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Neue CD mit Werken von Viktor Ullmann bei Berlin Classics erschienen. Bewegende Klangwelten

04.02.2020 | cd

Neue CD mit Werken von Viktor Ullmann bei Berlin Classics erschienen/

Bewegende Klangwelten

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Der Komponist Viktor Ullmann steht stellvertretend für eine Vielzahl von jüdischen Musikschaffenden, die in den Vernichtungslagern des nationalsozialistischen Konzentrationslagers ihr Leben lassen mussten. Die Pianistin Annika Treutler widmet sich anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung der Verfemten Musik. Durch den Holocaust sei eine Generation förmlich ausgelöscht und ein Teil der Musikgeschichte ausradiert worden. Dadurch sei nicht nur Ullmanns Musik vollkommen unbekannt geblieben, so Annika Treutler. Gemeinsam mit dem Dirigenten Stephan Frucht und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin möchte sie deswegen die Erinnerung an den bedeutenden Komponisten Viktor Ullmann wach halten. Ihr Anliegen sei es, dass seine Musik gleichwertig geschätzt und bekannt werde, wie die seiner großen, nicht verfolgten Kollegen aus dieser Zeit. Sie habe es verdient. Das Klavierkonzert (1939) und die Klaviersonate Nr. 3 (1940) verbindet nicht nur die zeitliche Nähe der Komposition. Beide Werke sind der jungen ungarischen Pianistin Juliette Aranyi gewidmet, die wie Ullmann vermutlich 1944 in den Gaskammern von Auschwitz umkam. Das viersätzige Klavierkonzert wirkt ausgesprochen unproportioniert. Die beiden energischen und raschen Schlusssätze sind sehr kurz. Die Ruhelosigkeit des ersten Satzes und die perkussive Klangwelt der Sätze drei und vier bilden wirkungsvolle Kontraste, die die Pianistin  Annika Treutler in eindringlicher Weise auskostet. Staccato-Repetitionen und wilde Triller prägen sich hier tief ein. Und auch die chromatischen Aufgänge haben es in sich. Das Andante tranquillo des zweiten Satzes beeindruckt den Hörer hier durch seine einfühlsam dargestellte Sinnlichkeit und klangliche Transparenz. Und die dreisätzige Klaviersonate wirkt in ihrer formalen Anlage ausgesprochen traditionell. Im letzten Satz gefallen die Variationen über ein Thema von Wolfgang Amdeus Mozart in besonderer Weise. Seine letzten drei Klaviersonaten komponierte Ullmann in Theresienstadt. Das Allegretto grazioso des vierten Satzes der Klaviersonate Nr. 7 überzeugt die Hörer mit einem rauschhaften Walzerthema und mit einem verklärten Motiv aus der Operette „Der Opernball“ von Richard Heuberger. Und im Schlusssatz der Klaviersonate mit Variationen und Fuge über ein hebräisches Thema findet Ullmann hinsichtlich seines Kompositionsstils ganz zu sich selbst. Er benutzt in meisterhafter Weise eine Reihe von musikalischen Zitaten – etwa den protestantischen Choral „Nun danket alle Gott“ und den Hussitenchoral „Die ihr Gottes Streiter seid“ sowie das B-A-C-H-Motiv in D-Dur. Das Ganze fesselt mit kontrapunktischer Schlichtheit. Diese siebte Klaviersonate war das letzte Werk, das Ullmann vollenden konnte und berührt die Pianistin Annika Treutler am meisten. Er hat sie seinen Kindern gewidmet. Gerade bei dieser letzten Sonate wird der Einfluss Arnold Schönbergs in besonderer Weise spürbar. Rubato-Momente und rhythmische Prozesse erreichen hier eine ungewöhnliche Intensität, die Annika Treutler präzis herausarbeitet. Diese Aufnahme ist in jedem Fall zu empfehlen.    

Alexander Walther

 

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