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OLDENBURG/ Staatstheater: VENUS AND ADONIS /DIDO AND AENEAS von John Blow / Henry Purcell

06.10.2019 | Oper

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Oldenburg/ Staatstheater: Venus and Adonis / Dido and Aeneas von John Blow / Henry Purcell
Oldenburgisches Staatstheater

Vorstellung vom 04.10.2019 Kritik: Anna Hench

Von Liebe und Menschlichkeit

Was trifft einen Menschen des 16. Jahrhunderts ebenso ins Herz wie einen Lebenden des 21. Jahrhunderts? Richtig: die Tragik des Lebens, die Liebe, oder aber die Tragik der Liebe. Diese hat das ‚Doppeldate‘ im Oldenburgischen Staatstheater zum Thema: „Venus and Adonis“ von John Blow, sowie „Dido and Aeneas“ von Henry Purcell – zwei eigentlich voneinander unabhängige Stücke. Regisseur Tobias Ribitzki verbindet in seinem Abend beide zu Einem. Wie genau, das sagt er nicht.

Der Anfang gebührt Cupido, wem denn sonst? Erica Back spielt und singt den Knabensohn der Venus hervorragend; kokettierend tanzt der freche Jüngling über die Bühne und fängt jeden mit seinen Pfeilen ein, der nicht bei Drei auf dem Baum sitzt. Der Opernchor – pardon, die Schäfer*innen im Publikum kosten zuerst vom Liebeszauber. Aber echter Freudentaumel kommt dabei nicht auf. Moderat gekleidete Männer und Frauen in Beige und Weiß stehen sich wie Schulkinder gegenüber und singen aus dem Portal heraus, bis es Cupido zu öde wird und er seine Mutter als lebende Lektion in Sachen Liebesspiel präsentiert. Jedoch führt diese den zaghaften Damen und Herren vielmehr vor, wie man seinen Liebhaber charmant von der Bettkante schubst.

Ann-Beth Solvang singt die Venus sehr ausdrucksstark, während sie im ausladenden, barocken Kleid über die Bühne schreitet und sich in ihrem genussvollen Glanz badet. Ihr Tanz mit den drei Grazien, verkörpert von drei Tänzern in hauchzarten, farbenfrohen Kleidern, hat etwas Ätherisches, das sich in Bezug auf Venus nur mit Selbstverliebtheit umschreiben lässt. Die wird ihr schnell genommen, sobald ihr Adonis – schön gesungen von Leonardo Lee – tödlich verwundet von der Jagd zurückkehrt. Zum ersten Mal spürt sie die schmerzliche Seite der Liebe, sie legt ihr kunstvolles Göttinnengewand ab und wird durch ihre Trauer zur schlichten, farblosen Menschlichkeit verwandelt, deren Kleid nichts mehr mit dem barocken Übermut der Götter zu tun hat (Bühne und Kostüme: Stefan Rieckhoff). Der Rundgesang „Chloe found Amintas“, ebenfalls aus der Feder von John Blow, ist ein sehr schönes Musikstück. Ob es als erweiternde Darstellung von Venus‘ albtraumhaften Liebesschmerzen wirklich nötig gewesen wäre, sei hier einmal dahin gestellt.

Jedenfalls führen Dido und Aeneas nach der Pause die Geschichte weiter, und auch sie enden tragisch und mit dem Tod des Mannes. Anders als im Mythos lebt Dido in Tobias Ribitzkis Inszenierung jedoch weiter, als von der Liebe gebrochene Frau. Oder als Göttin?

Nicht nur aufgrund der wiederkehrenden Sänger wird die Beziehung der beiden Stücke zueinander hinterfragt. Ist Dido die menschliche Venus? Ist sie eine Verwandte im Liebesschmerz? Wird sie durch ihr Weiterleben am Ende zur neuen Venus? Hineininterpretieren darf jeder was er möchte, die Inszenierung bleibt hier unangreifbar. Ebenso wie die Bühne, die sich jedoch mehr der Tragweite des Mythos‘ als der Regiearbeit verpflichtet zu haben scheint. Zwei große Abbildungen J. Janssens‘ „Venus und Adonis“ von 1620 als Vorhänge sprechen da eine recht eindeutige Sprache. Aber verbindende Elemente zwischen den zwei Opern wurden zweifellos eingebaut: da sind die identischen Gewänder für Venus/Dido und Adonis/Aeneas (letzteres sogar noch mit Adonis‘ Blutfleck auf der rechten Brust), die entstellte Version der farbenfrohen Grazien-Kleider an den Hexen im zweiten Teil und nicht zu vergessen die Zauberin, die sich des Kleides der Venus bemächtigt hat. Nur ganz recht zusammenpassen will die Chose nicht. Und was hat die stille Tänzerin, die „Venus der Zukunft“ mit der ganzen Sache zu tun?

Ein abschließendes Wort noch zur Musik, die der Geburtsstunde der englischen Oper an diesem Abend nicht nur mit ihrem wunderbaren Spiel alle Ehre machte. Eine Erzlaute und ein verstimmtes Regal, das speziell für die Hexen außergewöhnliche Töne von sich gab, verliehen der klanglichen Untermalung unverwechselbare Authentizität, welche der musikalische Leiter Thomas Bönisch hervorragend herausarbeitete. Es passte auch perfekt: das kleine Haus des Oldenburgischen Staatstheaters mit einem kleinen Orchestergraben für eine kleine, tiefe Barockbesetzung. Schön!

Von Anna Hench 

 

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