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NEW YORK/ Wien-Cineplexx/ Die Met im Kino: IDOMENEO

26.03.2017 | Oper

25.3.2017 MET im Kino: „IDOMENEO“. Cineplexx ´Village Cinema` Landstrasse Wien-Mitte.

 MET IDOMENEO Ilia, Idamante
Nadine Sierra als Ilia und Alice Coote als Idamante (c: Hirojuki Ito/New York Times

                    „Idomeneo“ – Mozarts „Sturm und Drang“-Opus

 Wer traut sich heutzutage noch, diese frühe Seria, für München 1780 als „Karnevals-Oper“ bestellt, als „Jugend-Werk“ zu klassifizieren? Ist sie doch, ganz im Gegenteil, ein derart aufmüpfiges Opus, das „Sturm und Drang“ in höchstem Maße auszudrücken imstande ist – und vor allem ein musikdramatisches Werk, das in der Oper „Die Welt im Aufruhr“ zeigt! Zwischen 1767-1780 ist Mozart vor allem mit „Lucio Silla“ und „Mitridate“ aufgefallen und stellte sich bereits damals vor als ein exemplarischer Musik-Dramatiker! „Idomeneo“ ist nun die vorläufige Krönung dieser seiner Entwicklung. Solches läßt sich musikalisch wieder an der MET erkennen.   

 Wenn James Levine an der Met dirigiert, dann steuert der Geist den Körper! Levine „betritt“ in einem selbstfahrenden Wägelchen das Pult. Orchester wie Publikum sind derartiges gewohnt und wahrscheinlich kommen keinem die Worte „Aufersteh‘n, ja Aufersteh´n“, in den Sinn! (aus dem Chorteil der „Auferstehungs-Symphonie“, von Mahler´s Dritter!). Das Publikum, das Orchester und vor allem die Sänger lieben „Jimmy“, der nach schwerer Krankheit wieder auferstanden ist und bei Mozarts „Idomeneo“ nun bereits das 2566 (!) Mal sein Met-Orchester leitete.

Diese Oper, wurde an der Met 1982 zum ersten Mal gegeben, und wäre nicht Pavarotti in der Titelpartie dafür gestanden, dann sicherlich nicht schon früher! Dabei hat sich „Luciano vom hohen C“ gar nicht die Original-Version des Kreter-Königs in die virtuosen Stimmbänder und zur Brust genommen, sondern die leichtere, deren Koloraturen-Feuerwerk ordentlich vor allem in der Beschwörung des Meeres „Fuor del mar“ dezimiert ist! (selbst Domingo als Idomeneo hat sich diese leichter singbare Fassung, später auch in Wien, dreimal im Theater a.d.Wien gewählt).

 Tiefenpsychologen unter Musikologen und Musik–Kritiker geheimnissen sicherlich in diese doch recht deutliche Vater-versus-Sohn-Libretto-Vorlage hinein, daß sich Mozart möglicherweise aus den damals laufend kommenden väterlichen Ratschlägen und dessen Obhut per Brief musikalisch empanzipieren wollte, ja mußte… – Lassen wir es dabei! Es ist einfach ein Mal-Strom dramatischer Musik, welche niemand zur Ruhe kommen läßt und pausenlos fesselt, seit der Uraufführung 1781 im Cuvillies-Theater. Natürlich kommen da kontemplative Ruhepunkte vorzugsweise in den Soli der beiden Soprane, in lyrischen wie dramatischen Momenten und Arien. Wie bei Ilia gleich zu allem Anfang, bei „padre, germani, addio“ oder im 3. Akt bei „zeffiretti lusinghieri“. Bei ihren drei Arien zeigte sich der zarte, fast soubrettige Sopran von Nadine Sierra als in seinem Element (noch heuer singt sie „Lucia“ im La Fenice und Gilda in Paris). Die Elettra, der Elza van den Heever drehte bei „tutti nel cor vi sento, weniger auf als erwartet. Ebenso nicht ganz so verrückt war sie bei „D´Oreste e d´Aiace“ in ihrem Wahnsinn zum Finale.

Die Zeit bleibt scheinbar stehen oder – greift weit voraus bis hin zur Wiener Klassik, beim  dramatischen Concertato, des Quartett-Abschied „ Andrò ramingo e solo“ von Ilia, Elettra,, Idamante und Idomeneo, wo alle vier gleichzeitig ihre Gefühle offen legen. Wenn „Volkes Stimme“ ertönt in den Chor-Sätzen, und vor allem in der Ombra-Szene von „O voto tremendo“ im letzten 3. Akt rumort es besonders schauerlich, geradezu „förchterlich“. Der MET-Chor ist in allen seinen Auftritten bei den großartigen Chören auf der Höhe seiner fordernden Aufgabe. Die Stimme des deus-ex-machina-Orakels kommt von Eric Owens.

Zwei Stimmen werden erst zum Schluß benotet, zuerst der Titelheld und kretischer König von Matthew Polenzani. Er führt die Tradition italienischer Tenöre für Mozart-Rollen fort (wenn auch in der anspruchsvolleren Original-Fassung!) und das macht Sinn und Effekt, weil er die kantable Partie mit einer gewissen Bravour erfüllt, ohne deren Lyrismen zu vernachlässigen.

Idamante ist eine Partie „en travestie“ für den Mezzosopran und gerade diese Hosenrolle macht keine gute Figur, bei der schon von allem Anfang an („Non ho colpa“) vortrefflich singenden und absolut stilreinen Mozart-Sängerin. Alice Coote – für sie doch recht unvorteilhafte heroische Männerkleidung – läßt sich einfach nicht wegblenden.

Jean-Pierre-Ponnelle, gesamt-verantwortlich für Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme, hatte meiner Meinung, an sich dafür eine ziemlich schwere Hand – alle Bauten lasten schwer, voluminös in Stein gehauen, in griechisch-römischer Antike. Kostüme verführen in ihrer Massigkeit zum barocken Steh- und Schreit-Theater, was der zumeist so lebhaft pulsierenden und vorwärts drängenden Musik gar nicht entspricht, ja Aktionen fast behindert. Vielleicht hat die sonst so innovative Regie-Pranke Ponnelles – 6 Jahre vor seinem Tod – einst die Charaktäre lebhaft anders bewegt, jetzt erscheint vieles erstarrt… ja mumifiziert (als „Regisseur“ nennt die MET David Kneuss).

Dem Strich zum Opfer fällt das finale Ballett (bereits bei der UA eliminiert). Streichen können, hätte man auch die erste häufig weggelassene Arie des Arbace (Alan Opie). Dessen zweite – die Klage über Kreta mit dem ausdrucksvollem Rezitativ „Sventurata Sidon“- hörte sich bemüht an.

Nochmals auf Levine zurückkommend – von ihm erwartete man nie schroffe Explosivität wie bei Nikolaus Harnoncourt, er hatte auch nicht die scheinbar so apollinische Art des Mozart-Dirigats eines Karl Böhm. Levines Les-Art der Partitur und Führung des Orchesters ist die eines Kapitäns, der seine Crew (Sänger wie Orchester) durch das sanfte oder wild aufgewühlte Meer der Töne sicher geleitet – er enttäuscht nie Erwartungshaltungen. Zu ihm kommt das Publikum eben so gern wie zu Besuch bei einem guten Freund…und auch darum mag es ihn…  Norbert A. Weinberger                                 

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 Aus dem Archiv im Rückblick:. „Idomeneo“ / Wiener Staatsoper (ab der Nachkriegszeit)  (im Kästchen)

1971-1973  (R: Kaslik, B: Svoboda, K: Skalicki) 11x mit D: Krombholz; Solisten: Krenn, Kmentt, Della Casa, Jurinac u.a.m.

1987-1994  (R.Schaaf, B: Fielding, K: Hoheisl)  17x mit D: Harnoncourt. je 3xRunnicles, 3x Davies.  Solisten: Schreier, Jerusalem, Ziegler, Murray, von Otter, Mc Laughlin, Murphy, Coelho, Hollweg, Kmentt, Moser, u.a.m.

1997 3x mit D: Peter Schneider. Solisten: Domingo, Kirchschlager, Schnitzer, Coelho u.a.m.

1999-2000  5x mit D: de Billy, Solisten: Kerl, Moser, Kirchschlager, Coelho, Ziesak, Roider

2006: 4x mit D: de Billy, 6x Schneider, Solisten: Shicoff, Kirchschlager, Kühmeier, Reinprecht, Frittoli, Tamar u.a.m.

2007: 5x mit D: de Billy, 4x Schneider, Solisten: Schade, Kirchschlager, Selinger, Kühmeier, Reinprecht, Tamar, u.a.m. (Quelle: Chronik Wiener Staatsoper/Werkverzeichnis 1.Teil)

 

       

 

 

 

 

 

 

 
                            

 

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