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ODE – Album für Hans Werner Henze bei Berlin Classics

14.10.2022 | cd

ODE – Album für Hans Werner Henze bei Berlin Classics

Vorwärtsdrängende Impulse

Neue CD mit Werken von Hans Werner Henze bei Berlin Classics erschienen/

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Auf diesem Albrum wirft der versierte Cellist Isang Enders zusammen mit dem WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Lin Liao und Jonathan Stockhammer einen einfühlsamen Blick auf Henzes Werke für Solo-Cello. Er habe sich  gefragt, warum Henze nach seinem Tod 2012 so wenig programmiert werde, so Enders. Er möchte den fast schon vergessenen Komponisten wieder bekannt machen. Zu hören ist auf dieser CD die „Ode an den Westwind“, die im Jahre 1953 entstand. Henze empfand den kompositorischen Bruch seiner Zeitgenossen im Schatten des Krieges als scheinheilig und wendete sich deswegen von der Avantgarde ab. Geschrieben wurde dieses lyrische Werk, das dem gleichnamigen Gedichtzyklus von Percy Shelley folgt, im Sommer 1953 in Sizilien und auf der Insel Ischia. Die „Englischen Liebeslieder“ wurden von Hans Werner Henze für das WDR Sinfonieorchester geschrieben. Enders präsentiert die poetische Musik aus dem Uraufführungsmaterial. Das Werk sei nahezu unspielbar – und darüber hinaus sei das Cello wegen der riesigen Orchesterbesetzung kaum wahrnehmbar. Auf dieser CD macht man aber eine andere, positive Erfahrung. Die „Liebeslieder“ stehen in direktem Bezug zu „Introduktion, Thema und Variationen für Cello, Harfe und Streichorchester“. Henze reflektiert dabei seine Kindheit, die er nie hatte. Emotionen und Farben stehen im Mittelpunkt. Voller emotionaler  Gefühle ist auch die „Trauer-Ode für Margaret Geddes“, die Hans Werner  Henze 1997 als „Nachruf auf eine verehrte und geliebte Freundin, die Prinzessin Margaret von Hessen und bei Rhein“ komponierte. Interessant ist dabei, dass Hans Werner Henze das Cello als Instrument eigentlich geringschätzte. Dennoch ziehen sich  Werke für Solo-Cello wie ein roter Faden durch sein gesamtes Werk. Henze brach allerdings schon früh mit den stilbildenden Tendenzen der Neuen Musik. Dies machen hier auch die beiden Dirigenten Lin Liao und Jonathan Stockhammer deutlich. Die Dirigentin Lin Liao musste in Quarantäne und hat  nur die „Ode an den Westwind“ aufgenommen. Jonathan Stockhammer konnte für sie einspringen. Isang Enders meint auch, dass Henze vor allem nur musikalisch geschrieben habe und nicht instrumental. Dies stellt den Solisten wohl vor weitere Probleme, die er aber souverän löst. Die „Ode an den Westwind“ spielt hörbar mit reizvollen harmonischen Anklängen. Und die Cello-Romanze bei den „Englischen Liebesliedern“ übersetzt Poesie ausdrucksvoll in Musik. Der gefühlvolle Tango steht dabei neben dem reflektierenden Sonett. Das Werk überzeugt hier bei den kantablen Partien ebenso wie beim virtuosen Elan. Bei atonaler Grundhaltung ergeben sich oft facettenreiche tonale Bindungen. Sanft und ästhetisch zugleich erscheinen „Introduktion, Thema & Variationen“, wo sich klanglich neuartige Effekte ergeben. Gegensätzliche Stile von Schönberg und Strawinskij scheinen sich manchmal in eindringlicher Weise zu vereinigen. Das klassische Schema löst sich auf, die eindringliche atmosphärische Stimmung überwiegt. Vorwärtsdrängende Impulse setzen sich immer wieder durch. Musikalisch reizvoll ist auch die „Trauer-Ode für Margaret Geddes“, bei der Johann Sebastian Bachs Choral „Meine Seele erhebt den Herrn“ wirkungsvoll hervorsticht. Das Cello wird dabei zur Seele des Orchesters. Es ist  eine ergreifende Hymne an den Kanon mit feinem Gespür für differenzierte Klangschattierungen. 

Alexander Walther

 

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