Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

NEW YORK / Die Met im Kino/ Wien Cineplexx: „L´AMOUR DE LOIN“ von Kaija Saariaho

11.12.2016 | Oper

10.12. 2016.  Met im Kino: „L´AMOUR DE LOIN“

Cineplexx Village Wien-Mitte

VOM LIEBEN UND SINGEN IN DER FERNE –                

– FAST EIN KÖNIGSKINDER-SYNDROM

Nach der UA der Salzburger Festspiele 2000, sowie Linz 2015, kam diese Auch-Tristan-Variante über den Großen Teich nach Wien, via HD-TV der Met im 40. Jubiläumsjahr. Regisseur Robert Lepage und Michael Curry schufen Bühnen- und Kostümzauber. Susanna Mälkki am Steuer kreuzte in Kaija Saariahos Post-Impressionismus – durch des Meeres und der Liebe Klänge.

Bildergebnis für Metropolitan opera l'amour de loin
Auf dem Wasser zu singen…. Tamara Mumford (Pilger) und Eric Owens (Troubadour) (c: Sara Krulwich/New York Times

 Die ganze Geschichte ist einfach und nur im Kern kompliziert – die Seele ist ein weites Land!  Die hochneurotische Schwärmerei eines Troubadours aus dem 12. Jahrhundert – des Prinzen de Blaye.  endet als Sterbender in Erfüllung seiner Sehnsüchte nach einer Begegnung in Tripolis. Im letzten Augen-Blick seines so dringenden Wunsches, nach dieser ihm bisher unbekannten Dame. Seine Suche ist einzig erfüllbar nach einer unsicheren Überfahrt übers Meer an den Schauplatz Aquitanien. Durchaus passend und sogar zitierbar „mein Sehnen, mein Wähnen“.. – Doktor Freud wäre mit einem solchen Patienten und dessen Wahnvorstellungen, bei einer erfolgreichen Behandlung des Falles mithilfe einer jahrelangen Psychotherapie, wahrlich gut bedient gewesen…

Beide Protagonisten kennen sich (noch) nicht, ersehnen bzw. befürchten gegenseitige Begegnung: Ein schwärmerischer Troubadour „Jaufré Rudel“ (Eric Owens), hat als Ziel seiner Begierde (s)eine Traumfrau. Diese, von fern angeschwärmte Geliebte, ist Gräfin Clémence (Susanne Phillips). Final kann sie dem ankommenden Moribunden nur mehr die Hand reichen und ihn getrost in ihre viel zu langen Gebete einschließen, ehe sie künftig den Schleier nimmt. Gestatten! – ein Dritter im Bunde kommt schon früher hinzu, als Charakter „Der Pilger“ genannt (Tamara Mumford). Der libanesische Dichter Amin Maalouf hat in französischer Sprache über diese ziemlich krause Chose das Libretto „La vida breve de Jaufré Rudel“ gezimmert. In 5 Akten findet zu wenig Drama statt. Im Grunde geht es nur um die märchenhaften Seelen-Krämpfe des Schwärmenden an jene ferne unbekannte „Amour“! Diese „Handlung“ bedarf eigentlich keiner Vertonung als Oper. Die monologisierenden Befindlichkeiten der Drei könnten durchaus ohne Bebilderung auf einer Bühne auskommen, und nur in Form eines Oratorium abgehandelt. 2005 ging die Komposition in Beirut in konzertanter Form genauso vor sich und hatte Erfolg.

Der Siegeszug durch die Opernhäuser (siehe Auflistung am Ende als N.S.!) beruht meiner Meinung nach vor allem aufgrund der illustrativen Gefälligkeit eines post-impressionistischen Orchestergewandes der finnischen Komponistin Kaija Saariaho. Hörbar „an der Wiege“ ihres Opern-Erstlings, standen Claude Debussy und andere seiner Impressionisten-Zeitgenossen. Das Resultat = ein „Schaumbad de luxe“ in opulenten pointilistischen Klangflächen, welche die Ohren mit viel glitzerndem „klingeling“ kitzeln. Jedes zu lange Verweilen im wohlig warmen Wasser lässt nicht nur die Haut erschlaffen, sondern den ganzen Körper. Die „gefühlte Zeit“ scheint  ungebührlich gedehnt über eine absolute Spieldauer von 2.5 Stunden. Das nicht enden-wollende Finale mit Clémences Gejammer, wie in Endlos-Schleife, erschien mir wirklich enervierend: „…nur eines wünsch ich noch, das Ende….“

Die einen Zuhörer stets umschwebenden Klänge á la Debussy erinnern häufig an dessen „Trois Nocturnes“!„Nuages“, „Fêtes“, „Sirenes“ und natürlich „La mer“ stehen Pate für den Hör-Eindruck. – In einer postmodernen Komposition der Jahrtausendwende, kann solches nur ironisches Zitat sein und nicht als „Krücke“ fungieren – oder doch ?!

Jeder newcomer in seinem Genre bedarf der Stütze; wer auch immer neu beginnt, muss sich an irgendwas anhalten! Ihm dient eine Laterne nicht zum Festhalten, sondern zur Erleuchtung. (–„Feuersnot“, das Frühwerk von Richard Strauss, orientierte sich bekanntlich an Wagner…)

Der ganze orchestrale „glitter & glamour“ konnte mich bei längerem Anhören nicht durchgehend beeindrucken, obzwar die Klänge auf Dauer ziemlich meditativ wirkten. Die beruhigenden Alpha-Wellen der Gehirnströme, zuständig für das sanfte Einlullen, taten manchmal Wirkung. Susanna Mälkki, die finnische Maestra, hatte an der Met ihr Debut und leitete gezielt den dynamischen Mal-Strom irisierender Klangflächen in das sehr animiert musizierende Met-Orchester.

Der Augenschmaus und sein Inszenator – Robert Lepage, ist weltweit legendär als Regisseur und speziell an der Met, für das Setzen gänzlich neuer Maßstäbe für die Bühne. Mit seiner unglaublichen „Ring“- Inszenierung, brachte er vollkommen verblüffende Bühnenwirkungen zustande, dank einer innovativen und wahnwitzig teuren Technik. Solches war mit bisherigen Möglichkeiten der Bühnenbilderkunst nicht erreichbar! Mit dem Bühnen- und Kostümbildner Michael Curry erschuf lighting-man Kevin Adams „Magisches“, – ein echt solitäres Kunstwerk. Eine nach hinten ansteigende Oberfläche mutierte zu einem Ozean, ausgespannt zwischen Bühnen-Himmel und dem Bretterboden, der auch die Opernwelt bedeutet! Das Resultat ergibt verblüffende Effekte für das Spiel der Wellen. „Wenn der Ozean spricht“, ragen oft nur Köpfe des Met-Chores knapp über die Wasser-Linie. Ebenso, wenn diese Wasserwesen, Verständliches (dank der Übertitel), ebenso wie lediglich fein gesponnene Vokalisen von sich geben. Der Einheits-Schauplatz „Wasserwelt“ bedarf keiner Umbauten, einzig eines Streifens „Küste“ zum Anlegen des „Bootes“. Das erscheint Kran-artig, beweglich, in der Mitte schwenkbar – mit einer Brüstung rundherum. Scheinbar schwerelos navigiert dieses Gefährt, horizontal von den Seiten zur Mitte zu – eine mobile Brücke zwischen zwei Welten. Kanzelartige Auskragungen an beiden Enden dienen als Plattform der Monologisierenden. Als kleines Beiboot gesellt sich ein Kanu oft hinzu, das Wasserfahrzeug des „Pilgers“. Dieser ist ein Zwischenwesen, changierend im Charakter. Einerseits Kommentator, könnte die Figur genauso ein antiker Fährmann sein wie Charon. Tamara Mumford als Pilger oder gar Pilgerin verfügt über die interessanteste Stimme des Abends. In der Erscheinung, epheben-, ja engelhaft, besitzt sie einen seraphisch klar klingenden Mezzo von großer Einprägsamkeit. (Sie müßte von Stimm-Charakter und Timbre eine ideale zerbrechliche Melisande in Debussys Oper sein).

Susanna Phillips, seit 2008 an der Met, die Gräfin Clémence, gewinnt lyrisch und ausdrucksmäßig in der Begegnung mit dem sterbenden Troubadour. Sie verliert an Aufmerksamkeit, als sie sich und das Publikum in den viel zu lang komponierten Selbstvorwürfen peinigt. Eric Owens, der überlebensgroße, starke Sänger als schmachtender Jaufré Rudel, drängt das eventuell auftauchende Bild eines romantisch schwärmenden Jünglings in den Hintergrund, auch durch die Wucht einer sehr massiven Körperlichkeit. Doch Owens mächtiger Baßbariton ist von einer dunklen Dämonie und Farbigkeit, die ihresgleichen sucht. 

Mein kritischer Befund auf den Punkt gebracht – „es ist immer das Nämliche“, wie Nestroy sagen würde. – Drei Personen suchen ein Drama – und finden – was denn nun eigentlich…?

Norbert A. Weinberger

NS.: Siegeszug durch die Häuser

Der Intendant der Salzburger Festspiele von 1991-2001, Gerard Mortier, gilt als der „Vater“ dieses Werkes, er regte die finnische Komponistin Kaija Saariaho zur Vertonung des Stoffes an und interessierte als Regisseur Peter Sellars an der Realisierung als Oper. Nach der Salzburger UA 2000 ging diese Produktion 2001 an das Théâtre du Châtelet in Paris und 2002 zur US-Premiere an die Santa Fé Opera. Dazwischen lag 2001 eine lokale Produktion in Bern. 2003 kam Darmstadt zum Zug (Inszenierung Philippe Arlaud!). International ging es weiter, 2004 mit Helsinki, 2005 Beirut (2x nur konzertant!), 2008 Bergen-Festival in Norwegen, 2009 Great Britain mit English National Opera, 2012 ENO + Vlamse Opera. Eineinhalb Jahrzehnte nach der UA kam Linz an die Reihe. 2016 ein Festival im bekannten Ski-Ort Aspen (Colorado). – Aktuell steht 2016 die Inszenierung der Metropolitain Opera unter einem speziellen feministischen Stellenwert – seit 1903 hat die Met kein Werk mehr von einer weiblichen Komponistin angenommen und auch aufgeführt! Im März 2017 (siehe Anzeige U4) wird das Stück in Brünn gespielt. N.A.W.

 

 

 

Diese Seite drucken