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OLGA ESINA: „Ich habe mich in diesem Beruf gefunden“

25.05.2014 | Tänzer

Esina-Olga portraet

OLGA ESINIA

„Ich habe mich in diesem Beruf gefunden“

Olga Esina ist eine der fünf „Ersten Solotänzerinnen“ des Wiener Staatsballetts. Ihre Aura, ihre Eleganz, ihre Schönheit, ihre geradezu königliche Attitüde tragen der blonden Russin jede Menge Bewunderung ein. Dass sie viel lieber den „bösen“ schwarzen Schwan tanzt als den zarten „weißen“, würde man angesichts ihrer Ausstrahlung nicht glauben. Jüngste Premiere für Olga Esina ist das Balanchine-Stück „Allegro Brillante“, das den „Meistersignaturen“-Abend erweitert

Von Renate Wagner

Schwanensee_OlgaEsina_EnoPeci schwarzer Schwan Schwanensee_OlgaEsina weisser Schwan, rechts
„Schwanensee“ in Wien / Fotos: Barbara Zeininger

Frau Esina, jeder, der in der „Schwanensee“-Premiere im März war, erinnert sich an den Schock, als Direktor Meyer nach dem 3. Akt vor den Vorhang kam, von Ihrer Verletzung berichtete – und Sie trotzdem weiter getanzt haben. Was ging da vor?

Es war, als ich die Fouetté gedreht habe, 32mal die gleiche Bewegung auf einem Bein, als ich plötzlich spürte, dass in meiner Wade etwas geschehen war. Aber da ist man allein auf der Bühne, mehr als 2000 Menschen sehen zu, da kann man nicht aufgeben, da tanzt man trotz des Schocks, dass etwas Schlimmes geschehen ist, eben weiter. In der Pause konnte man nichts unternehmen, weil man ja noch nicht genau wusste, was geschehen ist. Ich habe mit meinem Partner abgesprochen, dass ich den letzten Akt tanzen würde, wie ich eben kann, und er gegebenenfalls weitermacht – aber es war gar keine Frage, dass ich die Premiere zu Ende tanze. Ich wusste nicht, wie, aber ich ging auf die Bühne. Nachher stellte sich heraus, dass es eine schwere Muskelzerrung war, glücklicherweise nicht gerissen, also musste nicht operiert werden. Aber ich bin drei Wochen ausgefallen und konnte in dieser Saison „Schwanensee“ nicht mehr tanzen, was ich sehr bedauert habe. Darum bin ich froh, dass das Stück für mich gleich zu Beginn der nächsten Spielzeit im September wiederkommt. Ich tanze übrigens, was mir keiner glaubt, die Odile viel lieber als die Odette, der schwarze Schwan ist doch reizvoller.

Apropos Verletzungen: Sie haben einmal gesagt, dass man in diesem Beruf immer Schmerzen hat. Fragt man sich da nicht manchmal, ob man richtig daran getan hat, Tänzerin zu werden?

Es stimmt, es gibt bei Tänzern viele Verletzungen, und wenn sie operiert werden müssen – mir ist das vor fünf Jahren passiert -, ist man für Monate aus der aktiven Arbeit. Und man trainiert stundenlang und leidet unter Schmerzen. Aber war ich je so müde oder so „böse“, dass ich mir etwas anderes für mich gewünscht hätte? Man sagt sich vielleicht: Ein bisschen Urlaub wäre schön. Aber ich bin mir sicher, dass ich nichts anderes sein möchte als Tänzerin. Ich habe mich in diesem Beruf gefunden.

Sie kommen ja nun aus St. Petersburg, der Stadt, die als Ballettstadt schlechthin gilt. Lag es da auf der Hand, sich dafür zu begeistern?

Nein, das war Zufall, ich stamme auch nicht aus einer künstlerischen Familie, niemand bei uns ist je in eine Ballettvorstellung gegangen. Ich habe einfach als kleines Kind alles gemacht, gemalt, Sprachen gelernt, auch getanzt, und den Lehrern fiel auf, dass ich mich gut bewegte und ich das vielleicht einmal professionell machen könnte. Und da gibt es eben in St. Petersburg diese berühmte Ballettschule, die Vaganova Akademie, wo der Nachwuchs für das Mariinsky Theater ausgebildet wird. Da schickte man mich mit zehn Jahren hin – ich war ganz schlecht vorbereitet, und man hat mich nur unter Vorbehalten genommen, quasi auf Probe für ein halbes Jahr. Und ich blieb dort, obwohl ich noch nicht verstanden habe, dass einmal eine Tänzerin aus mir wird. Meine erste Ballettvorstellung, „Giselle“, habe ich mit vielleicht neun Jahren gesehen, ich fand es sehr schön, aber es ist keinesfalls der Funke übergesprungen… Die Vaganova Akademie ist eine Schule, wo alles gelehrt wird, nicht nur Tanz, aber sie zielt darauf ab, dass jene Schüler, die bleiben, dann Tänzer werden. Alle Jahre werden Kinder, von denen man meint, dass sie es nicht schaffen, weggeschickt. Ich bin die acht Jahre geblieben – Maria Yakoleva, die heute in Wien auch erste Solotänzerin ist, war meine Klassenkameradin, und wir hatten mit Lyudmila Kovaleva eine sehr berühmte Lehrerin. Ab 12, 13 Jahren haben wir schon ständig im Theater getanzt, es gab ja sehr viele Vorstellungen mit Kindern, und wir haben auch Tourneen gemacht. Die Prüfung, die man mit 15 Jahren macht, ist die letzte Gelegenheit „auszusteigen“ und zu sagen, das will ich nicht. Und es gehen viele. Aber nach 15 bleiben alle, und 2004 bin ich dann mit 18 Jahren Mitglied des Kirow-Balletts geworden.

Und das ist ja nun wohl eines der berühmtesten der Welt. Warum geht man dann nach Wien, eine Stadt, die zumindest damals keine übertriebene Reputation als Ballettstadt hatte?

Gyula Harangozó kam nach St. Petersburg und lud mich nach Wien ein – und es ist ganz anders, wenn man gefragt wird, als wenn man sich mühselig bewerben muss. Und ich dachte: Versuche ich es – warum nicht? Sicher, es war eine fremde Stadt, eine fremde Sprache, und die Situation war nicht leicht, weil ja der Großteil des alten Ensembles entlassen wurde und wir russischen Tänzer neu dazu kamen. Das gab natürlich Spannungen, bis wir alle zusammen gewachsen waren und bis die Atmosphäre im Corps so super ist wie heute. Es war damals eine Herausforderung, nach Wien zu gehen, es war eine Chance, und heute kann ich sagen, dass ich ganz Europa kennen gelernt habe und nach acht Jahren in Wien hier schon sehr verwurzelt bin.

Und Sie sprechen auch inzwischen ausgezeichnet Deutsch… Da im Internet so viele Vermutungen über Ihr Privatleben herrschen, können wir da einmal die Neugierde befriedigen und das klären?

Ich habe sehr früh geheiratet, aber dann haben wir uns auseinander gelebt und mussten uns scheiden lassen. Über mein jetziges Privatleben kann ich nur eines verraten, nämlich dass ich sehr glücklich bin und bald wieder heiraten werde.

Eine Ihrer ersten großen Rollen in Wien war die Anna Karenina.

Das ist mein Lieblingsbuch und die Choreographie von Boris Eifman hat mir viele neue Bewegungsabläufe abverlangt. Das war ja das Interessante hier, dass wir viel Klassik und auch viel Modernes getanzt haben. Und seit Manuel Legris Ballettdirektor ist, ist alles noch viel intensiver geworden, wir haben mehr Vorstellungen und ein sehr großes Repertoire. Und auch wenn das Ensemble sehr groß ist, so sind wir doch, wenn ich jetzt einmal von den Ersten Solotänzerinnen spreche, fünf ganz verschiedene Persönlichkeiten, die dieselben Rollen tanzen. Das ist ja auch für das Publikum spannend. Und wir arbeiten mit vielen interessanten Choreographen zusammen.

Gibt es etwas, was Sie besonders gern getanzt haben?

Ich würde sagen, das „Slingerland pas de deux“ von William Forsythe, das war für mich in der Plastique etwas ganz Neues, und ich schätze auch Balanchine ganz besonders, auch weil er sehr schwierig ist, ich möchte noch viel von ihm tanzen. Jetzt habe ich Premiere mit „Allegro Brillante“, ein 14minütiges pas de deux zu Tschaikowsky-Musik, das ich mit Vladimir Shishov tanze. Und ich freue mich besonders auf „Josephslegende“ nächste Saison, hoffentlich bin ich dabei, weil ich vorher noch nie die Gelegenheit hatte, mit John Neumeier zu arbeiten.

Wie lebt man als Tänzerin in Wien? Ist man so populär wie die Sänger?

Ich werde ab und zu erkannt. Es kommt vor, besonders wenn man bei so großen Produktionen wie dem Neujahrskonzert oder dem Opernball dabei ist und im Fernsehen gezeigt wird. Aber Wien hat inzwischen auch ein Ballettpublikum, das großen Anteil an dem nimmt, was wir machen.

Hat man nach inzwischen acht Jahren an einem Ort nicht das Bedürfnis, woanders hin zu gehen?

Warum sollte ich? Wir haben ein gutes Repertoire, einen verständnisvollen Direktor und wir werden dauernd für Gastspiele angefragt, die wir vielfach auch machen können. Ich habe in London, Paris, Rom, Moskau und natürlich immer wieder in meiner Heimatstadt St. Petersburg gastiert. Und das ist schön – ich war dort ja doch eine Gruppentänzerin und komme als Primaballerina wieder, meine Familie ist natürlich sehr stolz. Einen Tag nach der Premiere in Wien gehe ich mit dem Balanchine „Allegro Brillante“ nach Verona, ins Teatro Ristori, allerdings mit anderem Partner. Ich bin sehr glücklich in Wien – und habe viele Möglichkeiten und das Ziel, von Vorstellung zu Vorstellung einfach mein Bestes zu geben.

Es ist eine traurige, aber unbestreitbare Tatsache, dass ein Tänzerleben kurz ist – man kann sagen, dass es irgendwo um die 40 endet. Überlegt man sich, was in einem Dutzend Jahren sein wird?

Ich zerbreche mir eigentlich nicht den Kopf darüber, glaube aber nicht, dass ich dann eine Ballettlehrerin sein werde. Man weiß doch nie, was kommt, was sich alles ändert, ob man gesund bleibt, wie der Körper sich entwickelt. Ich weiß nur eines: Ich möchte aufhören, solange ich noch sehr gut bin, und keinesfalls zu spät.

 

 

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