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Neue CDs beim Label naive: Brahms‘ Klavierkonzerte mit Herbert Schuch und den Bochumer Symphonikern unter Tung-Chieh Chuang/

05.02.2025 | cd

Neue CDs beim Label naive: Brahms‘ Klavierkonzerte mit Herbert Schuch und den Bochumer Symphonikern unter Tung-Chieh Chuang/

Träumerische Visionen

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Für den rumänischen Pianisten Herbert Schuch gibt es keine Alternative zu den beiden Klavierkonzerten von Johannes Brahms. Keine anderen Konzerte würden die große Geste, virtuos dramatische Zuspitzungen und ein so tiefes musikalisches Miteinander bieten wie diese Werke. Die Beschäftigung mit diesen beiden Kolossen sei ein lebenslanger Prozess. Diese besondere Intention merkt man seiner Interpretation mit den Bochumer Symphonikern unter der inspirierenden Leitung von Tung-Chieh Chuang auch an. Schon die dramatische Spannung des ersten Klavierkonzerts in d-Moll opus 15 wird konsequent durchgehalten. Es wurde anfangs vom Publikum abgelehnt, denn die Konzertbesucher von 1859 erwarteten ein virtuoses und effektvolles Stück. Die sinfonischen Vorbilder stechen hier immer wieder deutlich hervor. Das große Vorbild Beethovens zeigt sich ebenfalls. Ehern und unerbittlich klingt es wie ein Aufschrei mit dem Grundton im ersten Satz, Maestoso, dann reckt sich schicksalsschwer dreimal das Hauptthema auf, zerklüftet und schaurig in seiner Größe. Das wird von Herbert Schuch und den Bochumer Symphonikern unter Tung-Chieh Chuang voll und überzeugend erfasst. Besänftigende und klagende Stimmen können sich nicht behaupten, denn noch finsterer und abweisender erweist sich das Kopfmotiv. Das Klavier greift bei dieser Aufnahme mit einem beschwichtigenden Seitenthema ein – und das unerbittliche Anfangsmotiv begehrt nochmals machtvoll dagegen auf. Die Durchführung imponiert mit harten Oktaven, die dem Kopfmotiv wieder zu beherrschender Größe verhelfen. Und die Reprise erinnert sich an den versöhnlichen ersten Einsatz des Klaviers. Auch die tröstliche Ruhe des zweiten Themas kommt nicht zu kurz. Die strömenden Momente des zweiten Satzes, Adagio, fängt Herbert Schuch mit den Bochumer Symphonikern ebenfalls überzeugend ein. Ihm antwortet das Klavier mit der warmen Fülle einer Melodie, in der die flehende Beschwichtigungsweise des Maestoso widerklingt. Der leidenschaftliche Mittelteil kennt auch schmerzliche Töne. Das Schlussrondo, Allegro non troppo, kreist stimmungsvoll um ein eigenwilliges Thema.   Das Klavier lässt dann in der Wiedergabe Herbert Schuchs den freundlichen Seitengedanken geradezu aufblühen. Diese Interpretation hinterlässt auf dieser CD den stärksten Eindruck. Die sinfonischen Züge treten auch beim viersätzigen Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 in B-Dur opus 83 deutlich hervor, dem Herbert Schuch geradezu  majestätische Züge verleiht. Es hat zwar nicht die trotzig aufbegehrende Leidenschaft des ersten, dafür aber  eine Abgeklärtheit und reife Wärme. Wie aus romantischen Märchenwäldern taucht das Hauptthema des ersten Satzes, Allegro non troppo, als Hornruf auf und wird vom Klavier-Echo in reizvoller Weise übernommen. Im Orchester steigert es sich dann überraschend straff und tatkräftig an den Energien verschiedener Seiten- und Gegenthemen bis hin zur farbig-kunstvollen Durchführung.  Die völlig andere Stimmung des anschließenden Scherzo wird hier ebenfalls sehr gut erfasst. Der Vorder- und Nachsatz verraten eine seltsam zwiespältige Leidenschaft. Und die Sonatenform des Satzes verbannt das Trio, beschwört in der Durchführung aber eine Fülle von spukhaft-gejagten, teils drastischen oder träumerischen Visionen. Diese prägen sich in der Interpretation Herbert Schuchs beim Hörer tief ein. Schwärmerische Andacht beherrscht den dritten Andante-Satz. Die zwei Melodien aus Brahms-Liedern können sich eindringlich behaupten. „Immer leiser wird mein Schlummer“ singt mit Intensität das Solo-Cello – und das Klavier meditiert dazu geradezu träumerisch-zart. Im Mittelteil mahnen die Klarinetten still und wie aus der Ferne. Wieder breitet das Klavier einen sphärenhaften Schleier  um das wunderbare Traumbild. Das graziöse Kopfthema des Rondo-Finales, Allegretto grazioso, fesselt mit seinen Abwandlungen und Einkleidungen ebenso.  Die intensive Bratschenbegleitung lässt das ungarisch getönte Seitenthema bei dieser Aufnahme fast aufstrahlen. Dazwischen interpretiert Herbert Schuch auch Solo-Klavierwerke von Johannes Brahms. Neben dem geheimnisvollen Andante-Zauber des zweiten der sechs Klavierstücke op. 118 fasziniert die gelungene dynamische Balance des vierten Wiegenliedes der fünf Lieder op. 49 ebenfalls sehr stark. Sehr feurig und ekstatisch  kommt der Ungarische Tanz Nr. 5 daher, dessen Glut und Wildheit den Hörer unmittelbar mitreissen. Der Walzer Nr. 15 in As-Dur aus den Walzern op. 39 besticht aufgrund einer sanft wiegenden Ländlerweise. Und das erste der drei Intermezzi op. 117 überzeugt mit einer Liedmelodie, die von betörend gestalteten Dreiklangharmonien umrahmt wird. Diese empfehlenswerte Aufnahme lässt Johannes Brahms einmal mehr als absoluten Musiker erscheinen, der seiner Zeit weit voraus war.    

Alexander Walther

 

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