Neue CD mit Werken von Oskar Böhme mit Matthias Höfs bei Berlin Classics erschienen/
Virtuosität und dynamische Steigerung
Das tragische Schicksal des Komponisten Oskar Böhme blieb lange unerforscht. Über ihn waren nur wenige oder keine Informationen verfügbar. Er wurde im Jahre 1870 in einer Musikerfamilie in der Nähe von Dresden geboren, studierte in Deutschland und Ungarn und wanderte dann nach Russland aus, wo er sogar seine Nationalität wechselte. Dadurch sollten sich seine Chancen auf einen Platz in einem der großen Orchester verbessern. Trotz seiner Bemühungen um eine Integration in die russische Gesellschaft wurde ihm seine deutsche Herkunft bei der Machtübernahme durch die Bolschewiki zum Verhängnis. Er wurde 1938 wegen „antisowjetischer Umtriebe“ hingerichetet. Sein Hauptwerk ist eigentlich das Trompetenkonzert in f-Moll op. 18, das Matthias Höfs hier mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter der Leitung von Tarmo Peltokoski in einfühlsamer Weise aufgenommen hat. Dieses Konzert entstand in Böhmes frühen Sankt Petersburger Jahren. Matthias Höfs hat eine eigene Orchestrierung vorgenommen, die auch eine Harfe enthält. Sie ist in einer Kadenz im zweiten Satz solistisch zu hören. Der Solopart der Trompete ist hier sehr anspruchsvoll, weil das Instrument wie eine Geige behandelt wird. Schnelle chromatische Läufe, Sprünge, repetierte Noten und Verzierungen wechseln sich dabei in rasanter Weise ab. Und die Kadenz des stürmischen ersten Satzes stammt von Matthias Höfs. Der zweite Satz ist Andante religioso überschrieben und steht im Preghiera-Duktus. Im Mittelteil folgt eine dramatische dynamische Steigerung, die hier sehr gut interpretiert wird. Das Schluss-Rondo hat den Charakter einer atemlosen Stretta. Auch das Stück „Entsagung“ op. 19 fesselt bei dieser klanglich transparenten Aufnahme in der subtilen Bearbeitung von Kornett und Streicher von Stephan Peiffer (ursprünglich ist dieses Stück im Jahre 1900 für Kornett mit Klavierbegleitung geschrieben worden). Die Melancholie dieses Werkes wird von Matthias Höfs sehr überzeugend erfasst. Die „Soiree de St. Petersbourg, Romance op. 23“ für Kornett und Harfe widmete Oskar Böhme Professor Albert Zabel, der von Anton Rubinstein als Solo-Harfenist am kaiserlichen Ballett Sankt Petersburg ans dortige Konservatorium berufen wurde. Nach einer rhapsodischen Einleitung besticht dieses Stück aufgrund seines betont elegischen Charakters im Stil einer geheimnisvollen nächtlichen Barcarole. Matthias Höfs interpretert dieses Werk zusammen mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter der inspirierenden Leitung von Tarmo Peltokoski mit großem stilistischen Einfühlungsvermögen. In der fünfteiligen Melodienfolge des „Danse Russe“ op. 32 („Russischer Tanz“) kann sich Matthias Höfs als virtuoser Solist voll entfalten. Die drei rhythmisch betonten Teile in ges-Moll sowie die kontrastierenden Tonarten in es-Moll und Ges-Dur schaffen reizvolle klangliche Kontraste. Sehr durchsichtig wirkt Stephan Peiffers subtile Bearbeitung des „Liebeslieds“ op. 22 Nr. 2, wobei der Solist die dialogische Begleitung hervorhebt. Lyrische Betonungen werden dabei in kunstvoller Weise interpretiert. „La Napolitaine“ (Tarantella) op. 25 wurde von Matthias Höfs neu für Ensemble bearbeitet. Das Tarantella-Thema erscheint hier in wahrhaft atemberaubender Geschwindigkeit. Auch der überraschende Moll-Dur-Wechsel geht unter die Haut.
Alexander Walther