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NEW YORK/ "Die Met im Kino/ Cineplex Münster: TANNHÄUSER – "wie aus der Ferne längst vergangner Zeiten

01.11.2015 | Oper

MET – New York / Cineplex Münster 31. Oktober 2015

 Tannhäuser – „wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten“

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Johan Botha, Eva Maria Westbroek. Foto: Metopera.

 In seiner romantischen Oper „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ schildert Richard Wagner bekanntlich den noch zu seiner Zeit erwünschten Gegensatz zwischen blossem Sex und Liebe aus  Achtung vor der Angebeteten. Nach Wagners eigenen Bekundungen liegt Tannhäusers eigentliche Schuld darin, daß er beides von einer will, er richtet nämlich sein aus der Erfahrung mit Venus stammendes sinnliches Begehren auf die unantastbare Frau („sie frevelnd zu berühren hob ich den Lästerblick zu ihr“).  das führte damals zur Ausgrenzung, heute empfinden wir beides gleichzeitig als normal.  Deshalb versuchen „zeitgemässe“ Inszenierungen,  Tannhäusers Schuld oder Elisabeths Opfertod anders zu begründen. Dazu gehörten unter  vielen anderen etwa Teilnahme an Nazi-Greueln, Tannhäuser als Maler, der Untergang der keuschen Elisabeth in einer Biogasanlage, die Verwechslung des erlösungsbedürftigen Tannhäuser mit dem die Menschheit erlösenden Christus usw!

Die Wiederaufnahme einer Inszenierung, die vor der Zeit dieser teils skurrilen Regieeinfälle entstand, überläßt nun ohne Bevormundung durch den Regisseur dem Besucher die Frage, ob er dadurch neben der Bewunderung für die geniale Musik  mehr von Tannhäusers Ablehnung jeglicher Fremdbestimmung  und seiner Erlösung durch aufopfernde Liebe nachempfinden kann.

Dazu bot Gelegenheit die Metropolitan Opera New York mit  der Inszenierung von Otto Schenk aus dem Jahre 1977, die am letzten Samstag in die angeschlossenen Kinos übertragen wurde, eine Aufführung „wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten“!

Das begann schon mit den romantischen, Caspar-David-Friedrich nachempfundenen, Bühnenbildern des kürzlich verstorbenen Günther Schneider-Siemssen, wobei die auch vom Aussehen her „teure“ Halle im II. Aufzug vom Bühnenhintergrund her beleuchtet besonders gefiel (Licht Gil Wechsler) – eben keine billige Bretterbude! Prächtig anzusehen waren auch die Kostüme von Patricia Zipprodt, allerdings waren es dieselben für die Jagd (mit Lanzen!) und den Sängerwettstreit.

Mit seinem hell timbrierten Tenor sang Johan Botha die anspruchsvolle Titelpartie in allen ihren Facetten, wie man es sich gelungener kaum vorstellen kann. Die drei jeweils einen Halbton höher zu singenden Strophen seines Lieds im Venusberg erklangen mit perfektem Legato, anscheinend mühelosen strahlenden Spitzentönen und schier endlosem Atem. Ebenso problemlos meisterte er den II. Aufzug, insbesondere die „Erbarm dich mein“ – Ausrufe. Aus der Romerzählung machte er mit wenigen Gesten ein Drama für sich, dies alles äusserst  textverständlich – phantastisch!

Ebenso großartig sang Peter Mattei den „Konkurrenten“ Wolfram. Seinen edlen Bariton im gesamten Tonumfang der Rolle, sein perfektes Legato auch und gerade im p, seine ausdrucksvollen Doppelschläge(das sind Triller!)  besonders beim „Abendstern“, bei gleichzeitiger Textverständlichkeit konnte man einfach nur bewundern. Einen trotz seiner jugendlichen Erscheinung würdigen Landgrafen sang Günter Groissböck mit bis in tiefe Tiefen seiner Partie mächtigem Baß. Eva-Maria Westbroek spielte eine leidenschaftliche Elisabeth, konnte aber gesanglich mit den Herren nicht ganz mithalten. Schon in der „Hallenarie“ störte ihr Vibrato bei Spitzentönen, ihre für die lyrische Partie fast zu dramatische Stimme dominierte dagegen mühelos das Ensemble zum Schluß des II. Aufzugs. Elisabeths Gebet im III. Aufzug erklang dann ohne vibrato, aber auch ohne das von Wagner vorgeschriebene p und pp. Sehr gelungenes p  gelang dagegen Michelle DeYoung als Venus. Mit wandlungsfähiger Stimmfärbung machte sie sowohl die grosse Verführerin, die stolze Göttin als auch die enttäuschte Geliebte glaubhaft, beherrschte dabei den grossen Tonumfang ihrer Partie. Ihr Duett mit Tannhäuser im I. Aufzug geriet so zu einem Höhepunkt. Grimmig aber auch textverständlich sang Ryan McKinny den Biterolf, auf das Tenorsolo des Walther von der Vogelweide (Noah Baetge) hatte man verzichtet. Mit hellem ansprechenden Sopran und perfekter Intonation sang Ying Fang den Hirten.

Ganz großartig sang der Chor der Metropolitan Opera in der Einstudierung von Donald Palumbo,

wobei ihm im II.Aufzug die durchweg fast unveränderte Aufstellung hilfreich war. Die p-Stellen ohne Orchester im Pilgerchor gelangen ebenso wie die schwierigen Finali besonders des II. Aufzugs. Wenn man bedenkt, daß Sänger vieler Sprachen mitwirkten, war die gute deutsche Aussprache zu bewundern,

Gar nicht zu bewundern sondern eher zu belächeln war das Ballett des Venusberg (Choreogaphie Norbert Vesak). Ohne erotische Ausstrahlung züchtig gekleidet rannten und hopsten Paare auf der Bühne herum.

Für die erotische Steigerung in mehreren Aufschwüngen bis zur Extase und das allmähliche Abklingen der Erregung in der Pariser Fassung des „Venusberg“, ebenso wie für die so großartig instrumentierten intimeren Orchesterklänge sorgte das Orchester der MET unter der musikalischen Leitung seines Direktors James Levine. Er hatte auch schon die ersten Aufführungen dieser Inszenierung 1977 geleitet – damals mit James McCracken als Tannhäuser, Leonie Rysanek als Elisabeth, Grace Bumbry als Venus, Bernd Weikl als Wolfram und Gottlob Frick als Landgraf. Wie schon früher dirigierte er mitreissend  und liebte extreme Tempogegensätze, was bei langsamen Stellen nur mit Sängern wie Botha oder Mattei Erfolg haben konnte. Selbst bei schwierigen Stellen gab es zwischen Bühne und Orchester keine Differenzen. Während der Ouvertüre und der Einleitung des III. Aufzugs konnte der Kinobesucher verfolgen, wie James Levine das trotz Behinderung schaffte. Daraus folgt, daß für den Opernbesucher diese Teile bei geschlossenem Vorhang gespielt wurden, also ohne Bebilderung – bravo! Sehr beeindruckend gelangen auch die Bläsersoli, erwähnt seien der Beginn der Ouvertüre, die verhaltene Einleitung des III. Aufzugs oder das Vorspiel zum „Lied an den Abendstern“ – musikalische Höhepunkte der Oper, ein  besonderes Lob soll der Baßklarinette und der Harfe gelten. .

Beifall gab es in der MET dann auch neben den Sängern vor allem für den beliebten Dirigenten

Im sehr gut verkauften Cineplex Münster verfolgte das Publikum diese 477. Aufführung des „Tannhäuser“ an der MET sehr aufmerksam ohne Husten oder sonstige Nebengeräusche. Ein Grund war sicher auch, wie man in Pausengesprächen von vielen Besuchern hören konnte  daß hier „Tannhäuser“ aufgeführt wurde, wo „Tannhäuser“ angekündigt war..

 Sigi Brockmann 1. November 2015

 

Foto METROPOLITAN Opera New York/Cineplex Münster

 

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