Neue CD: „The Geometry of Time“ mit Francesca Guccione beim Label Neue Meister/
Faszinierende Verbindung von Klangwelten
Analoge Synthesizer spielen beim aktuellen Album der italienischen Geigerin und Komponistin Francesca Guccione eine große Rolle. Sie war schon immer von der Verbindung von Ton und Bild fasziniert. Unter anderem studierte sie auch Filmmusik, was man auf der vorliegenden CD deutlich hört. Sie wurde von dem Synthesizer-Spezialisten Moog Music eingeladen, bei der Superbooth in Berlin aufzutreten. Sie habe sich für dieses Projekt sehr in Frage gestellt und ihr Verhältnis zum minimalistischen Stil und zum Kammermusikcharakter überprüft. Vor allem habe sie versucht, eine Verbindung zwischen Moog-Synthesizern und bestimmten Instrumenten der klassischen und zeitgenössischen Musik (wie Geige, Cello oder Streichquartett) zu finden. Stimmen und Klangnuancen seien dabei herausragend. Davon kann man sich bei der vorliegenden Aufnahme bei Titeln wie „Continuum“, „The Geometry of Time“ oder „Springs of Time“ überzeugen. Ein Dialog zwischen scheinbar weit entfernten Klangwelten ergibt sich hier wie von selbst. Werke der Literatur, Kunst, Fotografie und eben des Films sind immer wieder ihre Ideengeber. Das Buch „The Order of Time“ des italienischen Physikers Carlo Rovelli inspirierte sie zum Thema Zeit. Das Vergehen der Zeit habe sie im philosophischen Sinn schon immer fasziniert. Das kann man bei der Aufnahme deutlich hören. „Wenn Unerwartetes geschieht, wie eine neue Liebe, die Geburt eines Kindes oder der Verlust eines geliebten Menschen, fühlen wir eine Verbindung zu den Menschen aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“, so die Künstlerin. Diese subtilen und geheimnisvollen thematischen Verbindungslinien arbeitet Francesca Guccione mit ihrer Violine ausdrucksstark heraus. Dies kommt bei weiteren Nummern wie „Ode to Mnemosine“, „A Dynamic Sense of Light“ und „The Persistence of Memory“ in harmonisch vielfältiger Weise zum Vorschein. Das persönliche Verständnis von Zeit wird hier gleichsam hinterfragt. Manchmal ergeben sich auch geradezu meditative Wirkungskräfte. Dies beweisen die beiden letzten Stücke „Ouroboros“ und „Between Seconds and Ages“ ganz besonders. Musik wird dabei zu Poesie: „Wir sind Menschen und die Zeit hat unsere Gestalt.“ Es ist eine faszinierende Aufnahme, die musikalisch Neuland erschließt. Anklänge an Komponisten wie Johann Johannsson, Max Richter, Ryuichi Sakamoto und Philip Glass sind unüberhörbar. Die sizilianischen Talente Francesco Angelico (Cello), Antonio Angelico (Violine) und Arianna Angelico (Bratsche) begleiten sie höchst einfühlsam. Bilder entstehen hier gleichsam vor dem inneren Auge in höchst inspirierender Weise.
Alexander Walther