Neue CD: Werke von Camille Saint-Saens „Complete Concertos“ Vol. 2 bei Berlin Classics/
SCHWÄRMERISCH UND LEIDENSCHAFTLICH

Der Anfang ist gemacht: Hier erscheint die vollständige Edition sämtlicher Orchesterwerke von Camille Saint-Saens. Diese Konzertstücke sind nicht bloße „Virtuosen-Reisser“. Sie sind ebenso elegant wie melodienreich. Saint-Saens gelingt es, Traditionen fantasievoll zu brechen. Es kommt zu elektrisierenden Dialogen zwischen Solist und Orchester. Die vorliegende CD-Reihe wurde ermöglicht durch die Schweizer Orpheum Stiftung und die Stiftung Eppur si muove. Das renommierte ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der einfühlsamen Leitung von Howard Griffiths begleitet den vielversprechenden Pianisten Jae Hong Park beim zweiten Klavierkonzert in g-Moll op. 22 von Camille Saint-Saens höchst filigran und zielstrebig. Dieses an Franz Liszt geschulte Meisterwerk bietet dem Hörer bei dieser gelungenen Aufnahme einen erstaunlichen harmonischen Reichtum und eine kontrapunktische Vielschichtigkeit. Insbesondere der langsame erste Satz kann eine enorme klangliche Wirkungskraft entfalten. Man spürt, dass Camille Saint-Saens ein universell gebildeter Musiker war. Selbst Einflüsse von Bach und Offenbach sind hier herauszuhören. Nach der pompösen Einleitung präsentiert das Klavier das markante Hauptthema. Der Wechsel von g-Moll nach B-Dur verläuft dabei ausgesprochen geheimnisvoll. Dieser bewegenden Hommage an Johann Sebastian Bach folgen dann ein tänzerisches Scherzo sowie eine rasante Tarantella, die der Pianist Jae Hong Park bravourös meistert. Das dynamische Kontrastthema kommt ebenfalls nicht zu kurz. Die Kadenz des Klaviers verarbeitet wirkungsvoll Motive aus dem Hauptthema. Die Wiederholung der Klaviereinleitung am Schluss verfehlt bei dieser Einspielung ihren Zauber ebenfalls nicht. Der ausdrucksstarke Cellist Lionel Martin interpretiert dann zusammen mit dem exzellenten ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Howard Griffiths die selten zu hörende Suite für Violoncello und Orchester, die zwei Lebensphasen des Komponisten eindrucksvoll verbindet. Auffallend sind dabei nicht nur barocke Anklänge, eine zarte Sarabande sowie eine folkloristische Gavotte, sondern vor allem auch eine schwärmerische und leidenschaftlich musizierte Romance, bei der das Hornstück op. 67 reizvoll hervorblitzt. Das Finale begeistert wieder als temperamentvolle Tarantella. Auch hier schimmert der Einfluss von Bach durch. Martins Lehrer waren Anne-Sophie Mutter und Yo-Yo Ma, was man beim Hören spürt. Der exzellente Hornist Ben Goldscheider interpretiert die Konzertstücke für Horn, die Saint-Saens für die besten Hornisten seiner Zeit schrieb. Die Romanzen in F-Dur und E-Dur wurden beide für das Naturhorn geschrieben, das nur die Töne der Obertonreihe spielen kann. Die Romanze in E-Dur ist ein Teil des gleichnamigen Satzes aus der Suite op. 16. Und die kompositionstechnisch noch interessantere F-Dur-Romanze überzeugt, weil sie Melodiephrasen virtuos aneinanderreiht und mit schnellen Harmoniewechseln besticht. Ben Goldscheider spielt hier auch das Morceau de concert in f-Moll op. 94, das Saint-Saens für das Chaussier-Horn schrieb. Das Werk ist sehr konzertant und wartet mit robuster Harmonik auf. Goldscheider macht diese Vorzüge sehr gut deutlich. Punktierte Rhythmik beherrscht das ungestüme Hauptthema. Und die dynamischen Kontraste des langsamen As-Dur-Satzes gehen unmittelbar unter die Haut. Riesige Melodiesprünge faszinieren den Zuhörer. Ausgesprochen vielschichtig und harmonisch abwechslungsreich wird das Finale gestaltet. Diese Einspielung ist sehr zu empfehlen!
Alexander Walther

