jesus durch die Fluten getragen hat. Hier fungiert er jedoch als Patron der Kraftfahrer. Wasser ist dort oben am Waldrand kein Thema.
Großarltal, Karteiskapelle, Schutzmantelmadonna. Foto: Ursula Wiegand
Ganz anders bei der am Flüsschen gelegenen Karteiskapelle von 1992. Der Bach ist nahe, aber die Menschen vertrauen wohl auf die Schutzmantelmadonna, die drinnen aufgestellt wurde.
Großarltal, Maurachkapelle am munteren Flüsschen. Foto: Ursula Wiegand
Auch die Maurachkapelle haben die Bauern der Umgebung in 1954 direkt neben einem munteren Flüsschen errichtet. Das verhält sich wohl brav. Denn wie zu lesen ist, wird in diesem Kirchlein viel gebetet und gelegentlich eine hl. Messe gefeiert.
Großarltal, Talschluss, Hubertuskapelle, 1880. Foto: Ursula Wiegand
St. Hubertus, der Patron der Jäger, wurde am Talschluss mit einer Kapelle bedacht. Mit ihrer dunklen Holzschindelfassade und einem ebensolchen Dach ist sie ein Unikat auf diesem Kapellenweg. Der Karteisbauer, der sie 1880 erbaute, ging sicherlich gerne auf die Jagd. Seit 1996 ist der „Nationalparkverein Hohe Tauern Hüttschlag“ Besitzer und Betreuer der Hubertuskapelle.
Großarltal, Talschluss, Pertillkapelle. Foto: Ursula Wiegand
Nur wenige Schritte sind es von hier zur letzten kleinen Perle, der Pertillkapelle von 1951. Auf einem Holzschild über der Tür bedanken sich die beiden Erbauer – vermutlich zwei Soldaten – „für glückliche Heimkehr aus schrecklicher Zeit“. 1939-1945 steht darunter, gemeint ist der Zweite Weltkrieg. Seither herrscht in Deutschland, Österreich und anderen Staaten Mitteleuropas Frieden. Wie wunderbar!
Liechtensteinklamm mit Steg und Besuchern Foto: Ursula Wiegand
So sind es nur die wilden Wasser der Liechtensteinklamm, die außerhalb des Großarltals mit Getöse, aber gut gebändigt vor den Augen der Besucher in die Tiefe rauschen.
Auskünfte beim Tourismusverband Großarltal unter Tel. 0043-(0)6414-281 und unter www.grossarltal.info. Hotel Alte Post erreichbar unter Te. 0043-(0)6414 207 und www.altepost.cc. Shuttle-Service für Gäste, die per Flugzeug über Salzburg anreisen.