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CD: Anton Bruckner Sinfonie Nr. 7 E-Dur (1883 Edition Nowak) Mason Bates Resurrexit (2018) Pittsburgh Symphony Orchestra Manfred Honeck, Leitung Reference Recordings, FR-757SACD

18.07.2024 | cd

Anton Bruckner Sinfonie Nr. 7 E-Dur (1883 Edition Nowak) Mason Bates Resurrexit (2018) Pittsburgh Symphony Orchestra Manfred Honeck, Leitung Reference Recordings, FR-757SACD

Bruckners siebte Sinfonie aus Pittsburgh mit Manfred Honeck – ein Ereignis auf CD

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Zum zweihundertsten Geburtstag von Anton Bruckner präsentiert Reference Recordings eine herausragende Aufnahme mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter der Leitung von Musikdirektor Manfred Honeck. Diese Veröffentlichung kombiniert Bruckners siebte Sinfonie (1883 Edition Nowak) mit „Resurrexit“ von Mason Bates, einer Komposition aus dem Jahr 2018. Die CD zeichnet sich durch exzellente Aufnahmequalität aus, die es dem Zuhörer ermöglicht, die Musik in ihrer ganzen dynamischen Bandbreite und Klarheit zu erleben. Manfred Honeck, bekannt für seine tiefgründigen Interpretationen und präzisen Analysen, bietet hier erneut eine beeindruckende Darbietung, die sowohl musikalisch als auch emotional überzeugt. Diese Aufnahme stellt eine perfekte Synergie zwischen traditioneller und zeitgenössischer Musik dar und bietet einen reichen Kontext für Bruckners Werk.

Am 23. September 1881 begann Bruckner mit der Arbeit an seiner siebten Sinfonie, nur zwanzig Tage nach der Vollendung seiner Sechsten. Die Reihenfolge der Komposition war ungewöhnlich: Zuerst schrieb Bruckner den ersten und dritten Satz, dann den zweiten und schließlich den vierten. Die Fertigstellung der Sinfonie erfolgte am 3. September 1883 in St. Florian. Ein entscheidender Moment in der Entstehung des Werkes war der Tod Richard Wagners, was Bruckner tief erschütterte und seine Komposition beeinflusste. Dies manifestiert sich besonders im zweiten Satz, wo Bruckner erstmals die Wagner-Tuben einsetzte – eine Hommage an seinen verstorbenen Meister.

Die Uraufführung der siebten Sinfonie fand am 30. Dezember 1884 in Leipzig unter der Leitung von Arthur Nikisch statt. Die Aufführung war ein großer Erfolg, was für Bruckner, der oft unter Kritik und Ablehnung litt, von enormer Bedeutung war. Trotz anfänglicher gemischter Kritiken trat die Sinfonie bald ihren Siegeszug an und wurde in vielen Musikzentren weltweit aufgeführt, einschließlich der USA. Die siebte Sinfonie war auch die erste Bruckner-Sinfonie, die von den Wiener Philharmonikern vollständig gespielt wurde, trotz der kritischen Reaktionen in Wien, die durch den Kulturkampf zwischen Brahms-Befürwortern und Wagner-Anhängern geprägt waren. Diese Aufführungen halfen, Bruckners Ruf als bedeutender Sinfoniker zu festigen und seine Musik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Bruckners tiefe Religiosität und seine Rolle als Organist spielten eine zentrale Rolle in seiner Musik. Seine Sinfonien sind oft von einer spirituellen und kontemplativen Aura durchdrungen, die seine persönliche Glaubenserfahrung widerspiegeln. Bruckners Bewunderung für Wagner, den er als seinen musikalischen Meister betrachtete, ist in der siebten Sinfonie deutlich spürbar. Die Verwendung der Wagner-Tuben und die emotionale Intensität des Adagios zeugen von Bruckners Verehrung und seiner Trauer um Wagners Tod. Diese Elemente verbinden sich zu einem Werk von großer emotionaler Dichte und musikalischer Komplexität, das Bruckners einzigartigen Platz in der Musikgeschichte unterstreicht.

Manfred Honeck, selbst ehemaliges Mitglied der Wiener Philharmoniker, hat von jeher eine tiefe Verbindung zu Bruckners Musik. Diese Verbindung wurde durch seine jahrelange Erfahrung und Aufführungen von Bruckners Werken in verschiedenen Konzertsälen weltweit gestärkt. Honeck betont, dass das Verständnis von Bruckners Persönlichkeit und spirituellen Überzeugungen entscheidend für die Interpretation seiner Werke ist. Bruckners tiefe Religiosität, seine Liebe zur Orgel und seine Bewunderung für Richard Wagner sind Schlüsselfaktoren, die seine Musik prägen. Honecks Ansatz, Bruckners Musik ganzheitlich zu betrachten und die verborgenen Ausdrucksabsichten zu entdecken, führt zu einer Interpretation, die die tiefe Spiritualität und komplexe Emotionalität von Bruckners Werk erfasst.

Honeck nähert sich der siebten Sinfonie mit einem tiefen Verständnis für die musikalischen Praktiken der Zeit und der besonderen Ausdrucksweise Bruckners. Er betont, dass Bruckners Markierungen oft mehr über das Gefühl als über das Tempo aussagen und dass die Tempi zur damaligen Zeit oft modifiziert wurden. Honeck achtet besonders auf die dynamischen und expressiven Anweisungen Bruckners, um die Musik lebendig und tiefgründig zu gestalten. Seine Interpretation zeichnet sich durch eine sorgfältige Balance zwischen struktureller Klarheit und emotionaler Dimension aus, was den Zuhörer weit in die musikalische Welt Bruckners eintauchen lässt.

Der erste Satz beginnt mit einem majestätischen Thema in den Celli, das von Honeck mit weichem Legato und großem Ausdruck gespielt wird. Die Hörner und das Blech erzeugen eine sonnige Wärme, während die Holzbläser fragende und drängende Töne hinzufügen. Der einsetzende Marsch führt zu einem ersten großen Höhepunkt, wobei Honeck das Tänzerische des dritten Themas mit feinen Rubati betont. Besonders eindrucksvoll sind die Soli der Flöte und die misterioso Passagen in den Streichern und Bläsern. Die Durchführung wird in einem flotteren Tempo eingeleitet, was selten so deutlich zu hören ist wie in dieser Aufnahme. Honeck gestaltet die Reprise mit den singenden Celli und weichen Hörnern frei und spannungsvoll. Die Dialoge zwischen Klarinette und Fagott, die in den Streichern fortgesetzt werden, führen zu einem orchestralen, sakralen Moment von großer Feierlichkeit. Die Struktur des ersten Satzes folgt der klassischen Sonatenform mit Exposition, Durchführung und Reprise. Bruckners Themen sind klar definiert und entwickeln sich organisch. Honeck bringt diese Themen zum Leben, indem er subtile Tempoänderungen und dynamische Kontraste einsetzt. Die Streicher spielen mit einer tiefen Wärme und Klarheit, die Holzbläser liefern zarte und doch kraftvolle Akzente, und die Blechbläser tragen zur majestätischen Atmosphäre des Satzes bei. Besonders bemerkenswert ist Honecks Fähigkeit, die komplexen polyphonen Strukturen Bruckners klar und durchsichtig zu halten, wodurch die Musik trotz ihrer Dichte leicht verständlich bleibt.

Der zweite Satz, das Herzstück der Sinfonie, beginnt mit einer dunklen, melancholischen Stimmung, die durch die tiefen Streicher und die Wagner-Tuben verstärkt wird. Honeck setzt die notierten Marcato Akkorde dagegen zupackend und optimistisch. Die Streicher singen mit süßem Ton, während die Holzbläser lichtvolle Farbtupfer hinzufügen. Die Kontrabässe grundieren das Fundament des Orchesters, und Honeck baut langsam einen Lichtdom auf, der zu hinreißender Größe erwächst. Der Beckenschlag als krönender Effekt könnte zwar etwas mehr Präsenz und Wucht haben, wird jedoch tröstend durch den Choral der Wagner-Tuben und das Zusammenspiel von Streichern und Holzbläsern abgelöst. Das Adagio ist von einer tiefen emotionalen Resonanz geprägt, die durch Bruckners persönliche Trauer um Wagner verstärkt wird. Honeck interpretiert diesen Satz mit einem tiefen Verständnis für die emotionale Subtilität der Musik. Er baut die Spannung langsam auf und führt das Orchester durch eine Reihe von dynamischen Höhepunkten und ruhigen, kontemplativen Passagen. Die Wagner-Tuben fügen eine besondere Klangfarbe hinzu, die den Satz zu einem berührenden und ergreifenden Erlebnis macht. Honecks Interpretation erfasst die tiefe Traurigkeit und die gleichzeitig vorhandene Hoffnung und Transzendenz, die Bruckners Musik so einzigartig machen.

Das Scherzo ist markant und kontrastreich gestaltet. Honeck betont besondere Laute wie den Hahnenruf in der Trompete und die „Spottdrossel“ in der Oboe. Der dritte Satz ist ein Paradebeispiel für Bruckners Fähigkeit, musikalische Kontraste zu schaffen. Honeck nutzt diese Unterschiede, um eine lebendige und dynamische Interpretation zu liefern. Die schnellen, rhythmischen Passagen des Scherzos werden mit Präzision und Energie gespielt, während das Trio eine sanfte, lyrische Pause bietet. Die Wiederkehr des Scherzo-Themas nach dem Trio wird mit einem frischen Impuls gespielt, was dem Satz eine zyklische Struktur verleiht und die musikalische Reise des Zuhörers intensiviert.

Der vierte Satz beginnt mit feurigen Tremoli in den Streichern und offensiven Akzentuierungen. Honeck setzt dann wieder Ruhepunkte und lässt die Bläser in edlem Glanz erstrahlen. Die Durchführung ist gewaltig und die Generalpause vor der Coda wird länger als üblich gehalten, ein besonderer Moment. Die Coda selbst ist intensiv und kulminierend gestaltet, was den Satz zu einem wahren Meisterwerk der Kompositionskunst macht. Das Finale bringt die Sinfonie zu einem kraftvollen und triumphalen Abschluss. Honeck führt das Orchester durch eine Serie von dramatischen Höhepunkten und lyrischen Episoden, die die thematischen Elemente der vorherigen Sätze aufgreifen und weiterentwickeln. Seine Interpretation dieses Satzes ist sowohl technisch brillant als auch emotional tiefgründig, was den Gesamteindruck der Sinfonie als ein monumentales und bewegendes Werk unterstreicht.

Das Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck zeigt sich als homogener Klangkörper, der höchsten Ansprüchen genügt. Die edle Streichergruppe, die fein schattierenden Holzbläser und die royal intonierenden Blechbläser, ergänzt durch die aufmerksamen Schlagzeuger, gewährleisten eine Bruckner-Darbietung der Spitzenklasse. Honecks Interpretation ist individuell und unverwechselbar, tief ernst und von größtem Können geprägt. Seine Lesart entfaltet eine spirituelle Aura, die unwiderstehlich ist und Bruckners tiefen religiösen und emotionalen Gehalt erfasst. Das Pittsburgh Symphony Orchestra zeichnet sich durch seine Fähigkeit aus, sowohl die großen dynamischen Kontraste als auch die subtilen klanglichen Nuancen in Bruckners Musik meisterhaft zu bewältigen. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie das Orchester unter Honecks Leitung die komplexen Strukturen und die vielfältigen dynamischen Schattierungen Bruckners zum Leben erweckt. Jede Instrumentengruppe trägt zur Gesamttextur der Musik bei und schafft ein kraftvolles Klangbild. Darüber hinaus kann der Zuhörer besonders tiefe Einblicke in Honecks Bruckner Bild erhalten, da der Dirigent minutiös in dem Beiheft alle vier Sätze beschreibt, wie er sie en Detail gestaltet hat. Dies ist ein großer, kostbarer Mehrwert für jeden interessierten Musikfreund.

Mason Bates’ „Resurrexit“ wurde 2018 im Auftrag des Pittsburgh Symphony Orchestra komponiert, um den sechzigsten Geburtstag von Manfred Honeck zu feiern. Bates beschreibt seine Inspiration durch die biblische Erzählung der Auferstehung, die er in einer rein symphonischen, kinetischen Form umsetzt. Das Werk beginnt in biblischer Dunkelheit, die durch exotische Modi und Klangfarben den Tod Christi beklagt. Der Einsatz des Ostergesangs „Victimae Paschali Laudes“ signalisiert die ersten Regungen des Lebens, dargestellt durch Triller, Altarglocken und das „Semantron“ (ein frei schwingender Holzbalken, der mit Holzschlägeln geschlagen wird). Die Wiederbelebung wird durch wirbelnde und flackernde Texturen dargestellt, die zu einem berauschenden Finale führen, das eine hochfliegende Wiederholung des Ostergesangs beinhaltet. Bates’ Komposition ist sehr stimmungsvoll und farbig, mit orientalischen Einflüssen und intensiven Gefühlsmomenten. Die Einführung des Werks beginnt mit dunklen, tiefen Klängen, die eine Atmosphäre der Trauer und des Nachdenkens schaffen. Die exotischen Modi und die Verwendung unkonventioneller Instrumente wie Altarglocken und das Semantron fügen eine einzigartige klangliche Dimension hinzu, die die biblische Erzählung lebendig werden lässt. Bates nutzt eine Vielzahl von Klangfarben und Texturen, um die Wiederbelebung und Auferstehung musikalisch darzustellen, was zu einem kraftvollen und bewegenden Finale führt.

Honeck und das Pittsburgh Symphony Orchestra liefern eine spannende und mitreißende Wiedergabe von „Resurrexit“. Die intensive Farbgebung und die mystischen Klänge der Komposition werden durch Honecks präzise und ausdrucksstarke Leitung bildstark zur Geltung gebracht. Die Zusammenarbeit zwischen Bates und Honeck ist ein Beleg, wie zeitgenössische Musik und traditionelle Aufführungspraxis sich ergänzen können, um ein Werk von großer emotionaler und intellektueller Tiefe zu schaffen. Diese Aufführung zeigt, dass zeitgenössische Kompositionen lebendig und inspirierend sein können und dass sie in der Lage sind, tiefe spirituelle und emotionale Erfahrungen zu vermitteln.

Die Aufnahme der siebten Sinfonie von Anton Bruckner und „Resurrexit“ von Mason Bates mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter der Leitung von Manfred Honeck ist ein beeindruckendes musikalisches Erlebnis. Honecks tiefgründige und spirituelle Interpretation, unterstützt durch die exzellente Klangqualität von Reference Recordings, macht diese CD zu einem Erlebnis für alle Liebhaber klassischer Musik. Die Kombination aus Bruckners emotionaler Tiefe und Bates’ zeitgenössischer Klangwelt bietet eine faszinierende musikalische Reise, die sowohl das Herz als auch den Geist berührt. Die Fähigkeit des Orchesters, sowohl klassische als auch zeitgenössische Werke mit gleicher Leidenschaft und Präzision zu interpretieren, wird hier eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Honecks tiefes Verständnis und seine innovative Herangehensweise an Bruckners Musik, kombiniert mit Bates’ kreativer und inspirierender Komposition, schaffen ein musikalisches Geschehen, das sowohl traditionelle als auch moderne Elemente vereint. Diese Aufnahme lädt den Zuhörer ein, die tiefen emotionalen und spirituellen Schichten von Bruckners und Bates’ Musik zu erkunden. Sie bietet eine Möglichkeit zur Reflexion über die großen Themen des Lebens, des Todes und der Wiedergeburt, die in beiden Werken eine zentrale Rolle spielen. Honecks Interpretation lässt diese Themen auf eine Weise lebendig werden, die sowohl intellektuell anregend als auch emotional bewegend ist. Die CD ist ein Beweis für die Kraft der Musik, große menschliche Erfahrungen und Emotionen auszudrücken und bietet dem Zuhörer eine reichhaltige und lohnende Erfahrung.

Dirk Schauß, im Juli 2024

 

Anton Bruckner

Sinfonie Nr. 7 E-Dur (1883 Edition Nowak)

Mason Bates

Resurrexit (2018)

Pittsburgh Symphony Orchestra

Manfred Honeck, Leitung

Reference Recordings, FR-757SACD

 

 

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