Nürnberg: „LA JUIVE“ von Jacques Fromental Halévy. Besuchte Vorstellung 07.02.2016
Leah Gordon, Nicolai Karnolsky, Banu Böke. Copyright: Ludwig Olah
Seit Jahrzehnten scheint es in der Opernwelt verpönt, Werke authentisch zu inszenieren!
Dieses Schicksal widerfuhr nun auch der Grand Opéra „La Juive“ (Jacques Fromental Halévy) am Staatstheater Nürnberg. Bekanntlich spielt die Handlung im Jahre 1414 während des Konzils in Konstanz, doch Gabriele Rech verlegte das Geschehen in die wenig ruhmreiche deutsche Vergangenheit um 1930.
In den letzten zehn Jahren versuchten sich mehrmals diverse Regisseure die leider immer noch aktuelle, antisemitische Thematik glaubhaft zu vermitteln, doch scheiterten sie meist in Wiederkäuer-Inkonsequenz. Lediglich John Dew gelang 2008 in Darmstadt der geniale Spagat der Gratwanderung.
Nun gelangen Gabriele Rech in Verbindung mit Dieter Richter´s konzeptioneller Bühnenausstattung durchaus bildgewaltige Aspekte, doch verlor sich die Aussage der immer noch höchst brisanten Story, im Leerlauf einer blutleeren regelrecht unbeholfenen Personenregie. Wenig wurde dem eigentlichen Konflikt der Kontrahenten Eléazar und Kardinal Brogny beigemessen und ging in belanglosen, teils unfreiwillig komischen Details unter.
Das Eindimensionale dieser Produktion erhielt lediglich durch optische Bereicherungen der Kathedrale, dem duftigen Boudoir der Eudoxie, dem eleganten Heim des Goldschmieds eine präsente Prägung, bedeutungsvoll die brennenden Fackeln vor den Fenstern, in Vorahnung der Pogromnacht. Irreal hingegen wirkten die Kerkerszene sowie die finale Ertränkung Rachels im Taufbecken innerhalb der Brandruine. Die teils unvorteilhaften Kostüme und Uniformen entwarf Gabriele Heimann.
Weit Erfreulicheres boten jedoch die musikalischen Komponente. Wie in meinen zuvor besuchten Produktionen wurde auch in Nürnberg die Partitur amputiert, Szenen, Arien, Duette im Kunterbunt gestrichen, dennoch hinterließ das „Fragment“ sehr positive akustische Eindrücke, ein wiederholter Besuch würde sich durchaus lohnen.
Guido Johannes Rumstadt am Pult der Staatsphilharmonie Nürnberg gelang eine musikalisch höchst qualitative Interpretation. Vorzüglich verstand es der versierte Dirigent mit dem hervorragend musizierenden Orchester vom ersten bis letzten Takt zu fesseln, zauberte federnde Rhythmik und straffe Tempi. Zu diesen ausgezeichneten Konstellationen erhielt die Partitur eine spannungsreiche Wiedergabe gleichwohl im dramatischen Impetus, als auch den konträren emotionellen, lyrischen Passagen.
Rollenkonform, vokal hinreißend bot Leah Gordon ein besonders ansprechendes Portrait der titelgebenden (adoptierten) Jüdin Rachel. Gordons Sopran zeichnete sich durch leichte, souveräne Tongebungen, flexible Phrasierungen, tragfähige Piani und einem beachtlichen Höhenpotenzial aus. Ihr warmes betörendes Timbre, verliert selbst in den obertonreichen, nuancierten Regionen der anspruchsvollen Partie, nicht an Wohlklang und Schönheit. Ohne Zweifel bot Leah Gordon die beste, zu Recht umjubelte Glanzleistung des Abends.
Als „Rivalin“ Eudoxie konnte zwar Banu Böke mit substanzreichem Sopran punkten, leider bereiteten ihr die Koloraturen der hohen Tessitura unüberhörbare Probleme.
Von der Regie sträflich vernachlässigt verlieh Luca Lombardo dem rächenden Eléazar, nur bedingt vokale Präsenz. Seine nicht besonders voluminöse Stimme vermochte mich lediglich während der lyrischen Momente zu überzeugen, tenoral dramatisch auftrumpfende Intensionen waren keineswegs seine Stärke. Unstet nasale Tongebungen, unsaubere Höhen schmälerten zudem den Hörgenuss.
Von ganz anderem Holz geschnitzt erschien das Organ von Uwe Stickert als Schwerenöter Léopold. Prädestiniert für diese Rolle glänzte der Sänger überzeugend mit strahlend- lyrischem Tenor.
Satt dunkel klingt das Fundament des schön timbrierten, schlank geführten Materials von Nicolai Karnolsky, welcher als Brogny balsamische Bassqualitäten verströmte.
Konturlose weniger ansprechende baritonale Präsenz verlieh Kay Stiefermann dem rachsüchtigen Ruggiero. Unspektakulär verliefen auch die Kurzauftritte des Albert (Jens Waldig) und Chool Seomun (Offizier).
Prächtig entfalteten sich in effektvoller Vokalise Chor und Extrachor von Tarmo Vaask bestens vorbereitet.
Mit dieser „Juive“ hat Nürnberg einen hörenswerten musikalischen Trumpf im Ärmel.
Gerhard Hoffmann