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OBERDÜRNBACH / St. Katharina: Streichquartette Mozart & Co

Feine Kammermusik in einem wunderbaren Ambiente

02.09.2024 | Konzert/Liederabende
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Das Simply Quartet: Miriam Helms Alien, Antonia Rankersberger, Xiang Lyu, Ivan Valentin Hollup Roald. Alle (Handy-)Fotos: Martina Schmid-Kammerlander

OBERDÜRNBACH / Katharinakirche: Simply Quartet mit Mozart, Webern und Dvorák / Allegro Vivo

1. September 2024

Von Manfred A. Schmid

Die Erstaufführung von Mozarts Streichquartett B-Dur KV 458, wegen des vorpreschenden 6/8-Takts auch als „Jagdquartett“ bekannt geworden, war wohl das, was man frei nach Stefan Zweig eine Sternstunde der Musikgeschichte nennen kann: An der ersten Geige Joseph Haydn, an der zweiten Carl Ditter von Dittersdorf, Mozart selbst spielt die Bratsche und der böhmische Komponistenkollege Johann  Baptist Vanhal das Cello. Beim ersten ALLEGRO VIVO-Kammerkonzert in der Katharinakirche von Oberdürnbach bei Maissau ist es das junge Simply Quartet, das mit einer frischen, temperamentvollen Darbietung das Publikum bezaubert: Miriam Helms Alien, 1. Violine, Antonia Rankersberger, 2. Violine, Xiang Lyu, Bratsche, und Ivan Valentin Hillup Roald, Cello, interpretieren Mozarts Werk, das er mit fünf weiteren Haydn, dem hochverehrten „Erfinder“ der Gattung des  Streichquartetts gewidmet hat, bewegungsreich, die detailreichen Feinheiten herausarbeitend, und mit viel Fantasie, was Dynamik, Artikulation und die Farbwerte betrifft. Mozarts kühne, kontrastreiche und innovative Komposition, das Ergebnis einer bei diesem Genie seltenen mühevollen und länger andauernden Auseinandersetzung, wird in ihren vielen Facetten ausgelotet. Spannungen werden mit mozartischer Klangbrillanz aufgebaut und dramatische Zuspitzungen sorgen für überraschende Wendungen.

Erwähnenswert der Kontrast zwischen dem leichtfertig klingenden, lichten Charakter des einleitenden Allegro-Satzes und dem daran anschließenden tiefgründigen langsam Satz, der nach einer von der Primgeigerin Miriam Helms Alien fein phrasierend dargebotenen Kantilene in ein nachhaltiges Zwiegespräch mit dem Cello von Ivan Valentin Hollup Roald mündet.

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Miriam Helms Alien und Antonia Rankersberger

Das ursprünglich angekündigte 1. Streichquartett des amerikanischen Jazztrompeters und Komponisten Wynton Marsalis, das sich mit den kulturellen, sozialen und politischen Widersprüchen und Kompromissen in der Welt der Kreolen in New Orleans befasst, konnte wegen einer krankheitsbedingten Umbesetzung leider nicht realisiert werden. Wie das aus jungen Musikerinnen und Musikern aus Österreich, China und Norwegen bestehende Streichensemble an dieses zeitgenössische Werk herangegangen wäre, hätte schon sehr interessiert. Stattdessen gibt es zwei langsame Sätze für Streichquartett von Anton Webern aus dem Jahr 1905. Spätromantisch überladene Jahrhundertwende-Musik, aus der Zeit, als Webern gerade erst Schüler von Arnold Schönberg geworden war, und mit einigen klanglichen Ausrufzeichen im ersten und mit einem hartnäckigen Pizzicato im zweiten Stück wohl schon zu erkennen gibt, dass er mit dieser chromatisch ausgereizten Tonsprache wohl nicht weiterarbeiten hätte können. Zwei interessante, zum Nachdenken anregende Kompositionen aus der Zeit des Übergangs von der anbrechenden Moderne in „die zweite Wiener Schule“, die er mit seinem Lehrer Schönberg und mit Alban Berg prägen wird.

Nach der Pause steht Antonin Dvoráks Streichquartett Nr. 12 op. 96 F-Dur auf dem Programm. Das in Amerika etwa gleichzeitig mit der Sinfonie Aus der Neuen Welt entstandene Werk, auch „Amerikanisches Quartett“ genannt, weil der Komponist darin Naturlebnisse während seines insgesamt zwei Jahre dauernden US-Aufenthalts bis hin zu Vogelgezwitscher, aber auch musikalische Folklore verarbeitet haben soll, beeindruckt durch seine ätherische Farbigkeit, die wohl auch eine gute Portion Fernweh miteinschließt. Ob es auch indigene „indianische“ Elemente enthält, ist nicht gesichert. Der Kritiker Hanslick sprach im Jargon der Zeit von „Negermusik“, die darin zu finden wäre, Tatsächlich hört sich der langsame zweite Satz wie eine Paraphrase des Spirituals „Sometimes I Feel Like a Motherless Child“ an. Die Interpretation des Simply Quartets arbeitet die bukolischen Züge des Werks heraus, so dass es wie eine klanglich üppige Pastorale daherkommt. Der erste Satz eine hymnische Verklärung der Natur, der dritte schildert buntes Volkstreiben, das rhythmisch ausgeprägte abschließende Rondo erinnert an ein ausgelassenes Tanzfest.

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Xiang Lyu und Ivan Valentibn Hollup Roald

Viel Applaus im aparten, mit Fresken ausgestatteten Kirchlein, das gegenüber dem Haus steht, in dem der „Componist“ Gottfried von Einem mit seiner Frau Lotte Ingrisch in den letzten Jahren seines Lebens gelebt und gearbeitet hat und wo er 1996 gestorben ist. Das Wohnhaus, heute als Gottfried von Einem und Lotte Ingrisch Museum geführt, wurde jüngst renoviert. Es ist zu hoffen, dass dieses fulminante Kammerkonzert in der Kirche zur Heiligen Katharina, wo seit 25 Jahren Mitte Juni das  Gottfried von Einem und Lotte Ingrisch Fest stattfindet, kein einmaliges Ereignis bleibt, sondern zu einem Fixpunkt von ALLEGRO VIVO wird.

 

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