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online-Musik zur Coronazeit: Das Ensemble WISE und ein Aufruf zu verbindender Kultur

11.11.2020 | Konzert/Liederabende


Musikuniversität Wien / Credit: WISE

online-Musik zur Coronazeit: Das Ensemble WISE und ein Aufruf zu verbindender Kultur

Ein Konzert online, aufgespielt wie gehört, kann all diese Emotionen nicht ersetzen, welche beim Musizieren im Konzertsaal in der Wechselwirkung zwischen den Künstlern und deren Publikum erwachsen. Doch im Zwang der Corona-Krise ist für die Musiker notgedrungen aktuell geworden, Musikstücke auf Videos einzuspielen und diese ins Internet zu stellen oder auch das Konzertieren direkt zu übertragen. Viele, sehr viele internationale Solisten und Ensembles haben in den letzten Monaten zu dieser Hilfsmaßnahme gegriffen. Dies ist als wertvoll anzusehen, um sich zu beweisen, um eine Initiative zu ergreifen – und diese musikalischen Demonstrationen können rund um die Welt gehört werden.

Ein schönes Beispiel einer Konzertserie online bieten die KammermusikerInnen von WISE – Wiener Internationales Solisten Ensemble. Die Wiener Violinistin Andrea Nikolić, Primaria von WISE, hat in den Corona-Monaten zwei repräsentative Konzertserien gestaltet. Nach dem CROArT-Festival im Juni mit moderner wie traditioneller Musik von kroatischen, teils auch in Österreich lebenden KomponistInnen zum Abschluss der kroatischen EU-Ratspräsidentschaft, ist nun in einer dreiteiligen Folge VaClaF in Exile / Live from Vienna zu hören. In Zusammenarbeit mit dem Wiener Forschungszentrum exil.arte unter Leitung von Musikwissenschafter Dr. Gerold W. Gruber, der Musikuniversität Wien (auch Ort der Aufnahmen) und dem Kulturforum Sarajewo ist dies ein teilweiser Ersatz für das bedeutende internationale Vareš Classic Festival geworden. Immerhin, trotz der Reisebeschränkungen wurden in Vareš – idyllisch gelegen, früheres Kampfgebiet in Bosnien – zwei Konzerte live vor Publikum gespielt. 

WISE setzt auf Projekte mit engagierten Themen. Ambitioniert erklärt Andrea Nikolic: „Dieses Jahr heißt es: Exil. Dieses Wort bedeutet heutzutage so viel. Nicht nur psychische Flucht, auch seelische – und dies können wir in der jetzigen Pandemiezeit sehr gut verstehen. In drei Konzerten aus Wien haben wir auf starke Musik zu diesen Problematiken gesetzt, mit großem Augenmerk auf zeitgenössische Kompositionen. Denn Musik ist eine Sprache – und wir müssen uns bemühen, die Sprache unserer Zeit, die Musik mit der wir heute leben, zu verstehen und weiter zu geben“.

Außer Exil-KomponistInnen wie Wally Veigl, Julius Bürger, Hans Gál und Wilhelm Grosz wurden Werke von lebenden KomponistInnen programmiert: etwa Gabriele Proy, Johanna Doderer, Thea Musgrave, Lera Auerbach. In Bosnien präsentierten sich die Komponisten Ivan Čavlović und Ališer Sijarić (doch auch Beethoven war zu erleben). Dazu, zum ersten Mal, ist eine Oper zu hören gewesen. Live übertragen aus dem Kroatischen Nationaltheater in Pula: „Caccia lontana“ von Antonio Smareglia (1854 bis 1929, ein vormals geschätzter Opern-Maestro aus Istrien). Andrea Nikolic hat dazu noch einen Literaturabend mit Tanja Stupar Trifunovic, Gewinnerin des EU-Literaturpreises 2016 zum Thema Exil kuratiert. Ein ähnliches Konzept war auch bei dem CRO-ArT Festival im Juni gegeben. Diese stark an Sprache, Kommunikation und Verständnis gebundene Schriftstellerin setzt auf eine wichtige und hoffnungsvolle Botschaft: „Zusammen schaffen wir es besser!“ 


Primaria Andrea Nikolic. Credit: WISE

Nikolic weist auf die zur Zeit so immensen Schwierigkeiten der Musiker hin: „Für die freie Szene ist es kaum möglich sich in diesen Tagen zu präsentieren und finanziell zu überleben. Die Veranstalter haben Angst – wie wird es weitergehen? Denn nach all den zuvor gegebenen Verordnungen haben wir auch jetzt schon wieder keine Auftrittsmöglichkeiten, obwohl bei Konzerten die Ausbreitung von Infektionen kaum gegeben sind.“ Als allgemeine Klage ist in den Musikerkreisen zu hören: Die politischen Maßnahmen für die Kulturbranche sind nicht wirklich geeignet gewesen. Eine vernünftigere Organisation hätte besser helfen können. Nikolic: „Wir bekommen zwar nun die elementare finanzielle Unterstützung. Doch beinahe ein ganzes Jahr lang nicht richtig vor dem Publikum spielen zu dürfen …. und sich auch noch zweifelnd fragen: Wie könnte es weiter gehen? Es ist nicht einfach. Trotzdem, wir dürfen nicht aufgeben. In all den Schwierigkeiten haben wir uns immer wieder neu erfunden und weiter entwickelt, so werden wir es auch jetzt machen. Ich glaube an die Kunst, wir können nicht ohne sie leben. Diese Zeit hat viele Probleme, die uns schon seit Jahren bewusst sind, ganz offen gemacht.“ Der Aufruf der Geigerin: „Nun müssen wir versuchen, dies was uns nicht gefällt zu ändern. Insbesondere jetzt sollten wir Künstler weit aktivere Mitglieder dieser Gesellschaft werden. Im jeden Sinne, künstlerisch wie auch politisch.“ 

Meinhard Rüdenauer

 

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