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NEW YORK/ Wien/Die Met im Kino: ROBERTO DEVEREUX – ein Abend der Frauen

17.04.2016 | Oper

Die MET im Kino – „Roberto Devereux“ von Gaetano Donizetti am 16. April 2016

Ein Abend der Frauen

In Donizettis 1837 entstandener Oper „Roberto Devereux“ geht es um Elisabeth die Erste von England und um ihre Liebe bzw. ihren Hass Roberto Devereux gegenüber. Sie liebt ihn, er erwidert diese Gefühle aber nicht und wird von Elisabeth zu Tode verurteilt. Sie bereut den Beschluss und will ihn begnadigen. Es ist aber zu spät.

Sondra Radvanovsky war als Elisabeth der Höhepunkt des Abends. Die Partie gilt als äußerst schwierig, Radvanovsky meisterte sie jedoch mit Bravour. Die größte stimmliche Herausforderung dieser Rolle ist laut Radvanovsky der schnelle Wechsel zwischen der Höhe und der Tiefe. Besonders die Höhe sang sie, als wäre dies das leichteste Kinderspiel. Beeindruckend gestaltete Elina Garanca Elisabeths Rivalin Sara. Die Partie sieht eine für einen Mezzo extrem dramatische hohe Läge vor, die Garanca phänomenal gelang. Nicht so zufriedengestellt wurde man durch den beiden männlichen Hauptdarsteller des Abends: Matthew Polenzani als Roberto Devereux und Mariusz Kwiecien als Herzog von Nottingham. Beide Sänger gaben ihr Bestes, doch leider ist weder die eine noch die andere Stimme für Belcanto wirklich geeignet. Daher klangen besonders die Koloraturen der beiden Herren angestrengt. Die kleineren Rollen waren alle exquisit besetzt.  

Regisseur Sir David McVicar legte seine ganze Aufmerksamkeit auf Elisabeth, die in dieser Oper mit 69 Jahren schon am Ende ihres Lebens ist. Sehr feinfühlig arbeitete er heraus, wie zerbrechlich und vielseitig diese Frau war. Radvanovsky setzte das großartig um. Elisabeth hinkt, hat einen Stock und eine zitternde Hand. Wenn sie am Schluss ihre Perücke runterreißt und man ihre schütteren weißen Haare sieht, bekommt man Gänsehaut. Aber dadurch, dass McVicar seinen ganzen Fokus nur auf Elisabeth legte, schien es so, als hätte er den Rest vergessen. Größtenteils standen die Sänger einfach hilflos herum. Ein weiterer Minuspunkt war das Bühnenbild, welches vom Regisseur selbst entworfen wurde. Ein wunderschöner Saal, der sich aber kein Stück verändert und dadurch nach spätestens dem zweiten Akt lähmend und uninspiriert wirkt. Der Chor war permanent auf der Bühne, selbst bei den intimsten Duetten, beobachtete und applaudierte nach den Arien. Das hatte nicht nur keinen Sinn, sondern war auch störend und langweilig. Nach der Aufführung beim Applaus klärte sich aber alles auf. Die Sänger verbeugten sich zuerst vor dem Chor und dann vorm Publikum. Also war die ganze Inszenierung darauf aufgebaut, dass die gesamte Vorstellung eine Theateraufführung im 16. Jahrhundert ist. Wenn aber so ein Grundgedanke erst beim Applaus verständlich wird, stimmt etwas nicht.

Atemberaubend schön waren allerdings die Kostüme von Moritz Junge. Besonders die Kleider der Königin waren originalgetreu, detailliert und ein Fest für die Augen.

Maestro Maurizio Benini erwies sich wieder einmal als Spezialist des Belcanto. Er ging bei jeder Koloratur genau auf die Sänger ein und sorgte für einen souveränen Donizetti-Klang.

Der Chor und das Orchester der MET waren wie immer bestens studiert und gaben ihr Bestes.

Riesige Ovationen am Schluss für alle Beteiligten.

Fazit: Nach „Anna Bolena“ (2011) und „Maria Stuarda“ (2013) war „Roberto Devereux“ der schwächste Teil der Tudor-Donizetti-Trilogie an der MET in der Regie von Sir David McVicar. Die Kostüme allerdings sind phänomenal. Sondra Radvanovsky ist am besten Weg, die neue Gruberova zu werden!  

P.S. Deborah Voigt als Moderatorin zu engagieren erwies sich als Glücksfall, sorgte sie doch in Kinosaal für Lachsalven. Viele ihrer interviewten Kollegen sandten einen Gruß nach Hause. Als Kwiecien am Schluss auf polnisch seine Lieben grüßte und damit fertig war, antwortete Voigt überrascht: „That’s it?“.

Sebastian Kranner

 

 

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