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Neues von JOHANN SEBASTIAN BACH: Von historisch informiert musizierten Dialogkantaten bis zu Instrumentalmusik jazzig ins Heute transponiert

06.06.2018 | cd

Neues von JOHANN SEBASTIAN BACH: Von historisch informiert musizierten Dialogkantaten bis zu Instrumentalmusik jazzig ins Heute transponiert

 

CD BACH: DIALOGKANTATEN mit SOPHIE KARTHÄUSER und MICHAEL VOLLE, Akademie für Alte Musik Berlin – harmonia mundi

 

Die auf dem allerseits hochgelobten neuen Album zu hörenden drei Kantaten „Liebster Jesu, mein Verlangen“ BWV 32, „Selig ist der Mann“, BWV 57 und „Ich geh und suche  mit Verlangen“, BWV 49 stammen aus Bachs Leipziger Zeit. Sie sind gekennzeichnet durch eine im Gegensatz zu früheren Werken auffällige Beschränkung auf zwei Vokalsolisten. Ein opulentes Orchester, große Chorsätze und monumentale Cantus-firmus Bearbeitungen wird man hier vergeblich suchen. Logisch kammermusikalisch hat Bach die  intimen dialogischen Dichtungen, „in denen die Gläubige Seele (Sopran) mit Jesus (Bass) ein erbauliches Zwiegespräch führt„ (Peter Wollny), in allerfeinste Musik übersetzt. Eine längere Sinfonia gibt es nur bei der Kantate BWV 49. Einfache, kurze Choräle (Mitglieder des RIAS Kammerchors) werden ebenfalls sparsam eingesetzt. 

 

Die kleine Instrumentalbesetzung (Akademie für Alte Musik Berlin) stützt sich auf Violinen, Viola, Cello, Kontrabass, Oboen und Fagott. Raphael Alpermann an der Orgel sorgt nicht nur für das architektonisch sichere basso continuo Gerüst, sondern ihm obliegt auch die gelungene musikalische Gesamtkoordination. Die drei sakralen Werke leben allerdings von der vokalen Qualität von Sopran und Bass, die jeweils sechs Nummern zu absolvieren haben. Die Belgierin Sophie Karthäuser hat sich nicht nur als exquisite Interpretin vieler Mozart Opernrollen einen Namen gemacht,  sie arbeitet auch als Liedsängerin und ist der Originalkangbewegung durch viele Kooperationen im Bereich der Alten Musik verbunden. Kein Wunder also, dass auch über ihre feingeistige, nach innen gerichteten Gestaltungen der durchwegs lyrisch zurückhaltenden Arien nur das Beste zu berichten ist. Bisweilen fast flüsternd, drückt ihr mit einem leicht irisierenden Vibrato überzogener Sopran eine ganz eigene „gezähmte“ Aufgeregtheit aus. Reizvoll! 

 

Die große Überraschung der CD ist Michael Volle als „Jesus“. Der mittlerweilen im ganz schweren Wagnerfach zum weltweit nachgefragten Heldenbariton gereifte Sänger vermag seine Stimme für Bach stilistisch gehörig zu drosseln. Natürlich freut sich der Hörer bei Nummern, wie „Ja, ja, ich kann die Feinde schlagen“, dass der Interpret ein Riesen-Stimmreservoir zu Verfügung hat. Volle setzt seinen markanten, perfekt in der „Maske“ sitzenden Bariton (er erinnert da ein wenig an Theo Adam) liedhaft mit duftiger im Mikrokosmos auf- und abschwellender Phrasierung ganz in den Dienst der sakralen Inhalte. Die Verzierungen, die Läufe, die kleinen Noten generell perlen wie am Schnürchen. Verblüffend! Den musikalischen Höhepunkt der CD bildet das schöne Schlussduett der beiden Solisten, wo der Sopran zur Bassarie „Mein Glaube hat mich selbst so angezogen“ lange ätherische Kantilenen zu singen hat. Bach at his best. 

 

Ein Album für musikalische Feinspitze, und natürlich die Bewunderer großer Vokalkunst.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

CD QUER BACH 2: 15 Instrumentalsätze vom Vokalensemble SLIXS a cappella groovig in neue Klangkleider gesteckt – Hey!Classics

 

In Quer Bach 1 versuchte die Formation SLIXS, die bislang eher im Jazz, Pop, Soul oder Funk zu finden war, erstmals 2014 verschiedene rein instrumentale Werke Bachs in Vokal-Arrangements (als Filmmusik für Norbert Baumgartens Film „Mensch Kotschie“) zu adaptieren. Der Versuch gelang, dem Publikum gefiel‘s. Nun hat sich das deutsche Sextett rund um Katharina Debus (Sopran) und den Herren Michael Eimann, Gregorio D‘Clouet Herández, Karsten Müller, Thomas Piontek und Konrad Zeiner  in einem neuen Album abermals der Musik Bachs angenommen. Zu hören sind relativ kurze, nach dem Gusto der Künstler gewählte  Ausschnitte/Sätze aus dem Konzert in A-Moll BWV 1041, dem Magnifikat „Suszepit Israel“ BWV 243, den Goldberg Variationen BWV 988 (die mit acht Titeln den Schwerpunkt des Programms bilden), der Partita für Violine Nr. 3 BWV 1006, der Fuga Canonica aus dem „Musikalsochen Opfer“ und dem Prélude und der Fuge in C-Moll BWV 549. Bei der Auswahl wurde natürlich auf eine gewisse Sanglichkeit und technische Machbarkeit Rücksicht genommen. 

 

Was sofort auffällt, ist das im Unterschied zu traditionellen klassischen Chören, wo Homogenität und das Verschwinden des „Einzelnen“ hinter einer Art kollektivem Klang als Qualitäts-Markenzeichen gelten, hoch individuelle Klangbild, das geradezu auf die unterschiedlichen Timbres, das teils gezielte solistische Hervortreten der Mitglieder des Sextetts setzt. Da entsteht einen ganz andere Art des Miteinander, ein unverwechselbarer „barock“ inspirierter Sound, der Bach in einem ganz anderen Lichte zeigt. Sehr persönlich gefärbte Sopranstimmen gab es auch schon bisher in der mittelalterlichen oder Renaissancemusik, also eher in der Alten Musik vor Bach, wie dies die Beispiele Catherine Bott oder Monserrat Figueras belegen. Die mit eigenwilligen Vokalfarben arbeitende Stimme der Diva Katharina Debus reiht sich bestens in diese Tradition. 

 

Bach schon langjährig auf der Bühne erprobt, ist SLIXS nichts weniger als ein Wurf gelungen. Ist manches gewöhnungsbedürftig, wie etwa das extrem langsame Tempo der „Aria“ aus den Goldberg Variationen, so lassen die von Michael Eimann erstellten Arrangements genug improvisatorischen Spielraum für die Ausführenden in Bezug auf die Wahl der Vokale, deren Abmischung und die möglichen Lautfolgen bei Pizzicato-Stellen. Das erlaubt ein spontan frisches Hörerlebnis, da ist Raum für Witz und Leichtigkeit, dem grundlegend  Tänzerischen der Musik wird ebenso Platz gelassen wie den strengen Strukturen des Kontrapunkts. Experiment geglückt.

 

Eine Empfehlung!

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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