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NÖ / Reichenau, Thalhof: DIE WAFFEN NIEDER

01.06.2014 | Theater

Thalhof Suttner Plakat~1
Foto: Wagner

NÖ / Reichenau, Thalhof:
DIE WAFFEN NIEDER!
Nach dem gleichnamigen Roman von Bertha von Suttner
Premiere: 24. Mai 2014,
besucht wurde die Vorstellung am 1. Juni 2014

Thalhof Suttner Text~1

Ihre internationale Reputation war beachtlich – man erhält nicht in einer Welt, in der sich Frauen immer hinten anstellen mussten, 1905 als erste Frau den Friedens-Nobelpreis (wenn auch ihre enge Bindung an Alfred Nobel nicht geschadet hat): Aber in ihrer österreichischen Heimat wurde Bertha von Suttner, die „Friedens-Bertha“, wie man in zahllosen Karikaturen spöttelte, eher geringschätzig betrachtet. Und ihr Roman „Die Waffen nieder!“, nach dem Erscheinen im Jahr 1889 immerhin ein in viele Sprachen übersetzter Welterfolg, genoss zumindest vom literarischen Standpunkt keinerlei Reputation.

Heute, 100 Jahre nach ihrem Tod, der wie eine Pointe der Weltgeschichte am 21. Juni 1914 erfolgte, wenige Tage vor der Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand, der dann einen neuen der von ihr so vehement befehdeten Kriege nach sich zog, hat sich das Prestige der Bertha von Suttner, einst eine in Form des Tausendschillingscheins auch sehr begehrte Dame, entschieden verändert. Sie steht unter den Parade-Österreicherinnen in der allerersten Reihe. Ihren einst so berühmten Roman, dem immer noch der Hautgout anhaftet, Frauenkitsch mit (heute „politisch korrekter“) Tendenz zu sein, kennt kaum jemand mehr. Dass man dem Werk unrecht tut und dass es kennenswert ist… das bekommt man am Thalhof in Reichenau bewiesen.

Im einstigen Luxushotel der Monarchie, von dem aus Kaiser Franz Joseph zur Jagd ging und Arthur Schnitzler zu erotischen Eroberungen aufbrach (an der mehr als dringend nötigen Renovierung des Gebäudes wird gearbeitet), hat sich die Gruppe Sopra Arts eingefunden, um in passendem Rahmen den lebendigsten Nachhilfeunterricht zu geben, den man sich denken kann. Von der Schauspielerin Lisa Wildmann und dem Regisseur Nikolaus Büchel in bemerkenswerter Zusammenarbeit erstellt, wird der Roman der Suttner auf 80 signifikante Bühnenminuten in seinen wesentlichsten Elementen erzählt.

Ganz in weiß stürmt Lisa Wildmann in den Raum, „die jugendliche, als schön gepriesene, von allem Luxus umgebene Komteß Martha Althaus“ (Zitat), ein beneidenswertes Geschöpf. Der Papa war General, ein junges Mädchen wächst in einer von Militarismus und Patriotismus-Sprüchen eisern geprägten Welt auf und antizipiert diese Weltanschauung ohne Frage. Am Ende beneidet sie sogar die jungen Männer, die eines Tages für das Vaterland sterben dürfen, hurra!

Nur, weil Bertha von Suttner ihre Heldin einen so weiten Weg gehen lässt, ist ihr Roman als Geschichte einer geistigen Emanzipation bemerkenswert – denn es ist weibliche Intelligenz, die nach und nach dann alles in Frage stellt, die auf Machterhalt und Gewalt hinauslaufende säbelrasselnde Ideologie ebenso wie das klingelnde Pathos der Manipulation.

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Fotos: Sopra Arts

Ja, ist es natürlich auch eine Komtesschen-Geschichte – die Gräfin heiratet standesgemäß den Graf Arno Dotzky, den „glänzendsten“ unter den Husaren, wird Mutter eines Sohnes, muss den Gatten in den Krieg ziehen sehen – und verliert ihn am Schlachtfeld von Solferino 1859 (Immerhin wagt sie sogar zu denken, ob das Recht in diesem Krieg nicht auf Seiten der um ihre Unabhängigkeit kämpfenden Italiener liegen könnte…) Die schöne reiche Witwe hat angesichts des Todes auf dem „Felde der Ehre“ denken gelernt, anders zu denken als der Mainstream, und reicht in dem preußischen Baron Friedrich Tilling einem ebenbürtigen Geist, aber wieder einem Offizier die Hand. Das hat natürlich romantische Rüschen. Aber es ist eben doch nicht Courths-Mahler…

Was eine Adelige in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an gesellschaftlichem Leben zu absolvieren hat und von der Suttner auch geschildert wird, haben Wildmann- Büchel schmal gehalten, den Weg zur Pazifistin hingegen minutiös ausgeführt. Für die Schlachtfelder von Königgrätz 1866, wo Bismarck die Habsburgische Vormachtstellung aushebelte, fand die Suttner so schonungslose Bilder, dass sie auch uns noch unter die Haut gehen, wenn wir zuhören müssen… Auch die Friedens-Bertha war eine geschickte Manipuliererin, allerdings im Dienst der, wie wir meinen, richtigen Sache. Der Pressetext zitiert eine ihrer vielleicht bemerkenswertesten Erkenntnisse: „Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen – nein: unseren Enkelkindern!“

Rund um einen gewaltigen Kamin aus der Thalhof-Historie, dazu noch ein Bock aus einem Turnsaal (die Gräfin reitet schließlich gelegentlich) spielt Lisa Wildmann diese Martha Althaus-Dotzky- Tilling nicht nur mit einer Verve, die keine Sekunde Leerlauf erlaubt, sondern auch mit der funkelnden Intelligenz, mit der Bertha von Suttner ihre Heldin ausgestattet hat. Bertha und ihre Martha wehrten sich vehement gegen Felix Dahns Verdikt: „Das Schwert ist Mannes eigen – wo Männer fechten, hat das Weib zu schweigen!“

Bertha von Suttner hat nicht geschwiegen, und wenn sie auch ihren Enkeln keine Welt ohne Krieg hinterlassen konnte, so schulden wir ihr doch große Bewunderung. Der Vormittag im Thalhof hilft dabei.

Renate Wagner

Noch am 7., 8. und 9. Juli 2014 jeweils um 10,30 Uhr am Thalhof, dann wieder im Sommer im Rahmen der „Schnitzler im Thalhof“-Festspiele

 

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