Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

OSNABRÜCK/Theater am Domhof: „DON QUICHOTTE AUF DER HOCHZEIT DES COMACHO“ von Telemann. Barock-Rarität als Kinderoper

03.05.2016 | Oper

Barock-Rarität als Kinderoper: „Don Quichotte auf der Hochzeit des Comacho“ von Telemann (3. 5. 2016)

quichotte_3_klein
Beim Anblick des Fotos der deutschen Kanzlerin Merkel erleidet Don Quichotte einen Schock (Foto: Uwe Lewandowski)

Das Theater am Domhof in Osnabrück brachte am 3.Mai 2016 im Oberen Foyer die Barock-Rarität „Don Quichotte auf der Hochzeit des Comacho“ von Georg Philipp Telemann in Kooperation mit den Hochschulen für Musik Hannover und Bremen als Kinderoper. Der Komponist hatte das Werk im Jahr 1761 als 80-Jähriger sechs Jahre vor seinem Tod geschrieben. Das Libretto verfasste sein um sechzig Jahre jüngerer Schüler Daniel Schiebeler nach einer Episode des Romans von Miguel de Cervantes.

Die Handlung dieser Episode in Kurzfassung: Auf den berühmten Ritter Don Quichotte und seinen Knappen Sancho Pansa wartet ein neues Abenteuer, das sie mitten in eine Hochzeitsgesellschaft führt. Basilio, ein mehr vom Pech als von Glück verfolgter Viehhirte, liebt die wunderschöne Schäferin Quiteria, die aber – gegen ihren Willen und ihr Gefühl – Comacho, dem reichsten Hirten der Gegend, versprochen ist. Als die ausgelassene Feier beginnt, wird der vermeintlich schwer verletzte Basilio auf einer Bahre hereingetragen. Von einem Dolch durchbohrt und dem Tode nahe, hat er den sehnsüchtigen Wunsch, ein letztes Mal die Hand seiner geliebten Quitera zu halten. Als ihm die Bitte gewährt wird, gesundet Basilio – der Dolch steckte bloß in seinen Kleidern. Nachdem der Trick durchschaut wurde, stehen die Zeichen auf Sturm. Doch wieder einmal ist der erfahrene Ritter Don Quichotte gefragt und verhilft den beiden jungen Verliebten zum Glück.

Der jungen deutschen Regisseurin Clara Kalus gelang eine kindergerechte Inszenierung, die die Kleinen in ihren Bann zog. Mit großen Augen und mucksmäuschenstill verfolgten sie, teils auf dem Boden, teils auf Stühlen sitzend, die Handlung und bejubelten am Schluss die Darsteller und Musiker. Eine gute Idee der Regisseurin war, die Sängerinnen und Sänger im ganzen Foyer agieren zu lassen, wodurch auch die Kleinen ein wenig in Bewegung blieben und ihren Hals verrenken mussten, um alles sehen zu können. Mehr als eine Stunde nur ruhig sitzen, wäre den 6- bis 8-Jährigen wohl kaum zuzumuten. Zu Beginn ließ die Regisseurin das Stück im Labor einer Klinik spielen, wo Don Quichotte und Sancho Pansa zum Leben erweckt werden und auf Zimmer-Fahrrädern – als Ersatz für ihre Pferde – Kondition tanken.

Die Ärzte und Krankenschwestern entledigten sich dann ihrer weißen Kleidung (Bühne und Kostüme: Julia Kerk) und mutierten schließlich zur Hochzeitsgesellschaft.

In der Titelrolle konnte der litauische Bassbariton Genadijus Bergorulko sein komisches Talent und seine sportliche Beweglichkeit unter Beweis stellen. Er kämpfte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Utensilien (Holzbrett, Kartonrollen, Lineal etc.), um seine oft unsichtbaren Feinde zu besiegen (Kampfchoreographie: Ulrike Schumann).  Ihm zur Seite der junge schlaksige deutsche Bariton Äneas Humm in der Rolle des Sancho Pansa – das genaue Gegenstück: ohne Temperament, dafür mit stetem Hunger nach Essbarem. Eine gute Mischung für die humorvollen und oft komischen Szenen.

Die Rolle des reichen Comacho verkörperte der Countertenor Alexander Masters, der im „Vorspiel“ den Chefarzt mimte, als unsympathisch wirkenden Macho, dem niemand die hübsche Schäferin Quiteria gönnte, die von der jungen Sopranistin Magdalena Hinz anmutig dargestellt wurde. Sie ließ sich vor der Vorstellung als stark verkühlt ansagen und sang dementsprechend nicht mit voller Kraft. Gespielt hat sie ihre Rolle jedenfalls gut. Ebenso der junge österreichische Bariton Max Müller als Viehhirte, der schließlich seine Geliebte in die Arme schließen konnte. Stimmlich überzeugend waren als Pedrillo die Mezzosopranistin Gabriella Guilfoil und als Grisostomo die ungarische Sopranistin Réka Kristóf, die beide zuerst als Krankenschwestern stumme Rollen zu spielen hatten.

Das Osnabrücker Symphonieorchester, das vom koreanischen Dirigenten An-Hoon Song sehr umsichtig geleitet wurde, brachte die von musikalischem Witz sprühende Partitur Telemanns hervorragend zur Geltung. Laute Beifallskundgebungen für alle Mitwirkenden des zu 90 Prozent sehr jungen Publikums von etwa sechs bis acht Jahren.

Udo Pacolt

 

 

 

Diese Seite drucken