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NÖ / Festspiele Reichenau: EINEN JUX WILL ER SICH MACHEN

05.07.2013 | Theater


© Festspiele Reichenau, Fotos: Carlos de Mello

NÖ / Festspiele Reichenau:
EINEN JUX WILL ER SICH MACHEN von Johann Nestroy
Premiere: 5. Juli 2013
Besucht wurde die Generalprobe

Dass Nestroys „Jux“ bei genauem Hinsehen um einiges tiefgründiger (und untergriffiger) ist, als die Oberfläche vermuten lässt, das weiß man (und stellt sich ja auch bei anderen Nestroy-Stücken heraus). Glücklicherweise ist das „Ankratzen“ dieses lange verharmlosten Autors inzwischen einigermaßen verbreitet. Aber natürlich muss man auch nicht näher hinschauen, und so geschieht es in Reichenau, wo Regisseur Nicolaus Hagg auf blankes Schauspielertheater setzt, was natürlich bei Nestroy auch legitim ist. Aber, so gerne man sich dies versagen würde, man kann nicht umhin zu erwähnen, dass die Interpreten, nur auf sich gestellt, gegen Generationen glanzvoller Vorgänger anspielen.

Auch die Aufführung in Reichenau, für die Peter Loidolt ein paar lockere, leicht verschiebbare Bühnenelemente baute, die einen angenehmen Rahmen gaben (dass statt Blümchen „ein Kreuzer“ aus dem Jahre 1816 Dekorationselement war, also das Motiv des Geldes, wurde von der Regie nicht aufgenommen), hat ein paar brillante Besetzungen, wenn auch eher in den Nebenrollen. Der „vermischte Warenhändler“ (sprich: Gewürzkrämer) Zangler rangiert meist unter „ferner liefen“ als polternder Vater. Wolfgang Hübsch – war er nicht eben noch, wie die Zeit vergeht, die eleganten Schnitzler-Herren in Reichenau? – hingegen bietet die Köstlichkeit eines herumrudernden Alten, für den das Leben neue Herausforderungen bietet, wenn er eine junge Frau nehmen will. Er knurrt und raunzt und beschwört sogar gelegentlich Hans-Moser-Töne, dass es nur so eine Wonne ist.

Auch sehr gelungen wirkt an diesem Abend, den Lehrbuben Christopherl nicht, wie es die Theatertradition will, mit einer Frau (und gar mit einer überreifen, wie auch schon geschehen…) zu besetzen, sondern mit einem jungen Mann: Bei David Oberkogler offenbart sich ein nüchterner Charakter, der am liebsten dabei zuschaut, was die anderen so machen, statt sich selbst in Unkosten zu stürzen – kennt man dergleichen Leute nicht?

Freilich, bei seinem „Weinberl“ gibt es nicht allzu viel zu schauen. Er ist Nestroys Zentralfigur, an ihm wird ein essentielles Problem dargestellt: Die blanke Todes-, nein Lebensangst, dieses sein Leben zu versäumen, es irgendwo im „Gefängnis“ zu verbringen, bei Nestroy ist es das G’wölb, wo verkauft wird, heute sind es die Computer, hinter denen man ewig sitzt, oder vielleicht auch die Regale bei Billa und Co., die man täglich neu einräumt. Der „Jux“, den sich dieser Weinberl machen will, kommt aus einer gequälten Seele, ist ein fürchterlicher Ausbruchsversuch, der zwar nur in die sanften Wasser komödiantischer Verwicklungen führt, aber für Weinberl ist das Ganze immer noch eine Katastrophe. Toni Slama allerdings ist für einen Nestroy-Spieler, wie man ihn verlangen kann, weder schnell noch scharf genug, eher die gemütliche Variante, die sich nicht allzu sehr aufregt, der in Grenzen lustig ist und sympathisch, aber keiner, der ein Stück mit Leichtigkeit trägt.

Seltsames passierte den Damen des Stücks: Sie waren mit Gabriele Schuchter, Ulrike Beimpold, Sylvia Lukan besetzt, und dazu muss man kein Wort verlieren – sie repräsentieren gelebte, gespielte Nestroy-Tradition und höchste Kompetenz für diesen Autor. Warum, zum Teufel, kommen sie alle nicht zur Geltung? Da muss wohl der Regisseur mit anderem beschäftigt gewesen sein. Die Modehändlerin Madame Knorr und die Frau von Fischer sind Nestroys „lustige Weiber“, die die Männer tanzen lassen, und das vertrocknete, aber hoch romantische Fräulein Blumenblatt ist eine berühmte Traumrolle – hier sucht man den heiteren Glanz, den diese Nestroy-Damen ausstrahlen können, vergebens.

In Nebenrollen begegnet man Christoph Zadra (irgendwie aus dem Volkstheater und damit aus dem Fokus der Wiener Theaterbesucher verschwunden) als amüsant-ironischem Liebhaber, Magdalena Kronschläger als kaum vorhandener „Liebhaberin“ (und könnte doch mit ihrem „Es schickt sich nicht“, würde es denn richtig gebracht, prächtig reüssieren), Martina Spitzer, Markus Kofler (eine köstliche Type) und Peter Gulan in mehreren Rollen.

Nicolaus Hagg, der meist beschäftigte Künstler dieses Reichenauer Sommers (Fassung für Ibsen, die Bearbeitung des Flaubert-Romans, was ein wahrer Brocken war, Regisseur und Darsteller für Nestroy, außerdem findet man seinen Sohn noch im Ibsen-Ensemble) hat nicht nur den Abend auf die Bühne gebracht, sondern sich selbst die Rolle des Hausknechts Melchior („Das ist klassisch!“) gesichert – er konnte nicht, wie etwa Muliar, die Tradition des dicken, scheinbar gemütlichen Wenzel Scholz, für den die Rolle geschrieben wurde, weiterführen, aber er passt sie sich auf sein groteskes Wesen an.

Das Publikum unterhielt sich, denn der „Jux“ ist – nimmt man einmal den schwächelnden letzten Akt aus – ja nun ein wirklich gutes Stück. Aber nicht jedem reicht ein freundlicher Biedermeier-Bilderbogen mit einigen wenigen darstellerischen Glanzstücken.

Renate Wagner

 

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