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NEW YORK/Wien/ Die Met im Kino/ Cineplexx Landstraße : TURANDOT

13.10.2019 | Oper

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MET im KINO: „TURANDOT“ – 12.10.2019- Cineplexx Kino Wien Landstraße

 So verrückt  diese Geschichte von der chinesischen Prinzessin, die alle ihre Freier köpfen lässt, die nicht ihre 3 Rätsel lösen können, auch ist – in einer so fesselnden  Inszenierung wie der von Franco Zeffirelli, deren Schauwert allein schon eine Reise an die ferne Spielstätte rechtfertigen würde, wenn wir nicht so glücklich wären, sie im Kino miterleben zu dürfen, erleben wir ein aufregendes Musikdrama! Noch dazu, wenn Dirigent und Sänger von gleichem Format sind.

Dass nach dem 1. Akt eine Umbaupause von 40 Minuten nötig ist und nach dem 2. Akt 25 Minuten, nimmt man gerne hin, schon deshalb, weil man die  jeweiligen Szenenwechsel mit anschauen und die Unzahl an Einzelteilen, die von Dutzenden Bühnenarbeitern bearbeitet werden, bestaunen kann. Aber das ist nun einmal großes Theater und dafür hat Puccini seine große Musik geschrieben.

So wie Yannick Nézet-Seguin das MET Orchester diese geniale Musik spielen lässt, bleibt es nicht bei Äußerlichkeiten, die ja oft in pure Lautstärke ausarten. Wir befinden uns in einem  orientalischen Kaiserreich,  dessen Pracht wohl auch eine würdige Kaiserwahl bedingt. Der Dirigent lässt dieses glänzen und funkeln und die großen Auftritte diverser Würdenträger sowie des Volkes sind einerseits lebendig und als gegenwärtig erfassbar, andererseits repräsentieren sie einen fast schon Angst erregenden Prunk.

In den Solopassagen der Sänger hören wir eine andere Welt – menschliche Gefühle und Befindlichkeiten. Was bei den Soli der Liù ja fast immer passiert, gelang hier auch bei den Auftritten von Turandot und Calaf mittels sensibler Orchesterbegleitung. Und die große Szene von Ping, Pang und Pong im 2. Akt vermittelte neben den parodistischen Klängen auch echtes Gefühl. Dazu trugen die schönen Stimmen von Alexey Lavrov (Bariton), Tony Stevenson und Eduardo Valdes (Tenöre) und eine individuelle Charakterisierung der drei Minister bei.

Die große sängerische Überraschung war Yusif  Eyvazov als Calaf. So gut haben wir ihn noch nie gehört und so fesch und persönlichkeitsstark noch nie gesehen. Wenn auch seine Stimme in der Mittellage kein bezwingendes Timbre aufweist, so besticht seine topsichere, glänzende Höhe allemal. Umso mehr, als er nicht zu forcieren braucht, um zündende Spitzentöne zu offerieren. Sein „Vincero!“ war somit vorgezeichnet.  Das war ein Prinz im selbstbewussten Auftreten, ein Liebender, der offenbar wusste, was ihn an dieser Frau faszinierte, und auch, wie er sie aus ihrer Distanziertheit würde reißen können. Wenn sie ihm im 3. Akt gesteht, dass sie ihn nicht, wie seine geköpften Vorgänger, verachtete, sondern von Anfang an fürchtete, muss sie schon den Wissenden, der sie verstand, geahnt haben. Das macht diese Story sehr viel menschlicher. Christine Goerke sang die stolze Prinzessin mit warmem Ton und sicherer Höhe keineswegs so kalt, wie diese Frauenfigur sich die längste Zeit zeigt. Da schwingt immer schon auch frauliches Gefühl mit. Und ihre Freude über die Erlösung aus der selbst auferlegten physischen Starre ist bewegend. So natürlich auch die Liù von Eleonora Buratto, der Puccini mit den ihr geschenkten Kantilenen ja wohl auch das Leben leichter gemacht hat. Sehr erfreulich fand ich, dass die Künstlerin ihre Partie mit sehr viel vokaler Energie sang und die Rolle auch so spielte. Eine liebenswerte Sklavin mit Autorität!

Für Vater Timur hat man keinen Geringeren als des ehemaligen König Philipp, Jago, Scarpia, Mephisto, Holländer, Wotan und Hans Sachs, James Morris, eingesetzt, der mit immer noch schöner, sonorer Bassstimme einen humanen blinden Vater sang und spielte. Auch der alte Kaiser Altoum, Carlo Bosi, und der Mandarin, Jávier Arrey, hatten klangvolle Stimmen.

Der auf dem Programmzettel ungenannte Chordirektor  sagte im Pausengespräch,  dass  der Chor diese Oper so gut beherrsche, dass vonseiten des Dirigenten wie seinerzeit des Regisseurs in jeder Vorstellung neue Herausforderungen umgesetzt werden können. Lebendiger sind die Chorszenen wohl kaum denkbar.

Die unzähligen Details, die Franco Zeffirelli, der ja auch die Ausstattung entworfen hat, eingefallen sind, kann man gar nicht aufzählen. Die zahlreichen Kostüme, die Anna Anni und Dada Saligeri entworfen haben, sind ein weiteres Faszinosum. Und die Choreographie von Chiang Ching sorgt mit der nötigen Bewegung dafür, dass man aus dem vergnügten Schauen nicht herauskommt.

Die charmante Moderation der Bess-Sängerin Angel Blue machte auch auf die „Porgy and Bess“- Produktion neugierig, die am 1. Februar 2020 in die Kinos übertragen wird.

Sieglinde Pfabigan

 

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