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NINA STEMME singt WAGNER – WIENER STAATSOPER live 2003-2013; ORFEO CD Sensationelle Sieglinde unter Franz Welser Möst 2007

21.11.2017 | cd

NINA STEMME singt WAGNER – WIENER STAATSOPER live 2003-2013; ORFEO CD

Sensationelle Sieglinde unter Franz Welser Möst 2007

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Die schwedische Sopranistin mit großer Affinität zu den Bühnenwerken Richard Wagners debütierte an der Wiener Staatsoper am 5. Dezember 2003 als Senta in der Premiere von Der Fliegende Holländer in einer Inszenierung von Christine Mielitz. Damals klang ihre jugendlich dramatische Stimme noch weitaus lyrischer und heller als etwa nur vier Jahre später als Sieglinde, wenngleich die Markenzeichen einer bombensicheren strahlenden Höhe, eines mattbronzenen Timbres und eines wahrlich raumfüllenden Stimmvolumens schon damals den Weg hin zu noch dramatischeren Rollen des deutschen Fachs zu wiesen schienen. Stemme verzauberte damals ihr Publikum mit einer neuen frisch mächtigen, technisch perfekten Stimme, und ließ so vergessen, dass die Rolle der Senta einen Schuss mehr an Entäußerung und besessener Dämonie durchaus verträgt. Bedauerlicherweise vermochte der im französischen und russischen Fach so bewunderte Seiji Ozawa dem Orchester der Wiener Staatsoper nicht jene Geschmeidigkeit und irisierende Klangfülle zu entlocken, wie dies in den 70-ern und 80-ern etwa die Kapellmeister-Urgesteine Horst Stein oder Heinrich Hollreiser stets so unnachahmlich vollbrachten. Da klingt mancher Übergang in der Ballade aber vor allem im Finale des 2. Akts „Wirst du des Vaters Wahl nicht schelten?“ (mit Franz Hawlata als Daland und Falk Struckmann in der Titelrolle) orchestral ganz gehörig unrund.

 

Wussten Sie, dass Nina Stemme schon wesentlich früher nach einem Erfolg bei Domingos Operalia- Wettbewerb bereits einen Ensemblevertrag für die Wiener Staatsoper in der Tasche gehabt hätte, auf den die Sängerin aber als für sie persönlich nicht zielführend verzichtete? Der Liebe des Wiener Publikums hat dies jedenfalls keinen Abbruch getan, im Gegenteil. Jetzt ist jeder Auftritt an der Wiener Staatsoper ein Ereignis und sich rar zu machen, hat immer noch den Marktwert als auch den besonderen Reiz eines Künstlers erhöht.

 

Die neue CD enthält als wohl interessantesten Track die Szene „Raste nun hier, gönne Dir Ruh!“ aus dem 2. Akt der Wiener Walküren Premiere vom 2. Dezember 2007 unter der ganz vorzüglichen musikalischen Leitung von Franz Welser-Möst. Der phantastische 1.Aufzug dieser Aufführung (Regie führte Sven-Eric Bechtolf) ist als Einzelveröffentlichung des Labels Orfeo schon seit längerer Zeit erhältlich. Was Nina Stemme, aber auch ihr Siegmund Johan Botha hier an Stimmwucht, dunkel schimmerndem Auflehnen gegen das Schicksal und dennoch betörendem Wohllaut aufbieten, kann nur als höchstes Opernglück bezeichnet werden. Furiose Tempi, zitternd vor Intensität, dabei transparent und sehnig mit kammermusikalisch expressiven Soli legen die bestens disponierten Wiener Philharmoniker mit auf die Waagschale. Diese Walküre vibrierte vor dynamischer Kraft und Urwüchsigkeit. Ein Must.

 

Durchaus gediegen ging es in der Siegfried-Premiere vom 27.4.2008 zu. Ab „Heil dir Sonne, heil dir Licht!“ kann das gesamte Ende des 3. Aktes nachgehört werden. Nina Stemme als Brünnhilde und der wunderbare Stephen Gould als Siegfried begeistern hier mit enormen Kraft- und Stimmreserven. Ebenso fangen sie die angstvolle Dramatik und das leidenschaftlich Grenzüberschreitende dieses grandiosen Duetts gut ein. Was jedoch die geforderte Pianokultur, ein balsamisches Legato und ruhige Stimmführung im Mittelteil anlangt, bleibt so mancher Wunsch offen. Im hochdramatischen Schlussteil flackert zudem manch exponierter Sopranspitzenton.

 

Das Live-Porträt der Wagner-Sängerin Nina Stemme schließt mit zwei Kostproben aus der Premiere von Tristan und Isolde vom 13. Juni 2013. Wieder stand Franz Welser-Möst am Pult, wieder führt er eindrucksvoll vor, wie gut ihm Wagner liegt. Gemeinsam mit Janina Baechle als Brangäne singt Nina Stemme die Szene „Erfuhrest du meine Schmach“ aus dem ersten Akt sowie, wie könnte es anders sein, den Liebestod der Isolde. Nina Stemme, die diese Rolle auch in Glyndebourne, Covent Garden und in Bayreuth verkörpert hat,  wurde nach der Premiere, die die stimmliche Entwicklung dieser Sängerin ab 2003 gut nachvollziehen lässt, seitens der Kritiker mit allem möglichen Lob und Zustimmung überhäuft. Keine Hochdramatische, vermag Stemme mit kluger Disposition der Mittel, Raffinement und herber Stimmschönheit zu punkten. Ob ihr das Metaphysische der Rolle ebenso liegt wie den Super-Isolden Martha Mödl, Birgit Nilsson oder Waltraud Meier, möge jeder Hörer seinen Erwartungen gemäß selbst beurteilen. Jedenfalls gibt es mit Stemme bereits zwei Gesamtaufnahmen von Tristan und Isolde, einmal mit Domingo unter Antonio Pappano, und die empfehlenswertere mit Stephen Gould unter Marek Janowski.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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