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NÖ THEATERFEST / Gutenstein: DER BAUER ALS MILLIONÄR

17.07.2014 | Theater

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NÖ THEATERFEST / Gutenstein:
DER BAUER ALS MILLIONÄR von Ferdinand Raimund
Premiere: 17. Juli 2014

Gutenstein Plastikzelt~1

Raimund in Gutenstein, einst in herrlicher Naturkulisse, dann von Ernst Wolfram Marboe in das weiße Plastikzelt verbannt, das keinen glücklich macht, dann ein paar Jahre zugunsten lächerlicher Musicals gänzlich ausgesetzt, seit zwei Jahren wieder Herrscher in „seinem“ Ort. Im Vorjahr hat Isabella Gregor als Intendantin selbst „Der Verschwender“ inszeniert, heuer übergab sie die Regie von „Der Bauer als Millionär“ an Michael Schilhan (weil sie selbst in Klosterneuburg die „Zauberflöte“ inszenierte). Der Versuch, das alte Stück in unsere Welt zu versetzen, wurde mit absolutem Karacho unternommen. Geglückt ist es nur bedingt.

Bei Raimund kommt man um die Geisterwelt nicht herum, die sich parallel zur Menschenwelt mit absoluter dramaturgischer Notwendigkeit bewegt. Mit dieser sollte man im Zeitalter der Fantasy, wo die Außerirdischen Schlange stehen, keine Schwierigkeiten haben. Für Schilhan ist die Versammlung der Geister etwas wie ein schriller Life-Ball, und was Raimund ironisch-lustig meinte, wird bei ihm schräg. Da nervt die Fee Lacrimosa in Gestalt von Maxi Blaha in überzogener Zickenhaftigkeit und muss sogar aus ihren eigenen Schuhen trinken. (Das ist doch als Ritual sonst den Herren vorbehalten, Damenschuhe als Trinkbecher zu nehmen?) An den Nebenrollen zeigt sich allerdings schnell, dass Gutenstein offenbar nicht der Ort ist, viele Schauspieler zu interessieren, die Raimund wirklich zum Glänzen brächten – egal, welchen Rahmen man ihm gibt.

Der Rahmen für den reich gewordenen Bauer Fortunatus Wurzel ist ein goldgefüllter Swimming Pool, die beste und im Grunde einzige Idee von Bühnenbildnerin Mignon Ritter. Nach der Pause wird dann wie im Vorjahr für eine Szene der Hintergrund geöffnet, die „echten Bäume“ sehen kurz herein, aber das ist natürlich nur ein Alibi dafür, dass in Gutenstein ein Zelt steht, das sich überall befinden könnte und eigentlich mit Raimunds Welt nichts mehr zu tun hat.

Bauer und Diener im Goldpool~1
Wurzel im Goldpool

Der Abend hat glücklicherweise Günter Franzmeier als Wurzel, ganz anders, als die Tradition ihn je gesehen hat, weder lustig noch polternd noch halb gemütlich noch „eigentlich der gute Kerl“. Ob Absicht oder nicht, so wie er (vielleicht macht es die Perücke, dann die Kostüme von Alexia Redl) da steht, erinnert er als Kunstprodukt an einen bekannten Baumeister, ein Mann, der sich verrenkt, etwas zu scheinen, was er nicht ist. Dabei strahlt ihm die Dummheit ebenso aus den Augen wie die Hilflosigkeit mit seiner neuen Situation als Society-Pflanze. Wenn er sich später in den Bauern zurückverwandelt, der er einst war, spürt man die Erleichterung, da ist er ein neuer und zweifellos besserer Mensch. Die Poesie des Aschenmannes hat er nicht, aber die Raimund’sche Poesie wird man an diesem Abend ohnedies vergebens suchen: Schilhan sieht in dem „Bauern“ nur ein schrilles Gleichnis.

Darum tut sich auch nichts Wunderbares, wenn die berühmtesten Szenen des Stücks stattfinden – wenn die Jugend Abschied nimmt und das Alter kommt, Allegorien, die in die Weltliteratur eingegangen sind. Die klassische Jugend im weißen Frack, rosa bekränzt, kann es hier nicht sein – die Idee, dass sie gewissermaßen als „Hüatabua“ kommt, im Trachtengewand, ist nicht schlecht, schließlich war sie mit dem Bauern Wurzel jung. Aber viel kann man solcherart nicht mehr aus der Rolle holen, und Lisa Habermann wird man sicher nicht als „Jugend“ in Erinnerung behalten.

Hohes Alter und Bauer~1
Gideon Singer und Günter Franzmeier

Weit eher schon Gideon Singer als Hohes Alter, wenn er auch nicht wirklich bedrohlich ist und frösteln macht, da steht eher eine Art boshafter Humor dahinter. Die Gefahr, dass Zuschauer in diesen Szenen auf sich selbst zurückgeworfen werden und vielleicht ein wenig über die Vergänglichkeit des Erdendaseins zu grübeln beginnen, besteht nicht.

Im Grund überzeugt neben Wurzel nur noch eine Figur: Lisa Weidenmüller ist als rebellisches Töchterchen Lottchen so präsent, dass sie ihre Szenen gnadenlos an sich reißt, selbst dort, wo ihr der Regisseur Unsinn auferlegt hat. Das passiert vielen Darstellern (die unsinnige Verzerrung der Figur nämlich), manche wie Mercedes Echerer, die die Zufriedenheit eigentlich als dumme Gans spielen muss, gehen mit ihren Rollen (vielmehr, was mit diesen gemeint ist) glatt unter. Andere, die man weiter nicht aufzählen muss, hätten als schwäbischer Magier, als betrügerischer Kammerdiener, als Hass große Möglichkeiten und dürfen nichts davon realisieren.

Das bunte Spektakel, das Schilhan mal sinnvoll, oft sinnlos entfesselt, leidet etwas am musikalischen Rahmen: Wie Reinhold Kogler die Musik von Josef Drechsler bearbeitet hat, hörte sich alles andere als gut an. So war nicht alles Glück an dem mit drei Stunden viel zu langen Abend. Aber er stellte immerhin den Versuch dar, für Raimunds Stück aktuelle Ästhetik zu finden – und im besten Fall hat man in Wurzel auch ein zeitgemäßes Schicksal erkannt.

Heiner Wesemann

 

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